Hyperinflation & Abwanderung bei Axie Infinity: Wie nachhaltig ist der NFT-Game-Erfolg?

Florian Heide24.2.2022

Das Play-to-Earn-Game feiert zwar NFT-Handelsrekorde, hat aber hinter den Kulissen zu kämpfen

Axie Boom
Inhalt
  1. Hyperinflation bringt das Geschäftsmodell ins Wanken
  2. Klingende Kassen bei den Spieleentwicklern
  3. Axie-Alternativen locken die Spieler:innen
  4. Upgrades sollen die Hyperinflation stoppen

Axie Infinity gilt in der Kryptoszene als Vorzeigeprojekt dafür, wie im Gaming-Bereich durch die Einbindung von NFTs die Wertschöpfungskette „revolutioniert“ werden kann. Mit einem Gesamthandelsvolumen von vier Milliarden US-Dollar sollen die NFTs aus dem „Play-to-Earn-Game“ die mittlerweile meistgehandelte NFT-Kollektion weltweit sein. Doch aktuell sieht sich das Blockchain-Game Hyperinflation, Kurseinbrüchen und Spielerabwanderung ausgesetzt. Trügt hier der Schein?

Man konnte die Sektkorken fast knallen hören. Am vergangenen Dienstag verkündet Aleksander Leonard Larsen, COO des erfolgreichen Play-to-Earn-Games Axie Infinity, auf Twitter, das Online-Spiel habe die beachtliche Marke von vier Milliarden US-Dollar Handelsvolumen erreicht. Es sei damit die meistgehandelte NFT-Kollektion der Welt. Und fügt hinzu: „Normalerweise erhalten Spieleentwickler 100 Prozent der Einnahmen, aber das Geschäftsmodell von Axie ist anders“ (übersetzt von OMR).

Das stimmt, Axie Infinitys Geschäftsmodell ist anders. Es zählt zu den sogenannten Play-to-Earn-Spielen, einer neuen Form von Blockchain-Games (wir berichteten über das Geschäftsmodell hinter dem Spiel bereits im September). Im Kern geht es darum, dass die Ingame-Währungen von Blockchain-Games, anders als bei anderen Online-Spielen, an Kryptobörsen gehandelt werden. Wer in World of Warcraft also „Gold“ verdient, kann damit zwar seine Spielfigur mit Features wie Waffen oder Ausrüstung ausstatten, aber die nicht in nationale Währungen wie Euro oder Dollar tauschen.

Anders die Währungen von Axie Infinity. Das hat gleich zwei Ingame-Währungen: AXS (ausgesprochen: Axis), ein sogenannter Governance-Token. Den erhalten besonders erfolgreiche Spieler:innen geschenkt, andere müssen ihn kaufen. Er dient vor allem als Stimmrecht, wer ihn besitzt, kann über die Zukunft der Plattform mitentscheiden. Und es gibt Smooth Love Potion (kurz: SLP), die Belohnungswährung von Axie Infinity. Die verdient, wer in dem Spiel aktiv ist und die kleinen „Axies“ genannten Monster beispielsweise Kämpfe austragen lässt. Beide Währungen schalten bestimmte Features im Spiel frei, können aber an einer gewöhnlichen Kryptobörse auch gegen Euro oder US-Dollar getauscht werden. Das heißt, User können mit dem Spiel echtes Geld verdienen. Oder wie Larsen sagen würde: Die Spieler:innen sind an den Einnahmen des Spiels beteiligt.

Hyperinflation bringt das Geschäftsmodell ins Wanken

Das ist zwar richtig. Was Larsen allerdings nicht erwähnt: Die Spieler:innen sind auch an Verlusten beteiligt. Und an Verlierer:innen dürfte es derzeit nicht mangeln. Denn zur Wahrheit zählt auch: Der SLP-Token, im Mai bei rund 30 Eurocent, stürzte auf aktuell gerade einmal rund 0,02 Eurocent ab. Und der Governance-Token AXS verlor seit vergangenen November ebenfalls rund zwei Drittel seines Werts. Hinzu kommt, dass das Spiel zum ersten Mal sinkende Nutzerzahlen verzeichnet. Als dieser Trend Ende Januar bekannt wurde, brach das Transaktionsvolumen zeitweise um über 70 Prozent ein.

 

Die Kursentwicklung der beiden Axie Infinity Währungen AXS (links) und SLP (rechts). Beide sind auf Talfahrt.

