„Browser Wars“: Wie Google, Apple und Mozilla die Zukunft des Cookies verhandeln

Gastautor10.10.2019

Online Marketing mit Third Party Cookies wird immer schwieriger

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Inhalt
  1. Cookie-Richtlinien im Browser-Wettkampf: Safari und Firefox als Blocking-Vorreiter
  2. Criteo muss Umsatzprognose korrigieren
  3. Von Third zu First Party Cookie
  4. „Diese Entwicklung zieht sich schon seit Jahren hin“
  5. Kann ein „Identifier“ den Cookie ersetzen?
  6. Googles Standpunkt zum Blockieren von Third Party Cookies
  7. Google will ein „Privacy Budget“ für Websites
  8. Der mögliche Impact für Publisher
  9. ePrivacy-Verordnung, anyone?

Welche Zukunft haben Cookies noch? Diese Frage wird vor und hinter den Kulissen der Digitalwirtschaft aktuell kontrovers diskutiert. Mit Apple und Mozilla haben zwei der größten Browser-Anbieter die Speicherung von Third Party Cookies in den letzten zwölf Monaten stark eingeschränkt; Google arbeitet unterdessen an alternativen Methoden, die den Nutzern mehr Datenschutz bieten sollen. OMR fasst den Stand der Dinge zusammen und wirft einen Blick in die Glaskugel, welche Auswirkungen die Entwicklung auf die Online-Marketing-Branche haben könnte.

Die großen Browser-Anbieter haben einen nicht unerheblichen Anteil am Kampf um die Cookies: Chrome, Firefox, Safari, Edge, der Internet Explorer, Samsung Internet oder Opera sind für Millionen Nutzer ein alltägliches Vehikel. Gerade die Unternehmen hinter Browsern mit einer so großen Popularität wie Chrome, Safari oder Firefox verfügen über enorme Macht. Denn sie entscheiden nicht nur darüber, wie die Nutzer das Netz erleben, sonder auch welche Möglichkeiten Seitenbetreiber, Werbevermarkter und andere Unternehmen haben, Daten zu erheben und zu speichern.

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„Browser sind das Tor zum Internet für einen Großteil der Menschen. Es gibt jedoch nur sehr wenige Browser mit relevantem Markanteil und damit nehmen diese schon eine ,Gatekeeper’-Funktion ein, der sie auch gerecht werden müssen – für Konsumenten und auch für Firmen, die dort aktiv sind. Was zweifelsohne fast alle sind heutzutage. Ob diese Gatekeeper immer im Sinne der Nutzer oder im Hinblick auf eigene Incentives entscheiden, kann man sicherlich manchmal in Frage stellen“, meint Dr. Jochen Schlosser, Chief Strategy Officer von Adform. Adform ist ein Adtech-Unternehmen, das Käufern und Verkäufern Software zur Verfügung stellt, um digitale Werbung automatisieren zu können. Programmatic Advertising, das ebenfalls von über Cookies generierten Daten profitiert, gehört zu Adforms Angebot. 

Die Macht der Browser-Anbieter zeigt sich dann, wenn diese standardmäßig Third Party Cookies – also Cookies, die von Dritten wie Werbevermarktern und Dienstleistern auf den Rechnern der Nutzer gespeichert werden – blocken, so wie es Mozilla mit dem Firefox seit der Version 69 und Apple bei Safari schon länger tut. Allerdings gehe es dabei um Voreinstellungen, nicht um Verbote, betont Dr. Jochen Schlosser. Der Nutzer kann die Speicherung solcher Cookies also auch wieder erlauben. Gegenüber OMR erklärt er: „Natürlich kann man hier über die Marktdominanz einzelner großer Player wie Google, Microsoft und Apple sprechen, welche großen Einfluss auf die gesamte Supply Chain und auch die Browser haben.“

Criteo muss Umsatzprognose korrigieren

Die Non-Profit-Organisation Mozilla hatte erst kürzlich den aktuellen Tracking-Schutz bei Firefox eingeführt, die Enhanced Tracking Protection. Sofern dieser Schutz aktiv ist, ist das für die Nutzer am Schild-Symbol in der Adressleiste erkennbar. Ein Klick auf das Symbol und die Navigation zum Blocking-Bereich geben auch Aufschluss darüber, welche Third Party Cookies welcher Unternehmen blockiert wurden.

