Flexible Arbeit im Handwerk: LE CLUB ist der erste Beauty-Coworkig-Space in Hamburg
Gemeinsam und doch selbstständig: Gründerin Liesa Wernicke tauscht Schreibtisch und Bürostuhl gegen Bar und Frisiertisch. So geht Coworking für Friseur*innen und Make Up Artists.
Liesa Wernicke eröffnete im März 2024 “LE CLUB”, den ersten Coworking-Space für Hairdresser und Make-up Artists in Hamburg. Was in Deutschland mit einem bürokratischen Hürdenlauf verbunden ist, ist in London gelebter Alltag. Wernicke spricht über ihre Inspiration für das Projekt und warum sie kurz davor war, mit der Business-Idee auszuwandern.
270 Quadratmeter, eine riesige Fläche für Selbstständigkeit. Als Wernicke Mutter wurde, wuchs ihr Wunsch nach einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf – und nach finanzieller Unabhängigkeit. Also eröffnete sie einen eigenen Salon, für sich und ihre Kolleg*innen. Nur das jede*r dabei selbstständig ist.
Administrative Stolpersteine
Acht Jahre habe es von der Idee bis zur Eröffnung gedauert. Das Modell kennt Wernicke aus ihrer Zeit in London. Dort hat sich dieses Konzept etabliert, da Friseur*innen keinen Meisterbrief benötigen, um einen eigenen Salon zu eröffnen. Auch in den USA sind geteilte Friseurstühle bereits keine Seltenheit mehr. Grund genug für die damalige Angestellte, das Modell nach Hamburg zu holen. Das Ziel: Mehr Flexibilität in klassische Handwerksberufe bringen, um den Bedürfnissen der sich stark verändernden Arbeitswelt gerecht zu werden. Doch bis die 38 Jährige in ihrem eigenen Salon das erste Mal zur Friseurschere greifen kann, ist es ein langer Weg.
Liesa Wernicke, Gründerin LE CLUB Hamburg. Foto: privat
Ein Friseursalon in Deutschland braucht eine Baugenehmigung – das erfordert sechs Monate Geduld. Und die war ohnehin strapaziert, dauerte die Suche nach einer geeigneten Immobilie schon fast anderthalb Jahre. “Ich geh’ wieder ins Ausland, in Deutschland wird es einem mit der Gründung sehr schwer gemacht”, dachte sich Wernicke oftmals. Ein Gedanke, der vielen ambitionierten Selbstständigen in den Sinn kommt. Laut einer Umfrage von Statista in Zusammenarbeit mit Lexware nennen 30 Prozent der Befragten unübersichtliche Gesetzesvorgaben als Herausforderungen, die das Gründen in Deutschland erschweren. Die größte Hürde stellen jedoch fehlende finanzielle Mittel (42 Prozent) dar. Ein Punkt, mit dem Liesa Wernicke nicht zu kämpfen hat. Aufgrund ihrer Vergangenheit als Bankkauffrau kennt sie sich mit Finanzierungsmöglichkeiten aus und überwindet durch einen Kredit und Investoren die größte Hürde problemlos.
Raum für Kreativität und Community
Am 1. März 2024 startet die Gründerin dann mit zwölf Friseurplätzen, drei Räumlichkeiten und vier Coworking-Space Mitgliedern. Im Juli sind es bereits zehn selbstständige Kolleg*innen, die das Modell in Anspruch nehmen. Doch wie genau funktioniert das? Neben dem flexiblen System eines Halbtagestickets ist es auch möglich, eine festen Mitgliedschaft (inkl. aller Nebenkosten) abzuschließen. Die Vorteile sich als Selbstständige*r kein Arbeitsequipment anschaffen zu müssen, keine Personalthemen zu koordinieren und keine starren Mietverträge einzugehen, überzeugen schnell. Voller Fokus auf die Kundschaft, kein Papierkram. Terminbuchungen sind über das bekannte Tool Treatwell möglich, so kann jede*r eine eigene Preisstruktur entwickeln. “Was für mich auch entscheidend war, ist, dass es auch als Community-Place gesehen wird” – und das ist für jede*n ersichtlich: Eine Bar, eine Sitzecke und Kunst lassen den Coworking-Space auf den ersten Blick nicht wie einen Friseursalon wirken. “Die Branche ist sehr persönlich”, erklärt die 38 Jährige. Das sei der Grund, warum LE CLUB vor allem über Mund-zu-Mund-Propaganda und das Netzwerk bekannt geworden ist.
Alle Mitglieder des Coworking-Spaces arbeiten zusammen als selbstständige Kolleg*innen, statt einen eigenen Salon zu betreiben. Liesa Wernicke will dieses Konzept weiter ausbauen. Für sie ist der Community-Gedanke das Kernstück des Modells. “Dienstleister bewegen sich bereits immer weiter in diese Richtung. Gemeinschaftspraxen sind ein gutes Beispiel.”