Das klingt schon weitaus weniger nach einem Grund zu feiern. Aber woher kommt die Kurstalfahrt, wo das Handelsvolumen doch gerade so außergewöhnlich hoch erscheint? In einem ausführlichen Beitrag im Reason-Magazin führt Autor Daniel Friedman das Scheitern hänge vor allem auf die Hyperinflation der Ingame-Währung SLP zurück. Bei Axie Infinity würden Spieler:innen für ihre unterschiedlichen Aktivitäten vor allem mit SLP belohnt, etwa wenn sie Kämpfe gewinnen, Level abschließen oder tägliche Rätsel lösen, sogenannte Quests. Im Gegensatz zu AXS-Token, die auf 270 Millionen Stück begrenzt sind, schöpfen die Spielemacher mit jeder Auszahlung von SLP neues Geld. Eine Obergrenze gibt es nicht, SLP werden so oft ausbezahlt, wie Spieler:innen sie sich erspielen.

Das Problem, so Friedman, sei vor allem, dass es zu viele gäbe, die sich ihre SLP-Token erspielen und anschließend in echtes Geld verwandeln. Und zu wenige, die diese Token wieder in das Ökosystems des Spiels einbringen. Letzteres passiert vor allem dann, wenn Spieler:innen neue Monster züchten, denn dafür müssen sie eine Kombination aus AXS und SLPs aufwenden. Bisher hätten allerdings nur fünf Prozent aller Axie-Spieler:innen überhaupt ein Axie gezüchtet. Die restlichen 95 Prozent der Spieler:innen sammeln die Währung in ihrem Wallet oder verkaufen sie gegen echtes Geld. Die Folge: Laut Friedman entsteht monatlich ein Überschuss von sechs Milliarden SLP-Token.

Klingende Kassen bei den Spieleentwicklern

Dieses Ungleichgewicht konnten die Spielemacher im vergangenen Jahr durch den Zuwachs an neuen Usern ausgleichen. In Entwicklungsländern avancierte Axie Infinity sogar zu einem Vollzeitjob. Über 40 Prozent der Spielenden stammen aus den Philippinen. Familienmitglieder sollen dort abwechselnd bis zu 20 Stunden am Tag gespielt haben, um rund 400 US-Dollar im Monat zu verdienen – eine Summe, die das BIP pro Kopf eines Filipinos von rund 3.500 US-Dollar im Jahr weit übertrifft. Der Effekt auf die Menschen in Entwicklungsländern, neben den Philippinen gewann es vor allem auch in Venezuela, Thailand und Brasilien an Popularität, war immens: Von rund 850.000 monatlich aktiven Spieler:innen im Januar 2021 wächst Axie Infinity binnen eines Jahres auf rund 2,3 Millionen weltweit.

Die rasante Entwicklung der MAUs von Axie Infinity. Ende Januar 2022 verzeichnet das Spiel erstmals sinkendes Wachstum

Um mit dem Spiel beginnen zu können, muss sich jede:r einzelne Spieler:in zunächst eigene Axie-Monster zulegen. Und die kosteten, zwischenzeitlich sogar bis zu 1.000 US-Dollar einmalig. Kaum jemand von den Philippinen oder aus Venezuela konnte sich das leisten. Sie konnten stattdessen die Dienste sogenannter Gaming Gilden in Anspruch nehmen. Das sind Spieler:innen, die ihre eigenen Axie-Monster als eine Art Kredit an Anfänger verleihen, im Gegenzug für eine Provision auf künftige Gewinne. Die Gilden haben längst selbst einen millionenschweren Geschäftszweig daraus gemacht, Startgelder für Play-to-Earn-Games gegen hohe Gebühren zu verleihen (hier ein ausführlicher Artikel von „Rest of World“ über das Phänomen).

Bisher haben die Gilden, die immer neue Nutzende lockten, Axie immer neuen Rückenwind verliehen. Denn die Einnahmen aus der Erstinvestition neuer Spieler:innen deckte den monatlichen Betrag, den sich andere regelmäßig in nationalen Währungen wie etwa philippinischen Pesos auszahlen ließen. Und nicht alle schufteten für 400 US-Dollar: Ein Filipino berichtet, er habe zur Zeit des Booms im Sommer 2021 mit Axie Infinity so viel verdient, dass er von seinen Einnahmen gleich zwei Häuser habe kaufen können. Die philippinische Regierung änderte auf die Einnahmenflut hin das Steuergesetz, um auch beteiligt zu werden. Und auch bei den Spieleentwickler:innen sorgte der Hype für klingelnde Kassen: Sky Mavis verlangt pro NFT-Transaktion in dem Spiel 4,25 Prozent Gebühr. 2021 machte Axie Infinity 1,2 Milliarden US-Dollar Umsatz und überholte damit sogar Candy Crush, den jahrelangen Kassenschlager im Mobile Game Geschäft. Eine Zeit lang verdienten alle mit Axie Infinity Geld und manche sogar sehr viel.

