Mediakraft: Die spannendste Wette im Online Marketing
- Warum die Investoren des Youtube-Netzwerks eine hochdotierte Wette eingegangen sind
- Liegt der aktuelle Kaufpreis bei 350 Millionen Euro?
- Strategisches Interesse von Publicis
Warum die Investoren des Youtube-Netzwerks eine hochdotierte Wette eingegangen sind
16,5 Millionen Euro hat das Youtube-Netzwerk Mediakraft Networks im Rahmen seiner jüngsten Finanzierungsrunde vor wenigen Wochen eingesammelt. Die Bewertung des Unternehmens hat sich damit sicher vervielfacht. Gleichzeitig nimmt der Druck auf die Gründer stark zu: Sie müssen ihr Versprechen gegenüber den Investoren einlösen, damit diese die erwartete Verzinsung erzielen – und zwar mit einem Unternehmen, das bislang noch keinen Gewinn macht. Wir haben auf Basis der öffentlich verfügbaren Informationen nachgerechnet und skizziert, welche Chancen und Herausforderungen sich aus dem Deal ergeben. Angeführt wurde die neue Finanzierungsrunde vom französischen VC Iris Capital. Ebenfalls neu beteiligt ist Capnamic Ventures aus Köln. Die bereits investierten Shortcut Ventures haben ihren Anteil aus der ersten Finanzierungsrunde nach Mediakraft-Angaben weiter ausgebaut. Wie viel Prozent der Anteile an Mediakraft Networks die neuen Investoren halten werden, ist derzeit nicht bekannt. Die Pressemitteilung macht dazu (wie zu erwarten war) keine Angabe und auch auf Nachfrage von Online Marketing Rockstars wollte ein Mediakraft-Sprecher diese Information nicht kommunizieren. Im Handelsregister ist die neue Verteilung Stand heute noch nicht eingetragen.Legt man branchenübliche Größenordnungen für Series B Finanzierungen zugrunde, dürfte es nicht unwahrscheinlich sein, dass die neuen Investoren für ihre Kapitalspritze von 16,5 Millionen Euro insgesamt in etwa 25 Prozent der Anteile an Mediakraft erhalten haben. Wenn das zutrifft, bewegt sich die aktuelle Bewertung des führenden deutschen Youtube-Netzwerkes nach dem Investment also im Bereich von ca. 70 Millionen Euro.
Liegt der aktuelle Kaufpreis bei 350 Millionen Euro?
Damit sich für die neuen Investoren der jüngste Deal lohnt, muss der Wert des Unternehmens nun weiter steigen. Kapitalgeber, die sich in der frühen Phase eines Unternehmens beteiligen (so genannte Seed und Early Stage Investoren) wollen ihren Einsatz in der Regel verzehnfachen, Mid Stage Investoren mindestens verfünffachen. Dies würde bedeuten: Ein Konzern, der Mediakraft heute übernehmen möchte, müsste bereit sein, dafür einen Preis von 350 Millionen Euro oder mehr bezahlen.
Wer käme für eine Übernahme in dieser Größenordnung in Frage? Die großen Fernsehsender, die auch in Zukunft noch ihre Zuschauer erreichen wollen, lägen hier sicherlich nahe. Die RTL Group hat sich im vergangenen Juni bereits am kanadischen Multi-Channel-Network BroadbandTV beteiligt – in einem ersten Schritt mit 27 Millionen Euro. Weitere strategische Investitionen seien bereits geplant, so der Konzern. Zum Zeitpunkt des Deals verzeichnete BroadbandTV bereits monatlich eine Milliarde Video-Views, in der Zwischenzeit ist diese Zahl auf 1,7 Milliarden gestiegen. Mediakraft verzeichnet nach eigenen Angaben demgegenüber monatlich 350 Millionen Views. In Deutschland hält RTL außerdem über das Tochterunternehmen Fremantle Media seit dem vergangenen September 26 Prozent der Anteile am Mediakraft-Mitbewerber Divimove, der nach eigenen Angaben derzeit 290 Millionen Views monatlich verzeichnet.
RTL-Konkurrent Pro-Sieben-Sat1 müsste für eine Übernahme im Bereich von 350 Millionen Euro sein gesamtes Jahresergebnis nach Steuern aus dem Jahr 2013 aufwenden. Das Münchner Unternehmen hat im vergangenen Herbst mit Studio71 ein eigenes Netzwerk in den Markt gebracht. Eigenen Angaben zufolge verzeichneten die Inhalte von Studio71 im Januar erstmals mehr als 100 Millionen Views.
