"80 Prozent mehr Zufriedenheit": Mitarbeitende befragen – der unterschätzte Erfolgsfaktor

Marvin Behrens18.10.2023

Bodo Janssen war ein unbeliebter Chef – bis er seinen Mitarbeitenden Gehör geschenkt hat.

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Die Mitarbeitendenbefragung richtig nutzen, davon profitiert das Arbeitsklima – und die Stimmung der Menschen. Quelle: Freepik

Weniger Krankheitstage, mehr Zufriedenheit und Umsatz? Weil ein Unternehmen seine Mitarbeitenden befragt? Bodo Janssen, Geschäftsführer einer Hotelkette, hat gezeigt, dass das zusammenhängt. Aber Vorsicht: Der Schlüssel für nachhaltige Zufriedenheit birgt auch eine Gefahr für die Atmosphäre. Wie diese unterschätzte Methode funktioniert und welche Tools sich dafür bestens eignen.

Bodo Janssen hat die Mitarbeitendenbefragung nicht nur den Spiegel vorgehalten – sondern auch die Augen geöffnet. “Die Umfrage war ein Schock”, sagte er 2016 im SPIEGEL-Interview. Janssen führt die Geschäfte der friesischen Hotelkette Upstalsboom, die 70 Hotels und Ferienanlagen an 18 Standorten in der Nähe von Nordsee und Ostsee anbietet. 

Mehr Bewerbungen und doppelter Umsatz

Statt Selbstzweifeln stellte er sich den Problemen. Er ging ins Kloster und wurde von Pater Anselm Grün gelehrt, spirituell zu führen. Prompt krempelte er die Unternehmenskultur um – und sorgte für die Wende. “Die Zufriedenheit ist seit damals um mehr als 80 Prozent gestiegen, die Mitarbeitenden sind deutlich seltener krank, wir bekommen fünfmal so viele Bewerbungen und haben den Umsatz mehr als verdoppelt.” Der heute 49-Jährige schrieb ein Buch: “Die stille Revolution: Führen mit Sinn und Menschlichkeit”. Es folgten neun weitere. Eine Geschichte mit vielen Facetten und Lehren, doch ihre Ursache war ein Fragenkatalog für 600 Mitarbeitende.  Es ist keine komplexe Mathematik, obwohl es genauso logisch ist: Wer zufriedene Arbeitnehmer*innen hat, zahlt auf die personelle Kontinuität in seinem Unternehmen ein. Sie gehen nicht, wenn sie sich wohlfühlen. Und das bewirkt so viel mehr: Eine starke Brand, nach innen und außen. Um das festzustellen, musst du fragen, ob sie glücklich sind und wo Optimierungsbedarf herrscht.

Wissen, was Sache ist

Angst vor der Wahrheit, wenn sie auch schmerzt, darf keine Hürde sein, meint Professor Felix Brodbeck, Wirtschafts- und Organisationspsychologe: “Gerade Kritikfähigkeit ist doch eine essentielle Eigenschaft, die Chefs haben müssen. Wer Mitarbeiterbefragungen regelmäßig durchführt, weiß wenigstens, was Sache ist und wie die Angestellten die Firma sehen”, sagt er im Handelsblatt-Interview.  Tools dafür gibt es einige. HonestlyKenjoQualtrics oder Leapsome bieten an, ständiges Feedback der Menschen im Unternehmen einholen zu können und dabei die Fragen strategisch an die aktuelle Situation und bereits bestehende Probleme zu adaptieren. Um euren Führungsstil evaluieren zu lassen, speziell in großen Unternehmen, bietet sich Rog360 an.

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Ein großer Fauxpas: Die Evaluation darf nicht erst angeboten werden, wenn die Stimmung schon im Keller ist. Unzufriedenheit ist nichts, das wir einem Menschen zwingend ansehen. Wenn ständig der Raum geboten wird, sich zur Atmosphäre und Prozessen äußern zu können, ist das ein großer Vorteil. Doch eine essentielle Voraussetzung muss stets erfüllt sein: Dieses Instrument funktioniert nur, wenn es Abläufe verändert. 

