Warum die Entwickler von Clash of Clans mehr als 9 Millionen US-Dollar für einen Superbowl-Spot ausgegeben haben – und was das über Mobile Advertising aussagt

Wie Clash of Clans kämpfen viele "Freemium"-Gaming-Apps um die Gunst und Zahlungsbereitschaft der Nutzer (Bild: Screenshot Supercell.com)
Inhalt
  1. Steckt das Geschäft mit Gaming-Apps in einer Marketingzwickmühle?
  2. „Wale“ sorgen für die Hälfte aller In-App-Einnahmen
  3. Cost-per-Install bislang das vorherrschende Modell
  4. Spiele liegen nicht mehr auf den obersten Plätzen der Free-Download-Charts
  5. Waren Branding-Effekte gegenüber inaktiven Nutzern das Hauptziel des Superbowl-Spots?

Steckt das Geschäft mit Gaming-Apps in einer Marketingzwickmühle?

Wie Clash of Clans kämpfen viele "Freemium"-Gaming-Apps um die Gunst und Zahlungsbereitschaft der Nutzer (Bild: Screenshot Supercell.com)

Wie Clash of Clans kämpfen viele „Freemium“-Gaming-Apps um die Gunst und Zahlungsbereitschaft der Nutzer (Bild: Screenshot Supercell.com)

Es dürfte der bis dato teuerste Werbespot für eine Gaming-App, wenn nicht sogar für eine App generell gewesen sein: Das finnische Unternehmen Supercell hat im Rahmen der Superbowl-Übertragung sein Spiel Clash of Clans mit einem 60-sekündigen TV-Spot beworben, inklusive Hollywood-Star Liam Neeson als Hauptdarsteller. Alleine die Schaltkosten für den Spot dürften sich mutmaßlich auf 9 Millionen US-Dollar belaufen haben. Der Vorgang ist ein Hinweis darauf, dass sich die Mobile-Gaming-Branche, die bisher den mobilen Werbemarkt angetrieben hat, derzeit offenbar zum Umdenken gezwungen sieht.

Rund 4,5 Millionen US-Dollar haben Werbekunden angeblich für 30 Sekunden Sendezeit während der Übertragung des Superbowls zahlen müssen. Für den Clash-of-Clans-Spot dürfte Supercell dementsprechend rund 9 Millionen US-Dollar alleine an Mediakosten gezahlt haben. Die Produktionskosten und die Gage für Liam Neeson sind dabei noch nicht miteingerechnet.

Supercell kann sich solche Unterfangen leisten: Im Jahr 2013 hat das Unternehmen übereinstimmenden Medienberichten zufolge weltweit 892 Millionen US-Dollar Umsatz und 464 Millionen US-Dollar Gewinn vor Steuern erwirtschaftet. Aktuelle Zahlen liegen noch nicht vor; aber Branchenvertreter rechnen für 2014 mit einem Umsatz im einstelligen Milliarden-Bereich. Supercell bildet mit die Speerspitze der Mobile-Gaming-Branche, die sich innerhalb der vergangenen Jahre zu einem riesigen Wirtschaftszweig entwickelt hat. Der Marktforscher Newzoo geht gegenüber dem US-Magazin Fortune davon aus, dass Mobile Games in diesem Jahr weltweit 30,3 Milliarden US-Dollar umsetzen werden – und damit den Markt für Konsolenspiele (26,4 Milliarden US-Dollar) überholen. 

Während Konsolenspiele als fertiges Produkt verkauft werden, setzen viele große Gaming-App-Häuser auf das „Freemium“-Geschäftsmodell: Bei diesem sind der Download und die Grundfunktionen der App kostenlos, aber für Extras, wie besondere virtuelle Güter, muss der Nutzer zahlen. Von den Einnahmen aus solchen In-App-Käufen leben die Entwickler. Einige von ihnen treiben das Modell deswegen offenbar auf die Spitze: Gaming-Fans kritisieren, das ein Teil der „Freemium“-Apps ohne eine Vielzahl von In-App-Käufen quasi unspielbar ist.

„Wale“ sorgen für die Hälfte aller In-App-Einnahmen

Offenbar sind trotz – oder wegen? – solcher Methoden nicht viele Nutzer bereit, für In-App-Käufe Geld auszugeben. Laut einer Auswertung der Mobile-Marketing-Firma Swrve werden die Hälfte aller In-App-Einnahmen mit lediglich 0,15 Prozent der Nutzer erwirtschaftet. Haben die App-Entwickler einmal einen zahlungsbereiten Nutzer gefunden, versuchen sie dementsprechend, an diesem so viel als möglich zu verdienen. Sagenumwoben sind in der Branche so genannte „Wale“ – Kunden, die bereit sind, enorme Summen in ihre Spielfigur zu investieren. Der US-Blog Recode berichtete im vergangenen Jahr von einem Gespräch mit einem anonymen Mitarbeiter einer japanischen Entwicklerfirma, die einem Spieler, der monatlich mehr als 10.000 US-Dollar für In-App-Einkäufe ausgab, einen persönlichen Betreuer an die Seite stellte, um dessen Zufriedenheit (und damit fortlaufende Zahlungsbereitschaft) zu garantieren.

Neue, dauerhaft investitionsfreudige Spieler zu finden, ist für die Entwickler eine Herkulesaufgabe. Laut einer Studie aus den USA verbringen Smartphone-Besitzer 80 Prozent ihrer Zeit mit nur fünf Apps. In dieses „Relevant Set“ vorzudringen ist schwer: Wie eine weitere Swrve-Studie ergeben hat, öffnen nur 26 Prozent der Nutzer, die eine App heruntergeladen haben, diese innerhalb von 48 Stunden ein zweites Mal. 24 Prozent nutzen die App auch zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr.

