Jeder von Euch kennt mindestens eines dieser Videos – aber nicht die Firma, die durch clevere Lizenz-Deals an ihnen verdient

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Inhalt
  1. Jukin Media überträgt das Geschäft mit Pannen-Clips und Homevideos ins digitale Zeitalter
  2. Der Gründer war TV-Produzent und hat die Seiten gewechselt
  3. Pro Woche lizensiert Jukin durchschnittlich 150 neue Videos
  4. Große TV- und Online-Häuser sind regelmäßige Kunden
  5. Auf Youtube verdient Jukin sogar an Raubkopien

Jukin Media überträgt das Geschäft mit Pannen-Clips und Homevideos ins digitale Zeitalter

Drei erfolgreiche Videos Jukin Media: (von links) "Camera falls from airplane and lands in pig pen",  "Mountain Biker gets taken out by Buck" und "Kicked in the head by a train" (Montage: OnlineMarketingRockstars)

Drei erfolgreiche Videos von Jukin Media: (von links) „Camera falls from airplane and lands in pig pen“, „Mountain Biker gets taken out by Buck“ und „Kicked in the head by a train“ (Montage: OnlineMarketingRockstars)

Pannen-Clips und Homevideos waren über viele Jahre für TV-Sender leicht akquiriertes Material für günstig produzierte Sendungen. Doch heute schicken die Menschen ihre Videos nicht an TV-Sender, sondern laden sie im Internet hoch. Das US-Startup Jukin Media hat einen Weg gefunden, aus dieser Entwicklung Profit zu schlagen – in dem es die Rechte an den Inhalten aufkauft und diese an die klassischen Medienhäuser weiter lizensiert. In seinem Portfolio finden sich zahlreiche Viralklassiker mit Millionen von Aufrufen.

Jeder, der auch nur ab und an auf Viralseiten im Internet unterwegs ist, dürfte eines dieser Videos kennen: Der junge Mann, der ein Selfie machen will, aber vom Führer eines vorbeifahrenden Zuges getreten wird. Der kleine Junge auf dem Laufrad, der zunächst von einem Hund attackiert und dann von einer Katze verteidigt wird. Die GoPro-Kamera, die aus einem Flugzeug fällt und in einem Schweinepferch landet, wo die Tiere sie neugierig beäugen. Diese drei Videos wurden alleine in ihren Originalversionen auf Youtube bislang mehr als 80 Millionen Mal abgerufen. Was die wenigsten wissen dürften: An jedem der Abrufe hat ein und dasselbe Unternehmen etwas verdient – Jukin Media, mit Sitz in Culver City nahe Los Angeles.

Der Gründer war TV-Produzent und hat die Seiten gewechselt

Jonathan Skogmo

Jonathan Skogmo

„Wir sind quasi ‚Americas Funniest Home Videos 2.0“, sagt Jukin-Gründer Jonathan Skogmo im Interview mit dem Podcast „Business Rockstars“. Skogmo arbeitete bis Mitter der Nullerjahre als TV-Produzent für „Clipshows“ wie „Country Fried Home Videos“, „Destroyed in seconds“ und „Moments of Impact“. Als er feststellt, dass die Sendungen immer häufiger auf Material aus dem Internet zugriffen, sieht er seine Chance: Er gründet sein eigenes Unternehmen, um von dieser Entwicklung profitieren zu können.

Heute besitzt er die Rechte an Massen von Inhalten, die von Menschen erstellt wurden, die er „Accidental Creators“ nennt: Otto Normalverbraucher, die mehr oder minder Lustiges oder Erstaunliches zufällig mit dem Handy oder einer wackligen Handkamera festgehalten und das so entstandene Video ins Internet hochgeladen haben. Meist sind dies Pannen-Clips, „Fails“, Sport Stunts, oder lustige oder herzerwärmende Videos mit Tieren oder Kindern. Jukin versucht, frühzeitig zu erkennen, welche Videos das Potenzial haben, „viral zu gehen“ – also plötzlich eine lawinenartige Verbreitung zu erfahren.

Pro Woche lizensiert Jukin durchschnittlich 150 neue Videos

Stößt Jukin auf ein Video, von dem das Unternehmen glaubt, dass es über virales Potenzial verfügt, kontaktiert es den Urheber und setzt alles daran, diesem die Rechte an dem Material abzukaufen. Eigenen Angaben zufolge hat das Unternehmen seit der Gründung im Jahr 2011 eine Mediathek mit mehr als 17.000 Videos aufgebaut; alle nicht länger als 120 Sekunden. Darunter sind Viral-Oldies wie der südafrikanische Mountainbiker, der mitten in der Fahrt von einem Antilopen-Bock gerammt wird.