Axie-Alternativen locken die Spieler:innen

Solche Erfolgsmeldungen rufen schnell Investoren auf den Plan. In einer Series-A-Runde im vergangenen Mai erhält Sky Mavis ein Investment von 7,5 Millionen US-Dollar, die Series-B folgt im Oktober: 150 Millionen US-Dollar sammelt das Unternehmen dabei ein. Die Unternehmensbewertung steigt mit der Finanzierungsrunde auf drei Milliarden US-Dollar. Mit dabei sind VC-Größen wie Reddit-Gründer Alexis Ohanian, Mark Cuban, Besitzer der Dallas Mavericks und seit der Seed-Runde bereits Animoca Brands, ein milliardenschwerer Mobile Game Publisher, der in über 150 NFT-Projekte investiert ist, darunter auch Axie-Infinity Konkurrent-The Sandbox.

Doch seit immer mehr SLP auf den Markt dringen und die Kurse der Währung damit allmählich fallen, sinkt auch das Interesse der Nutzer. Zwischen Juli und September schrumpft die Währung von 30 auf aktuell 0,015 Eurocent. Die einst hohen Einkünfte der philippinischen und venezolanischen Spieler:innen, sie blieben aus. Zudem dürften viele spät dazu gekommenen User auf anfänglichen Investition sitzen geblieben sein. Im Januar 2022 sinkt die Zahl der monatlich aktiven User zum ersten Mal seit der Gründung 2018. Autor und Journalist Daniel Friedman spricht von einer Spielerabwanderung. Andere Play-to-Earn-Games, wie etwa das Pferderennspiel Pegaxy, würden die User jetzt locken. Sie verfolgen zwar dasselbe ökonomische Prinzip, würden aber immerhin die Kreditvergabe durch Gilden genauer regulieren.

Upgrades sollen die Hyperinflation stoppen

Durch die Hyperinflation brach der Umsatz von Axie Infinity von über 360 Millionen US-Dollar im August 2021 auf gerade einmal 18 Millionen US-Dollar im Januar 2022 ein. Wer mit dem Spiel beginnen will, zahlt statt über 1.000 einst heute rund 60 Dollar für die Erstausstattung. Das Betreiberunternehmen Sky Mavis hat auf den drohenden Zusammenbruch des Geschäftsmodells mittlerweile mit einschneidenden Veränderungen reagiert. In einem Tweet kündigen sie vor rund zwei Wochen diverse Neuerungen an, die meisten davon, etwa wie das Entfernen des “Abenteuermodus” oder der täglichen Quests, beschneiden die Spieler:innen in ihren Möglichkeiten ähnlich schnell und einfach wie bisher SLPs zu verdienen. Außerdem kündigen die Macher in einem Blog-Post an, die Axies durch ein Battle-Upgrade zu diversifizieren und sie so mit einem höheren Nutzwert für die Spieler:innen auszustatten, der Anreiz bieten soll sie zu behalten, statt zu Geld zu machen. Auch soll das Axie Infinity Universum um virtuelles Land erweitert werden, dass es wohl – ähnlich wie bei Konkurrent The Sandbox – zu kaufen geben wird. So sollen mehr SLPs zurück ins Ökosystem des Spiels gelangen.

Durch den Rückenwind des vergangenen Jahres hat Axie Infinity zwar gerade den Meilenstein von vier Milliarden Dollar Handelsvolumen geknackt. Auch befeuert durch einige Millionenverkäufe einzelner Axies. Doch die übrigen Kennzahlen zeichnen ein deutlich weniger rosiges Bild, sowohl für Spieleentwickler als auch für Spieler:innen. Axie-Infinity-Alternative Pegaxy hingegen freut sich seit Jahresbeginn über einen anhaltenden Nutzerzuwachs. Die Zahl stieg seitdem von rund 4.000 Nutzer:innen auf heute fast 20.000. Und verzeichnet jetzt schon drei Mal so viele Transaktionen wie sein Vorgänger aktuell.

Die künftige Entwicklung dürfte unter den scharfen Augen unzähliger Beobachter:innen entstehen. Axie Infinity ist ein Prestigeobjekt der Blockchain-Gaming-Szene, über den Nutzen von NFTs bricht allerdings gerade ein Kulturkampf aus. Die eine Fraktion sieht darin primär Betrug und Geldmacherei, die andere betont den Wandel der Wertschöpfungskette zugunsten der Creator und dass Communities vom Erfolg ihres unterstützen Projekts partizipieren können.

Axie InfinityMetaverseNFTPlay to Earn
Florian Heide
Autor*In
Florian Heide

Florian arbeitet seit fast zehn Jahren als Print-Journalist. Angefangen beim Lokalblatt, später als Praktikant und Freelancer für DIE ZEIT und GEO. Seit 2020 ist er Redakteur bei OMR, wo er über Startups, Viraltrends, den Wandel von Social Media Plattformen und neue Technologien berichtet. Er hat nie Bargeld dabei und verbringt die Wochenenden am liebsten weit weg von Technologie in der Natur.

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