LevlUp: Wie zwei Jungs aus Göttingen mit einem Drink für Gamer achtstellige Umsätze machen

Martin Gardt1.7.2019

Das erst ein Jahr alte Unternehmen zeigt, welche Reichweiten und Kaufkraft in der Gaming-Community schlummern

LevlUp-Gründer
LevlUp-Gründer Martin Ratajski (l.) und Nils Schlieper

Der weltweite E-Sports-Markt soll 2019 über eine Milliarde US-Dollar wert sein. Um Spiele wie Fortnite oder League of Legends ist eine ganze Ökonomie entstanden, mit weltberühmten Top-Gamern, die Millionen an Sponsorengeldern verdienen. Auf diesen Zug sind 2018 auch zwei Jungs aus Göttingen aufgesprungen. Mit einer Art Energy Drink speziell für Gamer plant das Unternehmen LevlUp schon ein Jahr nach der Gründung mit achtstelligen Umsätzen für 2019. Wir zeigen, wie die Gründer durch Community-Building auf Instagram und zielgerichtetes Influencer Marketing bei Youtube große Reichweiten aufgebaut haben.

„Nils und ich haben immer viel gezockt und dabei Energy Drinks getrunken. Ihm kam dann eines Tages die Idee, einfach einen Drink nur für Gamer zu machen“, sagt LevlUp-Co-Gründer Martin Ratajski gegenüber OMR. „Wenn du ein Getränk genau auf die Zielgruppe abstimmst, kannst du auch den Content genauer ausspielen.“ Zusammen mit Nils Schlieper gründet Ratajski das Unternehmen im Mai 2018 – in einer Zwei-Zimmer-Wohnung in Göttingen. Das Ziel: Einen „Booster“ für Gamer entwickeln, so wie es sie auch für Sportler gibt (hier ein ausführlicher Bericht über eine klassische Supplement-Brand).

Das zentrale Produkt, das

LevlUp ausschließlich im eigenen Online Shop verkauft,

besteht aus einer Packung Pulver, das die Käufer in Wasser auflösen. Daraus entsteht der Gaming-Booster in Geschmacksrichtungen wie „Triple Green“ (Apfel), „Pineapple Pop“ (Ananas) oder „Watermelon Wave“ (Wassermelone). Nur etwas mehr als ein Jahr nach der Gründung verzeichne LevlUp siebenstellige Umsätze im Monat. Der Jahresumsatz soll deutlich im achtstelligen Bereich liegen – das komplette Wachstum sei aus dem Cashflow finanziert.

Mit Streamern in die Köpfe

„Von der Idee bis zum Verkaufsstart sind nur sieben Wochen vergangen. In der Zeit haben wir das Produkt entwickelt und die ersten Influencer kontaktiert“, erzählt Ratajski. Das Team habe von Anfang an gewusst, dass der Weg in die Gaming-Community über Streamer führt – also Gamer, die über Youtube oder Twitch zum Teil live ihre Spiele streamen. Die LevlUp-Gründer starten mit dem Streamer Haptic (aktuell mehr als 490.000 Abonnenten auf seinem Streamer-Youtube-Kanal HapticRush) und dem etwas weniger reichweitenstarken Raptor (134.000 Youtube-Abonnenten derzeit). Beide Streamer posten zum Verkaufsstart am 1. Juli 2018 ein Video, das sie mit der Vorstellung des LevlUp-Produkts starten – inklusive Anmischung und Ausprobieren eines Drinks. Dazu gibt’s einen Gutschein über fünf Prozent für jede Bestellung.

Das erste Video von Haptic mit der LevlUp-Werbung kommt bis heute auf mehr als 573.000 Views. In den Kommentaren gibt es zum Teil positive Meinungen zum Gaming-Booster – nicht alltäglich in der immer kritischen Gaming-Community. Im ersten Monat des Verkaufs habe das Unternehmen so schon einen mittleren fünfstelligen Umsatz gemacht – allein durch das Marketing über die beiden Streamer.