„Idealerweise finden wir das Video, wenn es weniger als 1.000 Views hat“, so Gründer Skogmo. Der Kaufpreis für die Rechte kann dabei zwischen 50 und einigen Tausend US-Dollar liegen – im Durchschnitt bezahlt Jukin aber einige Hundert US-Dollar, erklärte Lee Essner, Leiter des operativen Geschäfts des Unternehmens, gegenüber Digiday. Mit einigen der Urheber einige sich Jukin auch auf eine Umsatzaufteilung. „Für sich genommen ist ein 20-Sekunden-Clip nicht viel wert, aber wenn er durch unsere Hände geht, wird der Content sehr viel wertvoller.“

Große TV- und Online-Häuser sind regelmäßige Kunden

Denn Jukin Media hat diverse Wege gefunden, mit solchen Clips Geld zu verdienen. Die wichtigste Erlösquelle ist die Lizensierung der Inhalte an andere Medienhäuser – vor allem TV-Sender. Die großen US-amerikanischen Networks ABC, NBC, MTV, CNN sollen alle Kunden von Jukin Media sein; die Videos des Unternehmens schon in Sendungen wie „Good Morning America“ (ABC), „The Today Show“ (NBC) oder „Tosh.0“ (Comedy Central) zu sehen gewesen sein. Auf Fox TV hat Jukin mit „Worlds Funniest Fails“ (basierend auf dem reichweitenstarken Youtube-Kanal „Fail Army“) sogar eine eigene Sendung. Aber auch Online-Medien wie AOL („Huffington Post“), Yahoo und Viralnova kaufen die Inhalte von Jukin Media ein.

Seit einiger Zeit bietet der Dienstleister seinen Geschäftspartnern nicht nur bestimmte Inhalte aktiv an, sondern können sich diese über einen „Viral Video Feed“ auch die für sich passenden Inhalte heraussuchen. „Wenn ABC für ‚Nightly News’ das aktuell populärste Hunde-Video haben will, können sie das bei uns herunterladen und wir werden uns über die Lizensierung einig“, sagt Gründer Jon Skogmo.

Werbetreibende Unternehmen wie Taco Bell und Pizza Hut haben bereits ebenfalls Jukin-Videos lizensiert. So hat beispielsweise Subaru einen Clip eingekauft, der zeigt, wie eines der Modelle des japanischen Autobauers im Schnee einen US-Polizeiwagen abschleppt und diesen mit einem augenzwinkernden Off-Kommentar unterlegt.

Auf Youtube verdient Jukin sogar an Raubkopien

Eine weitere Einkommensquelle von Jukin ist natürlich Youtube: Auf Googles Videoplattform betreibt das Unternehmen unter anderen die Kanäle FailArmy und JukinVideo, die nach eigenen Angaben monatlich durchschnittlich 350 Millionen Views verbuchen. Die Monetarisierung erfolgt dort durch die übliche Youtube-Werbung. Dabei verdient Jukin nicht nur mit den eigenen Kanälen und den ursprünglichen Videos der „Accidental Creator“ (die Jukin Media nicht löscht). Viralvideos werden häufig von anderen Kanälen übernommen und noch einmal neu hochgeladen. Youtubes Rechteschutzsystem Content ID erkennt diese Kopien und ermöglicht den Rechteinhabern, von diesen ebenfalls durch Werbevermarktung zu profitieren. Zudem werden die Online-Reichweiten der Inhalte dadurch gepusht, dass die Clips in TV-Sendungen auftauchen.

Derzeit findet Jukin viele potenzielle Viralhits noch indem die Mitarbeiter neue hochgeladene Videos durchforsten, schreibt Digiday. In Zukunft will das Unternehmen offenbar versuchen, diesen Prozess mit Hilfe von Technologie noch stärker zu automatisieren. Dabei helfen dürfte Investorenkapital: Laut Crunchbase hat Jukin in vier Investitionsrunden knapp vier Millionen US-Dollar Funding eingesammelt. Zu den Geldgebern gehört unter anderem Bertelsmann Digital Media Ventures und das mittlerweile zu Disney gehörende Youtube Multi-Channel-Netzwerk Maker Studios.

Offenbar läuft das Geschäft von Jukin bereits heute nicht schlecht. Umsatzzahlen nennt das Unternehmen keine, es soll jedoch seit seiner Gründung profitabel sein. Die Zahl der Mitarbeiter sei zuletzt auf 80 gestiegen. „Ein wirklicher netter Aspekt dieses Businesses sind die Margen. Der beständige Wert der Inhalte, die wir einkaufen, ist so hoch, dass die Margen wirklich außerordentlich sind“, sagte COO Essner gegenüber Digiday. Ein großer Teil der Einnahmen dürfte aus dem Geschäft mit den klassischen Medienhäusern stammen. „Offline-Lizensierungen von Inhalten sind eine große, große Chance für Content Creator, die an einer Umsatzbeteiligung interessiert sind. Die Lizenzgebühren dort sind wirklich fantastisch“, so Essner im vergangenen Juni.

Roland Eisenbrand
Autor*In
Roland Eisenbrand

Roland ist seit mehr als zehn Jahren als Journalist in der Digitalbranche aktiv. Seit 2014 verantwortet er als Head of Content (und zweiter Mitarbeiter) alle inhaltlichen Komponenten von OMR, darunter vor allem den OMR Blog und redaktionelle Arbeit rund um das OMR Festival.

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