Warum man an Kai Diekmann grenzwertige Witze , an Oli Samwer aber keine Spreadsheets per Mail schicken sollte

(von links) Kai Diekmann, Oliver Samwer und Florian Heinemann (Fotos: Sean McGrath, Axel Springer, Rocket Internet & Project A)
Inhalt
  1. Der Dienst Crystal Knows erstellt anhand des Online-Fußabdrucks Persönlichkeitsprofile und gibt seinen Nutzern Empfehlungen, wie sie sie per Mail ansprechen sollen
  2. Crystal weist 64 Persönlichkeitskategorien zu
  3. Empfehlungen für Mails an Barack Obama, Richard Branson und Ariana Huffington
  4. Versteht Kai Diekmann keine subtilen Andeutungen?
  5. Kann Crystal Knows bei der Ansprache von Investoren und M&A-Beratern helfen?

Der Dienst Crystal Knows erstellt anhand des Online-Fußabdrucks Persönlichkeitsprofile und gibt seinen Nutzern Empfehlungen, wie sie sie per Mail ansprechen sollen

(von links) Kai Diekmann, Oliver Samwer und Florian Heinemann (Fotos: Sean McGrath, Axel Springer, Rocket Internet & Project A)

(von links) Kai Diekmann, Oliver Samwer und Florian Heinemann (Fotos: Sean McGrath, Axel Springer, Rocket Internet & Project A; Montage: Online Marketing Rockstars)

Wer mit Oli Samwer spricht, sollte damit rechnen, unterbrochen zu werden und auf Emails keine langen, bedächtigen Antworten erwarten. Kai Diekmann fällt es schwer, Mitgefühl zu empfinden und er hat kein Problem mit grenzwertigen Witzen. – So lauten zumindest Einschätzungen von „Crystal Knows“. Der Dienst erstellt anhand von im Internet frei verfügbaren Informationen Persönlichkeitsprofile und erteilt auf dieser Basis seinen Nutzern Ratschläge, wie sie die jeweilige Person per Email ansprechen sollen. Wir haben es ausprobiert.

Kommunikation ist eine äußerst individuelle Angelegenheit. „Menschen haben unterschiedliche Kommunikationsstile; das kann insbesondere bei Emails manchmal zu Verwirrungen führen“, so Drew D’Agostino gegenüber dem US-Blog Daily Dot. Der Mittzwanziger hat deswegen Crystal Knows entwickelt. Mit dem Dienst sollen die Nutzer sich vor dem Absenden einer Email über die Persönlichkeit des Empfängers informieren und auf diese Weise die Nachricht so formulieren können, dass sie am besten „ankommt“.

Wie geht Crystal Knows dabei vor? Um herauszufinden, wie eine Person sich möglicherweise verhält und wie sie gerne angesprochen wird, analysiert der Dienst nach Angaben der Betreiber alleine öffentlich verfügbare Daten. Details über die Datenquellen bleiben die Betreiber schuldig. Anzunehmen ist, dass Crystal Knows Daten aus dem Business-Netzwerk Linkedin auswertet (bei einer Neuregistrierung empfiehlt der Dienst die Anmeldung via Linkedin), aber auch auf Daten von Social-Media-Profilen und Webseiten zurückgreift. Außerdem können die Crystal-Knows-Nutzer auch Fragebögen zu einzelnen Persönlichkeiten ausfüllen.

Crystal weist 64 Persönlichkeitskategorien zu

Alle zu einer Persönlichkeit verfügbaren Informationen untersucht Crystal mit Methoden des „Natural Language Processing“ (Computerlinguistik) und erstellt daraus ein Persönlichkeitsprofil. Bis zu 64 Kategorien können dem jeweiligen Profilinhaber zugewiesen werden. Außerdem erteilt das jeweilige Profil Auskunft darüber, ob Crystal viele oder wenig Daten über die betreffende Person gefunden hat und wie genau in diesem Zusammenhang die Vorhersage ist.

Zunächst sei Crystal Knows als Experiment gedacht gewesen: „Ich wollte sehen, ob ich die Persönlichkeit einer Person auf Basis ihres ‚Online Fußabdrucks’ ermitteln kann“, erzählt Gründer D’Agostino im Blog des Venture Accelerators der Northeastern University, die Crystal Knows unterstützt hat. „Nach viel Trial and Error wurde Crystal langsam beängstigend genau. Sie ist nicht perfekt, aber sie kann sehr gute Vermutungen darüber anstellen, wie jemand kommuniziert“, so der Gründer.