Diverse Cookies werden bei Mozilla Firefox geblockt, © Mozilla

Solch ein Tracking-Schutz und das Blockieren von Third Party Cookies ist für die digitale Werbebranche ein Problem. Das globale Marketing-Unternehmen Criteo, das etwa für Online-Shops personalisierte Werbekampagnen realisiert und unter anderem auf Retargeting spezialisiert ist, profitiert von den Daten, die über Third Party Cookies erhoben werden. Schon Ende 2017 hatte das französische Unternehmen Criteo seine Umsatzprognosen nach unten korrigieren müssen, nachdem Apple unter dem Namen ITP (Intelligent Tracking Prevention) Third-Party-Cookie-Beschränkungen im Safari-Browser eingeführt hatte.

Seit 2017 blockiert Safari also Third Party Cookies per Default. Seit 2019 schränkt Apple ebenfalls die Speicherdauer von First Party Cookies ein, aktuell auf sieben Tage. Bald soll diese Zeitspanne sogar auf 24 Stunden begrenzt werden. Das bezieht sich aber nur auf First Party Cookies, die von einem anderen Unternehmen bei einer Website eingesetzt wurden. Das heißt konkret beispielsweise, dass die Traffic- und Ads-Analyse von Facebook oder Google, die bei Safari seit einiger Zeit über First statt Third Party Cookies abläuft, eingeschränkt würde.

Facebook oder Google umgehen das Blockieren von Third Party Cookies, indem sie den Website-Betreibern ermöglichen, über ihren Server den Cookie zu setzen, der als First Party Cookie gespeichert wird, aber dennoch mit dem Anbieter, der die Software liefert, Daten teilt. So hat Facebook beispielsweise seinen Pixel als First Party Cookie neu organisiert. Apple kämpft damit gegen das sogenannte Cross-Site Tracking, mit dem die großen Plattform- und Technologie-Konzerne einen User bei den Besuchen auf Websites, auf denen ein entsprechender First Party Cookie integriert ist, immer wieder identifizieren können. Mit dieser Technik können Unternehmen ein Profil des Nutzers anlegen und personalisierte Werbung ausspielen.

„Diese Entwicklung zieht sich schon seit Jahren hin“

Wenn die Möglichkeiten zum Ausspielen personalisierter Werbung aber beschränkt werden, hat das Auswirkungen auf die Werbeindustrie. Die Aktie von Criteo brach im März 2019 mit einem deutlichen Wertverlust ein. Offenbar herrscht im Markt angesichts der jüngsten Entwicklungen im Browser-Bereich Verunsicherung darüber, in welchem Maß ein Geschäftsmodell wie jenes von Criteo künftig funktionieren wird.

Der Aktienkurs von Criteo in den vergangenen 12 Monaten, Screenshot Google

Criteo äußerte sich gegenüber OMR per Statement zu den allgemeinen Entwicklungen: „At Criteo, we are constantly working to develop sustainable and forward-looking solutions to maximize our reach of shoppers on our clients’ behalf, irrespective of the browser environment or operating system. Browser announcements over new privacy features do not overly concern us as we already use various innovative techniques to deliver personalized advertising, including but not restricted to hashed-emails, CRM data, and mobile advertising IDs.“

Diese Bestrebungen zum Blockieren kommen, wie das Statement untermauert, ohnehin nicht völlig unerwartet. „Wir sprechen hier ja nicht von einer Revolution, sondern einer relativ langsamen Entwicklung (mit einem aktuellen Zwischensprint), die sich schon über Jahre hinzieht. Safari und Cookies sind schon seit Langem nicht die besten Freunde, dennoch wird ja auch in diesem Browser erfolgreich Werbung verbreitet,“ so Dr. Jochen Schlosser. Allerdings benötigt ein Unternehmen wie Criteo Third Party Cookies in besonderem Maße – oder eine Lösung, die die Tracking-Optionen auffängt.

Während Schlosser Browser-basierte Advertising-IDs als gute Option für die Branche und die Verbraucher ansieht, hat das IAB (Interactive Advertising Bureau) Tech Lab eine Art digitalen Token für jeden Nutzer vorgeschlagen. Senior VP Jordan Mitchell weist im Blogpost darauf hin, dass eine „Eliminierung des Cookies“ Innovation und Wettbewerb im Netz gefährdet, solange keine andere Lösung für eine Identifikation von Nutzern zur Verfügung steht. Deshalb plädiert das IAB für einen neutralen, standardisierten Identifier, der den Nutzer bei seinen digitalen Reisen begleitet. Wollen Unternehmen darauf zugreifen, müssen sie stets auf die darin festgeschriebenen Privatsphäreeinstellungen reagieren und diese akzeptieren. So könnten Datenschutz und Personalisierung auch zusammengebracht werden.