Dreistufiges Influencer-System

„Realness ist bei unseren Influencern super wichtig. Sie mixen und trinken LevlUp einfach während der Streams“, sagt LevlUp-Co-Gründer Ratajski. Wie auch schon zuletzt bei der iPad-Folie Paperlike von uns beschrieben, funktioniert auch das Influencer Marketing für LevlUp über Pre- und Midroll-Ad-Platzierungen. Vor oder während des Videos unterbricht der Streamer kurz, blendet Werbung als Begriff ein, um keine Schleichwerbe-Anschuldigungen zu riskieren, und erzählt mit eigenen Worten etwas zum Produkt. Das erinnert an Podcast-Werbung und soll aus Sicht der Werbetreibenden dazu beitragen, dass die Verbindung zwischen Produkt und Influencer echter wirkt.

Mittlerweile hat das LevlUp-Team seine Influencer-Marketing-Aktivitäten auf breitere Fundamente gestellt. Schließlich bringe das die größten Reichweiten. „Für unsere Influencer haben wir verschiedene Programme entwickelt: Kleinere Streamer unterstützen wir im Buddy-Programm, Influencer mit mittlerer Reichweite können über das Ambassadors-Programm LevlUp-Produkte verkaufen. Für Streamer und Youtuber mit großen Reichweiten haben wir das exklusive LevlUp Partner-Programm geschaffen“, so Ratajski. Die sogenannten Ambassador mit kleinerer Reichweite erhalten Affiliate-Links, die sich eindeutig auf sie zurückführen lassen, und verdienen anschließend Provision auf ihre Verkäufe. Mit den großen Influencern arbeitet LevlUp mit langfristigeren Verträgen und setzt sie auch bei Aktionen wie Events oder kleinen Werbespots ein.

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Langfristige Zusammenarbeit

Das Unternehmen arbeitet weiter mit den beiden Streamern der ersten Stunde zusammen. Andere große Gaming-Youtuber wie Trymacs (1,2 Millionen Youtube-Abonnenten, spezialisiert auf Fortnite), MckyTV (554.000 Abonnenten), der auch auf Fußball spezialisierte ViscaBarca (1,3 Millionen Abonnenten) oder Mesut Özils E-Sports-Team M10 werben mittlerweile ebenfalls für LevlUp. Gemessen wird der Erfolg der Influencer-Kampagnen über Gutscheincodes der jeweiligen Influencer.

LevlUp wolle ein Teamgefühl schaffen und so erzeugen, dass die Influencer wirklich Lust auf das Produkt haben. Trotzdem ist der Anteil des Budgets für Influencer Marketing am gesamten Marketing-Budget des Unternehmens hoch. „Wir geben 50 Prozent unseres Marketing-Budgets für Influencer aus und holen so Traffic auf den Shop. Die restlichen 50 Prozent gehen in SEA, Facebook-, Twitter-, Youtube- und Twitch-Ads, um potenzielle Kunden nochmal zu aktivieren“, sagt Martin Ratajski.

Brand auf Instagram aufbauen

Organische Reichweiten versucht LevlUp schon seit dem Start über Instagram zu generieren. Der Kanal sei neben Youtube der wichtigste für das Unternehmen. Die Zahlen wirken, von außen betrachtet, eindrucksvoll. Innerhalb eines Jahres hat das Team aus den ersten 4.722 (so viele Follower hatte der Kanal am 17. Juli 2018 laut dem Analyse-Tool Influencer DB) über 139.000 Abonnenten auf Instagram gemacht. „Der erste Hebel für Instagram waren Gewinnspiele. Wir haben immer nur unser Produkt verlost, um Fans zu gewinnen, die sich auch wirklich dafür interessieren“, sagt Ratajski. Nach eigenen Angaben habe das Team nie Follower gekauft und so wirkt auch das Wachstum des Kanals, der täglich zwischen 200 und 1.000 Abonnenten hinzu gewinnt. Laut InfluencerDB liege die Like-Follower-Ratio (Verhältnis zwischen Likes pro Post und Follower insgesamt), die am besten das Engagement widerspiegelt, bei 7,2 Prozent. Das ist für einen Brand-Account sehr ansehnlich, einige Influencer würden sich eine Ratio von fünf Prozent wünschen.