Cost-per-Install bislang das vorherrschende Modell

Bislang reagierten die Entwicklerfirmen auf diese Situation nach dem Motto „Viel hilft viel“. So schalteten sie Werbung nach dem „Cost per Install“-Modell und schaufelten auf diese Weise immer neue User in die Apps – in der Hoffnung, dass ein Teil der neu gewonnen Nutzer zu regelmäßigen In-App-Käufern werde. Das CPI-Modell treibt dementsprechend derzeit den Mobile-Werbemarkt an: Der US-Blog Business Insider prognostiziert, dass das Umsatzvolumen aus dem Geschäft mit „Mobile App Install Ads“ alleine in Nordamerika von 4,6 Milliarden US-Dollar in diesem Jahr auf 6,8 Milliarden US-Dollar im Jahr 2019 ansteigen wird. Im vergangenen Jahr soll CPI-Werbung bereits 30 Prozent der gesamten US-Mobile-Advertising-Umsätze ausgemacht haben.

Um einen neuen Nutzer einzukaufen, müssen die Entwickler jedoch offenbar immer mehr bezahlen. Der Marktforscher Superdata warnte bereits Ende 2013 davor, dass in der Gaming-Branche durch Preissteigerungen der durchschnittliche CPI den durchschnittlichen Umsatz pro Nutzer („Average Revenue per User“, ARPU) übersteige – die bisherige Praxis für die Entwickler also nicht mehr rentabel sei.

Spiele liegen nicht mehr auf den obersten Plätzen der Free-Download-Charts

In der zweiten Hälfte des Jahres 2014 sah die Branche möglicherweise erste Auswirkungen dieser Entwicklung: Wie der Analytics-Dienstleister Priori Data festgestellt hat, belegten im Oktober 2013 im iOS App Store alleine Spiele die ersten zehn Plätze der weltweit am häufigsten heruntergeladenen kostenlosen Apps – im Oktober 2014 fand sich in der Top 10 kein einziges Spiel mehr.

(Quelle: Patrick Kane, Priori Data)

Diese Entwicklung mag auch daran liegen, dass große Digitalkonzerne wie Facebook und Google ihre Mobile-Bemühungen verstärkt haben, das Nutzererlebnis ihrer Apps verbessert haben und deren Nutzung parallel zum Smartphone-Boom gestiegen ist. Offenbar findet in der Gaming-Branche derzeit aber auch ein Umdenken statt, das die Veränderungen in den App-Charts mit begünstigt haben könnte – weg von der reinen Generierung von Downloads hin zu „Reengagement“. Statt immer neue Nutzer einzukaufen, wollen die Marketer verstärkt versuchen, Nutzer, die ihre Spiele heruntergeladen haben, aber nicht nutzen, zu reaktivieren. „2015 wird, wie ich glaube, das Jahr, in dem wir Re-Engagement Kampagnen als ‚einfachste’ Stufe des Retargetings breitflächig werden beobachten können. Hierbei wird der Nutzer über Mobile Advertising daran erinnert, dass sich eine bestimmte App noch auf seinem Telefon befindet, und dazu aufgerufen, diese erneut zu nutzen“, prognostizierte Mobile-Marketing-Experte Kjell Fischer vor wenigen Wochen in einem Gastbeitrag für Online Marketing Rockstars über die Mobile Trends des Jahres 2015. Große Hoffnungen dürften alle Marktteilnehmer dabei auch in das Thema Mobile Deep Linking setzen: neue technologische Standards, mit denen die Nutzer direkt in eine App zurückgeführt werden können.

Waren Branding-Effekte gegenüber inaktiven Nutzern das Hauptziel des Superbowl-Spots?

Warum könnte aber auch der Superbowl-TV-Spot für Clash of Clans ein Symptom des Strategiewechsels der Branche sein? Eric Seufert, hauptberuflich Marketingchef der Berliner Gaming-Entwicklerfirma Wooga, hat in einem Blog-Beitrag versucht zu analysieren, welches Interesse Supercell mit dem Spot verfolgt haben könnte. „Sicherlich verfolgt jeder große Entwickler, der Millionen von US-Dollar für Fernsehwerbung ausgibt, damit auch zum Teil die Absicht, Nutzer zu gewinnen, die er nicht über andere Kanäle erreichen kann“, schreibt Seufert. Doch angesichts des Alters des Spieles und der Reichweite der vorherigen Werbekampagnen halte er es für plausibel, dass die Gewinnung neuer Nutzer nicht die Hauptintention des Spots gewesen sei. 

Mobile-Gaming-Entwickler sähen Fernsehwerbung möglicherweise vielmehr eher als Möglichkeit, um die Kaufquoten von Bestandsnutzern zu steigern und inaktive Spieler wieder zur Nutzung zu bewegen, so der Mobile-Experte. Offenbar ist die Hoffnung der Entwickler, durch Branding-Kampagnen das Vertrauen der Nutzer in die Marke und damit auch ihre Zahlungsbereitschaft zu erhöhen. „Sendezeit während der größten Sportveranstaltung der USA einzukaufen, könnte der beste Weg sein, zahlungsunfreudige Nutzer davon zu überzeugen, dass Spielen eine ähnlich soziale Aktivität sein kann wie Football-Schauen mit Freunden, und dementsprechend sein Geld wert ist“, schreibt Seufert.

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Roland Eisenbrand
Autor*In
Roland Eisenbrand

Roland ist seit mehr als zehn Jahren als Journalist in der Digitalbranche aktiv. Seit 2014 verantwortet er als Head of Content (und zweiter Mitarbeiter) alle inhaltlichen Komponenten von OMR, darunter vor allem den OMR Blog und redaktionelle Arbeit rund um das OMR Festival.

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