Das IAB betont, dass alle großen Unternehmen kooperieren sollten, um Lösungen für die Digitalwirtschaft zu finden. Ohne Google wird dabei wohl wenig gehen. Allerdings ist Google anders als Apple oder Mozilla auch viel stärker auf Online-Werbung ausgerichtet. Und Power hat das Unternehmen bei den Browsern ganz besonders. Denn Branchenprimus Google Chrome wird deutlich mehr genutzt als Safari oder Firefox, sowohl in Deutschland als auch weltweit.

 

Die Marktanteile der Browser in Deutschland, auf allen Geräten, in den letzten 12 Monaten (der Klick aufs Bild führt zur größeren Ansicht), © StatCounter

 

Die Marktanteile der Browser global, auf allen Geräten, in den letzten 12 Monaten (der Klick aufs Bild führt zur größeren Ansicht), © StatCounter

 

Googles Standpunkt zum Blockieren von Third Party Cookies

Der Marktführer selbst blockiert weder First- noch Third-Party-Daten by Default, doch ein privateres Web könnte der Marktführer trotzdem mitgestalten. Dabei geht Google auf Forderungen der Politik soweit ein wie nötig, bleibt aber hinter den rigoroseren Maßnahmen der Konkurrenz zurück. Immerhin dürfte die Personalisierung für viele von Googles Werbeprodukten essentiell sein. Trotzdem kann bei der jüngsten Chrome-Canary-Version, einer experimentellen Browser-Variante, die sich im Test befindet, über die Adresszeile „chrome://settings/siteData“ eine Blockierung aller Third Party Cookies eingestellt werden. Eine solche Option ist aber in der aktuellen Google-Chrome-Version, die der Otto-Normal-Verbraucher eher nutzt als Canary, nicht vorhanden.

Google setzt in seinem Browser aufgrund des klaren wirtschaftlichen Interesses an personalisierter Werbung einerseits ebenfalls auf den Einsatz von First Party Cookies bei Websites, um eine Blockierung bei Safari oder Firefox im Kontext von Google Ads möglichst zu umgehen. Sie sollen anstelle von Third Party Cookies für die benötigten Nutzerinformationen sorgen. Andererseits möchte Google vielmehr das Fingerprinting unterbinden, bei dem Nutzer auch ohne Cookies getrackt werden. Denn Google sieht Fingerprinting als schädlich für die Entscheidungsfreiheit des Users an, da die „Fingerabdrücke“ anders als Cookies nicht gelöscht werden können, wie Googles Justin Schuh im Blogpost angibt. Das Fingerprinting funktioniert vor allem auf Grundlage der Erfassung der Eigenheiten des vom User genutzten Endgeräts. Der individuelle „Fingerabdruck“ des Nutzers könnte dann einer spezifischen ID zur Wiedererkennung zugewiesen werden. Google weist auf die Gefahr dieser Technik auch hin, um die eigene Argumentation pro Cookies zu unterstützen.

Google will ein „Privacy Budget“ für Websites

Gleichzeitig versucht Google einen besseren Datenschutz und passende Werbung für User zu gewährleisten – um Nutzer und Werbekunden gleichermaßen zufriedenzustellen und selbst keine Einbußen zu verzeichnen, sei es bei der Nutzung oder bei den Werbeeinkünften. So plant das Unternehmen, dass Websites etwa auf ein Privacy Budget zurückgreifen können. Damit können Websites dann Anfragen an APIs senden, bis es genug Informationen zum Nutzer gibt, damit dessen Interessen erkannt werden, er aber in einer größeren Zielgruppe anonym bleibt.

Mit der Privacy Sandbox sollen Nutzerdaten basierend auf dem Privacy Pass anonym ermittelt werden, sodass einzelne Nutzer zwar nicht namentlich identifiziert werden, die Werbung für spezifische Nutzergruppen aber zielgenau bleibt. Dazu denkt Google auch über Identitätsdienstleister nach, die per API begrenzten Zugriff auf User-Daten für Websites erlauben. Die unter dem Stichwort Privacy Sandbox vorgeschlagenen Entwicklungen würde Google gern von der gesamten Digitalindustrie adaptiert sehen, was wiederum auf Googles Sonderstellung unter den Tech-Playern hinweist. Google möchte neue Standards setzen, aber auf die Cookie-Nutzung nicht verzichten müssen. Immerhin dienen diese oft in vielerlei Hinsicht einer personalisierten Experience im Web, auf die wiederum wenige Nutzer werden verzichten wollen. Auch, um Werbebertug zu unterbinden, können Cookies eine Hilfe sein. Und: Werbung, die nicht auf Cookies zurückgreifen kann, dürfte Publishern weniger Einnahmen einbringen als die dank Cookies personalisierte.