„Unsere Strategie auf den Social-Kanälen: Wir wollen die Leute unterhalten und ein Zugehörigkeitsgefühl aufbauen“, sagt Co-Gründer Ratajski. Einige der ersten Kollegen der Gründer seien Grafiker und Videographer gewesen, die das Produkt professionell für die Social-Kanäle inszenieren. „Unsere organische Reichweite auf Instagram liegt aktuell bei 70.000 bis 80.000 Nutzern pro Beitrag“, sagt der LevlUp-Gründer. Das Geheimnis des starken Engagements sei das ständige Einbeziehen der Instagram-Fans: „Wir schauen immer ganz genau auf das Feedback der Community. Die Idee zum Sample Pack kam zum Beispiel von unseren Followern“, so Ratajski.

Das Sample Pack besteht aus fünf Probepackungen verschiedener Geschmacksrichtungen von LevlUp.

Die Aussage des Gründers bestätigt sich bei einem Blick auf Posts mit besonders viel Engagement. Zu einem Bild einer per Photoshop zerteilten Orange fragt das LevlUp-Team nach einem passenden Titel. Der Kommentar mit den meisten Likes bekomme einen Shaker zum Mixen von LevlUp mit Wasser und ein LevlUp mit Orangengeschmack als Gewinn. Der Beitrag kommt bis heute auf über 12.000 Likes uns mehr als 2.000 Kommentare. An anderer Stelle fragt LevlUp, welche Eis-Geschmacksrichtung sich die Follower wünschen würden. Der gestern veröffentlichte Post kommt auf fast 11.000 Likes und 690 Kommentare.

Twitch und andere wenig beachtete Kanäle

Durch die Gaming-Zielgruppe ergeben sich für LevlUp noch weitere Reichweiten-Kanäle. Da wäre zum einen Twitch – die Livestreaming-Plattform von Amazon. Auch hier haben Influencer der Firma wie Trymacs Millionen-Reichweiten. Zusätzlich kann LevlUp passend zur Zielgruppe Ads auf der Plattform schalten. Im April war das Unternehmen darüber hinaus Hauptsponsor der ersten Twitchcon auf deutschem Boden in Berlin. Auf dem Event treffen sich Streamer (erfolgreiche und solche, die es noch werden wollen) und ihre Fans. LevlUp habe hier ein noch besseres Gefühl für die Twitch-Community bekommen und potenzielle Kunden ihre Produkte an einem großen Stand probieren lassen. Gleichzeitig sei Content für Instagram und den eigenen Youtube-Kanal mit 38.000 Abonnenten entstanden.

Insgesamt seien Offline-Events und auch anlassbezogene Specials immer wieder Reichweitentreiber. Zuletzt hatten die beiden LevlUp-Partner Trymacs und MckyTV die Fortnite WM gemeinsam in einem Stream geschaut – LevlUp trinkend. Zur Gamescom Ende August in Köln werde das Unternehmen auch wieder mit einem großen Team reisen.

