SEO Growth Hack? Wie Reiseuhu mit Mitarbeiter-Urlaubsfotos seine Sichtbarkeit pushen will
Der Reise-Schnäppchen-Affiliate verzeichnet 14 Millionen Views auf Unsplash und Nennungen bei Buzzfeed und NZZ
- Unsplash verzeichnet 263 Milliarden Gesamt-Foto-Downloads
- Die Reiseuhu-Fotos ranken zu Ländersuchen auf Unsplash ganz oben
- „Ob Mentions wirklich einen Effekt haben, ist umstritten“
- Gastbeiträge helfen beim Backlink-Aufbau
- „Navigationale Suchen bringen den Folgeplatzierten wenig Traffic ein“
- Eine Million Unique User im Monat, 600.000 davon über Google
Wie verbessert man als Affiliate-Marketing-Publisher in einem umkämpften Markt die eigene Sichtbarkeit bei Google? Hagen Föhr, Gründer der Reise-Schnäppchen-Seite Reiseuhu, versucht sich gemeinsam mit seinen Mitarbeitern u.a. an einer äußerst unkonventionellen Methode: Sie stellen mit dem Handy geschossene Urlaubsfotos auf dem Portal Unsplash ein, wo andere diese kostenlos herunterladen und wiederverwenden können. Bislang hat ihnen das Millionen von Views auf Unsplash selbst sowie die Nennung von Reiseuhu auf Websites wie Buzzfeed, der NZZ und Medium eingebracht. Föhr glaubt, dass dies die SEO-Sichtbarkeit der Seite gepusht hat.
Innerhalb eines Jahres hat sich laut dem Suchmaschinenoptimierungs-Tool Sistrix die Sichtbarkeit von Reiseuhu.de in Googles Suchergebnissen mehr als verdreifacht: Von einem Sichtbarkeitsindex von rund sechs ist die Domain auf aktuell über 19 gestiegen. Eigentlich gelten Backlinks in der SEO-Szene immer noch zu den wichtigsten Faktoren anhand derer Google die Relevanz einer Domain bewertet. Doch Reiseuhu-Gründer Hagen Föhr glaubt, dass die alleinige Nennung einer Marke auf Seiten mit einer guten Reputation gegenüber Google ebenfalls positive Effekte haben kann – auch wenn deren Website gar nicht verlinkt ist. „Klar wirken bei Google immer viele Faktoren im Wechselspiel. Ich bin jedoch davon überzeugt, dass diese Erwähnungen auf großen, relevanten Seiten unsere Sichtbarkeit stark positiv beeinflusst haben“, so Föhr.
Unsplash verzeichnet 263 Milliarden Gesamt-Foto-Downloads
Unsplash ist eine Plattform, mit der eigentlich „Creator“ (Fotografen, Blogger, etc.) ihre Fotos anderen kostenlos zur Verfügung stellen können. Jeder, der die Fotos verwenden möchte, kann das tun, ohne dafür um Erlaubnis fragen und ohne den Urheber nennen zu müssen – „aber wenn es möglich ist, begrüßen wir das“, heißt es in der Lizenzvereinbarung, die jeder Nutzer, der schon einmal wegen eines Fotos eine Abmahnung kassiert hat, vermutlich ganz genau durchliest.
Das Angebot von Unsplash stößt offensichtlich auf sehr großes Interesse. Aktuell sind auf der 2013 vom Kanadier Mikael Cho eingerichteten Seite nach eigenen Angaben 1,5 Millionen Fotos verfügbar, die bislang 263 Milliarden Mal angesehen und 1,44 Milliarden Mal heruntergeladen worden sind. Nach Schätzungen des Statistik-Tools Similar Web verzeichnet Unsplash aktuell im Monat rund 15 Millionen Unique User und knapp 30 Millionen Visits. „Die Seite ist im letzten Jahr enorm durch die Decke gegangen“, so Föhr. „Man findet da mittlerweile enorm viel Content.“
Die Reiseuhu-Fotos ranken zu Ländersuchen auf Unsplash ganz oben
Seit dem vergangenen Herbst gibt es auch „Brand Accounts“ bei Unsplash. Als das Reiseuhu-Team vor zehn Monaten anfing, Urlaubsfotos auf der Plattform hochzuladen, gab es diese noch nicht. „Wir haben einen ganz normalen Account“, so Föhr. Dessen Fotos tauchen heute bei Suchen nach Trend-Destinationen wie Jordanien, Kolumbien und Israel in Unsplashs Suchergebnissen weit vorne auf. Innerhalb von nicht einmal einem Jahr sind die Fotos bereits 14 Millionen Mal aufgerufen und 66.000 Mal heruntergeladen worden, wie ein Screenshot zeigt, den Föhr OMR zur Verfügung gestellt hat.
Unter denjenigen, die die Fotos heruntergeladen haben, waren offensichtlich auch Journalisten. So sind die Urlaubsfotos der Reiseuhu-Mitarbeiter in Berichten der NZZ über Salzburg und Südtirol sowie beim Viral-Publisher Buzzfeed in einem Quiz über Weihnachtsgeschenke und einem über Songs des britischen Sängers Harry Styles gelandet. Hinzu kommen diverse mit Reiseuhu-Fotos illustrierte Artikel auf der offenen Publishing-Plattform Medium.