Der mögliche Impact für Publisher

Wie groß die Auswirkungen des Endes von Third Party Cookies möglicherweise sind, dazu gibt es unterschiedliche Prognosen. Google beispielsweise nimmt Daten aus dem Ad Manager – Googles Tool für die Werbeanzeigenverwaltung – als Grundlage, um zu betonen, dass Publisher im Schnitt 52 Prozent an Einnahmen verlieren würden, sollten Cookies beim Advertising außen vor gelassen werden. Diese Studie wurde jedoch neben Zustimmung von anderen Marktteilnehmern kritisiert. Die Rechnung sei falsch, monierten diverse größere Publisher bei Digiday. Bei Github wird ebenfalls heiß über die Zahl diskutiert, wobei etwa Robin Derjon von der New York Times die Korrelation mit der Aussage anzweifelt, dass ein Blocken von Third Party Cookies im Browser für die Publisher derart große Probleme bedeuten würde. Trotzdem hat die Studie von Google für viel Aufsehen gesorgt, sie wurde etwa bei TechCrunch weniger kritisch besprochen, und funktioniert offenbar als Lobby-Arbeit für den eigenen Standpunkt in der Debatte um das Blockieren von Third Party Cookies.

Die Studie „Online Tracking and Publishers’ Revenues: An Empirical Analysis“ dreier Forscher von US-Universitäten ermittelt hingegen minutiös, welche Gewinne und mögliche Gewinnverluste bei Transaktionen wirklich an den Cookies hängen. So kommen die Forscher letztlich zu der Erkenntnis, dass die Cookie-Verfügbarkeit lediglich zu vier Prozent mehr Einnahmen für Publisher führt. Grundlage der Auswertung waren Millionen von Werbe-Transaktionen eines ungenannten großen Medienunternehmens mit diversen Websites. Bei der Branchenveranstaltung des BVDW, dem Online Ad Summit in Köln im September, soll laut Heise Online ein Manager des deutschen Unternehmens United Internet Media davon berichtet haben, dass deutsche Publisher nach der Unterbindung von Third Party Cookies durch Firefox 15 Prozent Umsatzverlust erlitten hätten.

Googles Argumente hingegen, um beispielsweise ein eindeutig voreingestelltes Blocken von Third Party Cookies im Browser zu unterlassen, werden von Datenschützern und auch Wissenschaftlern kritisiert. Die Researcher Jonathan Mayer und Arvind Narayanan, zwei Computer-Science-Professoren der Universität Princeton, bezeichnen Googles Argumentation gar als „unaufrichtig“ oder sogar als „Gaslighting“ – also als Manipulation der Wahrnehmung der Realität. Es geht in der Digitalwirtschaft um das Managen, das Einholen von User Consent und Werbeinteressen, beziehungsweise berechtigten Interessen der Unternehmen. Dabei spielen Browser oder die Hersteller eine gewichtige Rolle. Und: Wie wird das ganze politisch in der ePrivacy-Verordnung festgelegt werden? Denn auch Unternehmen müssen digitale Grundrechte wahrnehmen können. Das mit gutem und rechtskonformem Datenschutz zu vereinen, ist eine große Aufgabe. Wie groß, das hat das jüngste Cookie-Urteil des EuGH implizit schon gezeigt.

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ePrivacy-Verordnung, anyone?

Wer wann wo und über wen welche Daten überhaupt noch speichern darf, das soll in Zukunft die ePrivacy-Verordnung der EU festlegen. Viele Branchenvertreter rechnen damit, dass die ePrivacy-Verordnung – so die Branche nicht duch Selbstregulierung zuvorkommt – für das Online Marketing noch umfassendere Veränderungen mit sich bringt als zuletzt die Datenschutz-Grundverordnung. Das aktuelle Dossier zur ePrivacy-Verordnung soll nach einem Gespräch am 11. Oktober 2020 in den so genannten Trilog gehen; eine Anwendbarkeit wäre aber vor 2022 ohnehin nicht zu erwarten.

Der Zeitstrahl zur Entwicklung der ePrivacy-Verordnung (der Klick aufs Bild führt zur größeren Ansicht), © BVDW

Bis dahin aber werden die großen Player hinter den Kulissen weiterhin versuchen, die Realität der Branche in ihrem Sinne zu gestalten. Noch sind sie es, und insbesondere Browser-Marktführer Google, die in Bezug auf die Browser-Nutzung und Datenspeicherung über Cookies Fakten schaffen.

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