Riesige Margen und erste Kritiker

Mit seiner Marketing-Strategie ist LevlUp nach eigenen Angaben zum Vorreiter der Gaming-Booster-Branche geworden. „Wir sind der größte Player auf dem europäischen Gaming-Booster-Markt“, sagt Co-Gründer Ratajski selbstbewusst. In den USA gebe es noch den Wettbewerber G Fuel, aber der sei in Europa wegen seiner Inhaltsstoffe zum Teil nicht zugelassen. Aber auch die Inhaltsstoffe von LevlUp haben es in sich. So sind in einer Portion LevlUp (die 0,5 Liter Getränk ergibt) 250 Milligramm Koffein. Zum Vergleich: In 100 Gramm Red Bull stecken 30 Milligramm Koffein, auf 0,5 Liter gerechnet sind das 150 Milligramm. Andere Inhaltsstoffe wie L-Theanin sollen dem aufputschenden Charakter von Koffein entgegen wirken und für Fokussierung sorgen. „E-Sports ist genauso professionell wie andere Sportarten. Gamer brauchen Fokus, schnelle Reaktionen und lange Konzentrationsphasen. Wenn eine Runde League of Legends 45 Minuten dauert braucht der Körper auch Energie in der Zeit. Dafür ist LevlUp da“, so Ratajski.

Offenbar sind viele Gamer bereit, für dieses Versprechen auch zu zahlen. Eine Packung LevlUp mit 40 Portionen kostet 40 Euro – günstig im Vergleich zu Energy Drinks aus der Dose, aber sicherlich kein schlechtes Geschäft für den Hersteller. Die Marge für das LevlUp-Team dürfte groß sein. Matthias Clemens, Gründer der Supplements-Brand Zec+, hatte erst vor einer Woche in einem Video davon gesprochen, dass die Herstellung einer solchen Packung LevlUp im Einkaufspreis unter sieben Euro koste – und kurzerhand sein Konkurrenzprodukt FairPlay für diesen Einkaufspreis angeboten. Offenbar wollte der für seine Provokationen bekannte Clemens vor allem LevlUp damit treffen. Ob er wirklich langfristig die Herstellung eines Gaming Boosters plant, ist nicht klar.

Auch auf Youtube ploppen mittlerweile Videos auf, die das Marketing an die junge Zielgruppe kritisieren. LevlUp selbst schreibt auf der Webseite, dass das Produkt nicht für Kinder, Jugendliche, Schwangere und Stillende geeignet ist und empfiehlt den Verzehr erst ab 16 Jahren. Gaming-Streamer sprechen insgesamt aber eine junge Zielgruppe an und die bunten süßen Drinks dürften Jugendliche unter 16 nicht direkt abschrecken. Gründer Ratajski verweist jedoch darauf, dass LevlUp in Deutschland produziert ist und kaum Zucker enthalte – im Gegensatz zu vielen Energy Drinks. Laut Nährstofftabelle sind in einer Portion LevlUp 0,19g Zucker.

Mehr als ein Drink?

Für die Gründer Nils Schlieper und Martin Ratajski scheint das Geschäft mit den Gaming-Boostern nur ein Zwischenschritt zu sein. „Wir wollen nicht nur Gaming Booster machen, sondern die Gaming-Branche verändern und E-Sports als echten Sport etablieren. In den nächsten acht Monaten kommen viele neue Dinge rund ums Gaming-Setup von uns“, so Ratajski.

Der Hashtag dazu laute #completeyoursetup. Das Team habe bereits zum Start eine Brand-Strategie für die nächsten zehn bis 15 Jahre erstellt. In naher Zukunft solle ein weiteres Büro wahrscheinlich in Berlin eröffnet werden (aktuell besteht das Team aus 30 Mitarbeitern in Göttingen), um über die DACH-Region hinaus die Marke in weiteren europäischen Ländern zu etablieren.

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Autor*In
Martin Gardt

Martin kümmert sich vor allem um neue Artikel für OMR.com und den Social-Media-Auftritt. Nach dem Studium der Kommunikations- und Medienwissenschaft ging er zur Axel Springer Akademie, der Journalistenschule des Axel Springer Verlags. Danach arbeitete er bei der COMPUTER BILD mit Fokus auf News aus der digitalen Welt und Start-ups. Am Wochenende findet Ihr ihn auf der Gegengerade im Millerntor.

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