Empfehlungen für Mails an Barack Obama, Richard Branson und Ariana Huffington

Wer sich bei Crystal Knows anmeldet, bekommt beispielhaft Empfehlungen dafür angezeigt, wie Mails an hochrangige Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft und Medien formuliert werden sollten. US-Präsident Barack Obama beispielsweise solle man am besten in einem emotionalen, plauderhaften Ton anschreiben; Star-Unternehmer Richard Branson verzichte gerne auf Formalien und Smalltalk.

Wir haben uns angemeldet und uns die Profile von Persönlichkeiten aus der deutschen Online-Marketing- und Medienbranche angesehen. Rocket-Internet-Patriarch Oli Samwer ist dafür bekannt, seine Emails nicht gerade zimperlich zu formulieren – sein „Blitzkrieg-Memo“ an die Rocket-Mitarbeiter ist legendär. Crystal Knows empfiehlt allen, die Samwer eine Email senden möchten, drei oder weniger Sätze zu schreiben und das Anliegen am besten gleich im ersten Satz mitzuteilen. „It does not come naturally to Oliver Samwer to patiently wait in line, take a supporting role or like spreadsheets“, ist dort ebenfalls zu lesen. Crystal Knows stuft die eigene Genauigkeit hier bei 63 Prozent ein.

Das Persönlichkeitsprofil von Oli Samwer

Das Persönlichkeitsprofil von Oli Samwer

Versteht Kai Diekmann keine subtilen Andeutungen?

Bei Mails an Bild-Chefredakteur Kai Diekmann („Accuracy confidence: 63 per cent“) solle man freundliche, aber unwichtige Zeilen wie „Ich hoffe, Dir geht es gut“ und die üblichen Begrüßungs- und Abschiedformeln weglassen. Zudem sei Diekmann für leise Töne nicht unbedingt empfänglich („It does not come naturally to Kai Diekmann to perceive subtle hints“).

Das Persönlichkeitsprofil von Kai Diekmann laut Crystal Knows

Das Persönlichkeitsprofil von Kai Diekmann laut Crystal Knows

Die Genauigkeit des Profils des deutschen Online-Marketing-Papstes Florian Heinemann beziffert Crystal Knows zwar nur auf 52 Prozent. Mit der Aussage „It comes naturally to Florian to maximize efficiency in everyday life“ dürfte Crystal trotzdem ziemlich richtig liegen. Auch wer Heinemann anschreibt oder -spricht, solle direkt zum Punkt kommen, empfiehlt der Dienst.

Kann Crystal Knows bei der Ansprache von Investoren und M&A-Beratern helfen?

Für deutsche Adtech-Gründer könnte es auch interessant sein, wie sie Andreas Thümmler von Acxit Capital Partners (vormals CFP) richtig ansprechen. Der M&A-Berater hat zwar schon viele große Deals in der deutschen Online-Branche eingetütet – Crystal empfiehlt laut Thümmlers Persönlichkeitsprofil (Genauigkeit: 86 Prozent) jedoch, diesen nicht nach vergangenen Erfolgen zu fragen, wenn man ihm etwas „verkaufen“ möchte, sondern ihm vielmehr ein Kompliment für die Qualität seiner Arbeit zu machen.

Im Business-Alltag soll Crystal Knows den Nutzern auf diese Weise helfen, bessere Emails zu schreiben und schneller zu ihrem Ziel zu kommen. Nach einer Testphase kostet der Dienst deswegen Geld. Ein Chrome-Plugin für Googlemail soll die Nutzung von Crystal Knows noch erleichtern. Mit der Browser-Erweiterung erhalten die Nutzer schon beim Schreiben vom Emails Empfehlungen, welche Formulierungen sie weglassen und welche sie ergänzen sollten. Bislang funktioniert das Angebot offenbar nur in englischer Sprache.

Ein angeblicher Crystal-Knows-Nutzer berichtetet bei Twitter, dass ihm ein Kontakt nach der Nutzung von Crystal Knows zurückgeschrieben habe, der zuvor drei Mails nicht beantwortet habe:

Übrigens: Wer einen wichtigen Business-Kontakt anschreiben will, aber nicht über dessen E-Mail-Adresse verfügt, kann sich auf anderen Portalen behelfen. Seiten wie Emailformat.de listen auf, nach welchem Muster Unternehmen ihre Email-Adressen bilden.

Danke an Philipp Klöckner für den Hinweis auf Crystal Knows!

Roland Eisenbrand
Autor*In
Roland Eisenbrand

Roland ist seit mehr als zehn Jahren als Journalist in der Digitalbranche aktiv. Seit 2014 verantwortet er als Head of Content (und zweiter Mitarbeiter) alle inhaltlichen Komponenten von OMR, darunter vor allem den OMR Blog und redaktionelle Arbeit rund um das OMR Festival.

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