„Ob Mentions wirklich einen Effekt haben, ist umstritten“
Aber können solche Nennungen ohne Verlinkung wirklich einen spürbaren Sichtbarkeitsgewinn in Googles Suchmaschine auslösen? „Das wird in der SEO-Szene seit Jahren kontrovers diskutiert“, sagt SEO-Experte Matthäus Michalik, Gründer und Geschäftsführer der Agentur Claneo und Mitautor der OMR SEO Reports. „Gary Illyes (einer der in Sachen Ranking-Faktoren entscheidenden Stimmen bei Google, Anm. von OMR) hat 2017 und 2019 bejaht, dass ‚Mentions‘ einen Effekt haben, John Mueller (zweite wichtige Stimme bei Google zum Thema) hat eine entsprechende Frage 2018 verneint und gesagt, dass Mentions nicht mit Links vergleichbar seien.“
Michalik selbst bewertet Reiseuhus Unsplash-Aktivitäten „auf jeden Fall als spannenden und cleveren Growth Hack. Ich würde nicht komplett abstreiten, dass solche ‚Mentions‘ einen positiven Effekt haben.“ Aber sie seien eben nur ein Faktor von vielen. „Klassische Links bleiben weiterhin wichtig, aber nur Links ohne Mentions oder nur Mentions ohne Links führt beides nicht zum Ziel.“
Gastbeiträge helfen beim Backlink-Aufbau
„Die Unsplash-Foto-Geschichte ist einfach ein witziger Baustein in der ganzen SEO-Strategie von Reiseuhu“, glaubt Online-Marketing-Berater Christoph Burseg. „Wenn sie 14 Millionen Aufrufe haben, werden wahrscheinlich auch mehr Leute zu Google gehen und nach ‚reiseuhu‘ suchen. Und wenn das 1.000 im Monat machen und da klicken, dann reicht das schon, um positive Signale zu setzen.“
Die Gesamt-SEO-Strategie von Reiseuhu bewertet Matthäus Michalik als „solide“: „Die wissen schon, was sie tun. Schaut man sich das Backlink-Profil an, sieht man, dass die Reiseuhu-Macher das aktiv optimieren und sich offensichtlich Gedanken machen, wie sie an qualitativ hochwertige Verlinkungen kommen.“ So finden sich beispielsweise Gastbeiträge auf Condor.com, bei der Sächsischen Zeitung, dem Stadtportal von Speyer und der Website der Uni Koblenz Landau im Backlink-Profil.
„Navigationale Suchen bringen den Folgeplatzierten wenig Traffic ein“
Ein Kritikpunkt: „Reisuhu optimiert sehr stark auf die Namen von Reiseanbietern, was dazu führt, dass sie Rankings hierfür in den Top10 generieren. Das führt dann zu einer hohen Sichtbarkeit bei Sistrix. Aber wenn man bei solchen ’navigationalen Suchen‘ auf Platz zwei oder drei rankt, bringt das wenig Traffic ein, weil die Nutzer natürlich auf die Seite des Anbieters wollen“, sagt Michalik.
Erfolgreicher ist da nach Ansicht des SEO-Experten wohl der Ansatz, den auch die Mitbewerber Urlaubspiraten und Urlaubsguru (bislang noch erfolgreicher) verfolgen, nämlich auf „reiseanlass + destination“ zu optimieren, also beispielsweise „silvester in hamburg“ oder „städtereise kopenhagen“. Zu einzelnen Zielen rankt Reiseuhu in Kombination mit den Keywords „kurztrip“ oder „citytrip“ bei Google schon weit vorn, wie etwa „kurztrip prag“ oder „citytrip rom“.
Eine Million Unique User im Monat, 600.000 davon über Google
60 Prozent des Traffics von Reiseuhu komme über die organische Google-Suche auf die Reiseuhu-Website, 23 Prozent über Social-Media-Plattformen, der Rest seien Direktaufrufe, so Gründer Hagen Föhre gegenüber OMR. Knapp eine Million Unique User monatlich verzeichne die Website aktuell. Damit dürfte Reiseuhu noch deutlich kleiner sein als die beiden bereits genannten großen Mitbewerber. „Ich glaube, wir sind da auf einem guten dritten Platz. Wir optimieren seit anderthalb Jahren unsere Google-Ergebnisse und es ist schon ein Erfolg, wenn man den Mitbewerbern ein bisschen auf den Zeiger gehen kann.“
Angefangen hat Reiseuhu wie so viele andere Affiliate-Projekte: mit einem einfachen WordPress-Blog, im Jahr 2015. Am Anfang kam der Traffic vor allem über Facebook. „Nach 18 Monaten konnte ich von dem Projekt leben“, so der heute 31-jährige Föhr. Laut Föhr erwirtschaftet Reiseuhu mittlerweile einen siebenstelligen Jahresumsatz und beschäftigt zehn Mitarbeiter, davon sechs fest und in Vollzeit. „Wir wollen weiter daran arbeiten, uns von Social-Traffic unabhängig zu machen. Mit unserer Größe sind wir flexibel und agil – und das soll auch so bleiben.“