Befragung ist wie eine Intervention

Löst sich die Hoffnung der Befragten in Luft auf, dass sich etwas ändern könnte, ist es nur eine Frage der Zeit, wann die Atmosphäre verseucht ist. Denn, liebe Führungskräfte: Ist euer Interesse nur suggestiv, werdet ihr Vertrauen einbüßen. 

Es reicht keineswegs, den operativen Prozess an seine HR-Abteilung zu delegieren und eine Pro-Forma-Care-Arbeit zu leisten. Hier sind die Führungskräfte gefragt. Die Corona-Pandemie hat die Bindung zum Arbeitgebenden aufgeweicht. Home-Office schafft blinde Flecken. “Die sozialen Beziehungen leiden und das Commitment an das Unternehmen sinkt”, stellt Arbeitspsychologin Ivon Ames fest, “und deshalb sollte man sich Maßnahmen überlegen, die das soziale Bonding in hybriden Teams sichern”. Die Führungskraft bekommt nicht mit, wie die Stimmung ist  –  und ob sie sich verschlechtert. Es sei denn, sie fragt. Dabei finden aber auch die Befragten viel über sich heraus: “Sobald man eine Befragung macht, beginnt schon die Intervention, weil die Mitarbeitenden über ihre Situation nachdenken”, sagt Ames im Gespräch mit OMR. 

Persönliche Feedbackkultur

Probleme, sich zu binden, haben auch die “neuen” Generationen (YZ) auf dem Markt. Deshalb ist es wichtiger denn je, dass ihr euch ernsthaft um die Bedürfnisse eurer Mitarbeitenden sorgt. Um dabei nicht nur mit der Befragung aufzuwarten, könnt ihr auch weitergehen: Befragt eure Mitarbeiter*innen, was sie umtreibt. Ein Online-Tool kann dabei helfen, die Anonymität zu wahren und einen Themen-Pool anzulegen. Übrigens: Anonymität ist im ganzen Prozess gefragt, weil sie Ehrlichkeit gewährleistet.

Ist ein solcher Prozess geplant, müsst ihr ihn bereits früh moderieren und empfehlen. Eure Kolleg*innen wollen wissen, was gefragt wird und (vor allem) wofür das am Ende gut sein soll. Das Ziel: eine continuous listening strategy – eine etablierte Feedbackkultur. Videobotschaften eines CEOs können dabei helfen, die Bedeutung der Befragung zu unterstreichen. Persönlich auf die Mitarbeitenden zuzugehen, ist lebhafter als eine Mail. Die gehört aber genauso zum Care-Paket.

Marcus Merheim von hooman Employer Marketing empfiehlt: “Überleg dir Formate, in denen entweder alle oder nur ein ausgewählter Kreis ‘zu Wort kommt’  – beispielsweise über offene Abfragen oder Gespräche.” 

"Früher habe ich Menschen Antworten gegeben, heute stelle ich ihnen Fragen."

Das Kernproblem folgt der Befragung auf dem Fuße: In vielen Unternehmen werden die Daten nicht transparent gemacht, obwohl das nicht weniger wichtig ist, als sie überhaupt zu erheben. Die corporate strategy sollte nachhaltig von den Ergebnissen geprägt werden. Oder wie Janssen von Upstalsboom sagt: “Früher habe ich den Menschen Antworten gegeben, heute stelle ich ihnen Fragen.” Seine Philosophie ist beispielhaft. Nicht alle Potenziale werdet ihr direkt ausschöpfen können – umso wichtiger ist deshalb eine durchdachte Strategie. Besonders positiv auf die Retention wirken sich nämlich folgende Faktoren aus: ein offener Umgang, Transparenz und Wertschätzung. Schärft eure Sinne und macht euch deren Eindrücke zu Nutzen. Mitarbeitende sind dankbar für so eine Unternehmenskultur – und letztlich profitiert auch die Führung davon.

Marvin Behrens
Autor*In
Marvin Behrens

Marvin ist Redakteur bei OMR Jobs & HR. Zuerst studierte er erfolgreich Journalistik, dann wagte er einen Blick ins gymnasiale Lehramt. Seinem Abschluss in Sportwissenschaften und Germanistik zum Trotz folgte er weiterhin seiner journalistischen Leidenschaft.