Möglicherweise will Mediakraft auch das Auslandsgeschäft ausbauen (bisher existieren Niederlassungen in den Niederlanden und Polen), um auf diese Weise stärker internationale Käufer anzusprechen. Ynon Kreiz, President von Maker Studios (im Frühjahr für mindestens 500 Millionen US-Dollar von Disney übernommen) sowie Teilhaber (siehe Tabelle) und Beiratsmitglied von Mediakraft dürfte dafür sicherlich entsprechende Kontakte vermitteln können. Doch selbst das derzeit größte europäische Youtube-Netzwerk Base79 (laut eigenen Angaben 750 Millionen Views monatlich) wechselte zuletzt für „nur“ 50 Millionen Pfund (umgerechnet knapp 64 Millionen Euro) den Besitzer.
Strategisches Interesse von Publicis
Eine mögliche Option für Mediakraft könnte ein Verkauf an die französische Agenturgruppe Publicis sein. Diese steht, zusammen mit Orange Telecom, hinter Iris Capital, dem Lead-Investor der jüngsten Investitionsrunde. Somit wäre in diesem Fall womöglich der Druck, eine hohe Verzinsung zu erzielen, nicht ähnlich hoch wie bei den anderen Szenarien. Doch zumindest der neue Investor Capnamic dürfte auf ein höheres Multiple hoffen.
Potenziellen Käufern von Mediakraft stellt sich die Frage, welche Assets sie mit einer Übernahme erwerben würden. Die Infrastruktur, auf die das Kölner Unternehmen angewiesen ist, liegt in den Händen von Youtube. Mediakraft selbst verfügt über keine relevante Technologie. Die entscheidenden Werte sind das Vertriebsteam (bei Xing sind 56 Mediakraft-Mitarbeiter registriert) und dessen aufgebaute Geschäftsbeziehungen sowie natürlich die Verträge mit namhaften, reichweitenstarken Youtubern. Dem Augenschein nach ist es jedoch nicht einfach, ein Portfolio an jugendlichen Youtubern ohne Turbulenzen zu managen. Simon Unge, der mit seinem Youtube-Channel „ungespielt“ von Mediakraft vermarktet wird, äußerte kürzlich öffentlich über Twitter seine Unzufriedenheit mit der Kooperation. Der Ursprungstweet wurde bislang 156 Mal weiterverbreitet und mehr als 1.500 Mal favorisiert. Interessant zu sehen sein dürfte auch, welche Haltbarkeit relevante Youtube-Künstler haben und welche Verträge durchsetzbar sind. Dem Vernehmen nach laufen Mediakraft-Verträge mit den Künstlern derzeit lediglich 2 Jahre. Einen der wichtigsten Youtuber hat man sich offensichtlich allerdings langfristig gesichert. Philipp Laude von Y-Titty hielt kürzlich privat 0,82 Prozent der Anteile an Mediakraft (siehe Tabelle). Weitere Y-Titty-Kollegen sind nicht beteiligt. Y-Titty war bis zum Juni dieses Jahres der Abonnenten-stärkste deutsche Youtube-Kanal, wurde dann aber von Gronkh (vermarktet von Studio71) überholt.
Sucht man in der Vergangenheit der deutschen Medien- und Marketing-Szene nach Deals, bei denen die übernommenen Firmen zumindest grob dem Geschäftsmodell von Mediakraft ähneln, stößt man zum Beispiel auf den führenden Sportvermarkter Sportfive. Dieser wurde im Jahr 2006 für 850 Millionen Euro vom französischen Medienkonzern Lagardère übernommen. Anders als Mediakraft machte Sportfive zu diesem Zeitpunkt laut Handelsblatt jedoch jährlich 100 Millionen Euro Gewinn. Sportvermarktungsexperten zufolge kam dieses Ergebnis vor allem dadurch zustande, dass Sportfive zum Zeitpunkt der Übernahme die TV-Rechte an der Fußball-Europameisterschaft vermarktete. Im Anschluss zog es der europäische Fußballverband UEFA jedoch vor, die Rechte selbst zu vermarkten. Die Geschichte zeigt, wie volatil ein solches Vermarktungsmodell sein kann.
Mediakraft macht derzeit nach eigenen Angaben noch keinen Gewinn. In der jüngsten beim Bundesanzeiger hinterlegten Bilanz von Mediakraft aus dem Jahr 2012 wird ein Jahresfehlbetrag von 409.480 Euro ausgewiesen. Die Frage, ob und wann Interessenten, die Mediakraft für einen Betrag in dreistelliger Millionenhöhe übernehmen oder die derzeitigen Gesellschafter, erstmals Gewinne erzielen können, ist aktuell komplett offen.
Dennoch entfacht die Positionierung von Mediakraft schon viel Fantasie und gehört die weitere Entwicklung dieser Tage sicher zu den spannendsten Geschichten in der Marketing-Szene.
Update, 25. Juli, 12:09 Uhr: Wir haben den Artikel um Informationen zu den Ereignissen rund um Simon Unge von „ungespielt“ ergänzt sowie die Bezeichnung des französischen Unternehmens Lagardère geändert. In der vorherigen Version des Artikels haben wir das Unternehmen als Medien- und Rüstungskonzern bezeichnet. Das Rüstungsgeschäft hat Lagardère im vergangenen Sommer verkauft.