Die Meme-Goldgrube Imgur will jetzt Geld verdienen

Martin Gardt21.3.2016
Memes von Imgur

Wie die Bilder-Plattform 150 Millionen Nutzer gewinnen konnte und jetzt ins Marketing einsteigt 

Memes von Imgur

Imgur ist die Meme-Maschine des Internets. (Quelle: College Humor)

Mit 150 Millionen aktiven Nutzern und 545 Millionen Visits pro Monat ist die Foto-Community Imgur eine der größten Plattformen der Welt. Jetzt soll die enorme Reichweite mit Native Advertising monetarisiert werden. Wir haben uns angeschaut, wie Imgur so groß werden konnte und wie das außergewöhnliche Marketing auf der Plattform funktioniert.

Imgur ist ein Sammelbecken für witzige Fotos und GIFs aus dem Netz – der Startpunkt für virale Inhalte. Die werden von der Community hochgeladen und kräftig kommentiert. Wer das erste Mal auf der Webseite landet, sieht hunderte Bilder, die nach aktueller Beliebtheit sortiert sind. Die Inhalte an der Spitze haben meist mehrere Zehntausend Views, manche mehrere Millionen. Was auf der Plattform landet, kann jederzeit viral gehen. Auf Imgur tummeln sich vor allem junge Männer, 75 Prozent der Besucher sind laut Imgur unter 35, 60 Prozent zwischen 18 und 24 – zu sehen gibt es viel Katzen-Content und verrückte Alltagsbilder. 2015 wurden insgesamt 900 Milliarden Bilder auf der Seite angesehen. Niemand ist mit seinem Klarnamen angemeldet, niemand will Follower aufbauen oder berühmt werden – eigene Profilseiten? Fehlanzeige. Wer hier abhängt, will ein paar witzige Bilder sehen, Eitelkeiten bleiben draußen. Und die Community wächst immer weiter – und das weltweit. Aus Deutschland kommen laut Analyse-Tool Similar Web pro Monat 17,8 Millionen Visits, und das sind nur etwas mehr als drei Prozent des gesamten Traffics. Weltweit liegt Imgur auf Platz 45 der größten Webseiten und auch mobil funktioniert es – fast die Hälfte des Traffics kommt von Smartphones. Wie lässt sich der Erfolg erklären?

Startseite Imgur

Startseite von Imgur.

An den Traffic von Reddit gehängt

Alan Schaaf gründet Imgur (sprich: Imager) 2009. Er ist damals Student und will einfach einen besseren Bilderdienst entwickeln, damit Reddit-Nutzer leichter Fotos ins Netz laden können. Zu dieser Zeit bestimmen zwar kostenlose dafür aber umständliche Dienste wie ImageShack oder Photobucket den Markt. Damals können Nutzer bei Imgur nicht viel mehr machen, als ein Bild hochzuladen und es zuzuschneiden. Alans Projekt schlägt bei der Reddit-Community ein wie eine Bombe. Alan gewinnt viele Nutzer allein durch seinen Post bei Reddit mit der Ankündigung von Imgur, der über 600 Mal kommentiert wird. Damit hängt sich die Plattform komplett an den Traffic von Reddit (auch eine Plattform, die gerade versucht Geld zu verdienen). Die Taktik funktioniert: Schon nach einem Jahr verzeichnet Imgur eine halbe Milliarde Bildabrufe im Monat. Alan Schaaf erklärt gegenüber Fast Company: „Niemand will wirklich Bilder ins Internet hochladen. Was man wirklich will, ist es mit anderen zu teilen. Also habe ich alle Funktionen anderer Bilderdienste rausgeschmissen. Wer einfach nur etwas teilen möchte, für den ist Geschwindigkeit das Wichtigste.“

Traffic-Statistik von Imgur

Traffic-Statistik von Imgur. (Quelle: Similar Web)

An diesem Punkt hat Imgur schon viele Inhalte, die aber meist bei Reddit geteilt werden. Alan beschließt, die Nutzer auch auf die eigene Seite zu ziehen und baut Galerien mit den beliebtesten Inhalten. Später fügt er die Funktionen hinzu, Bildbeschreibungen hinzuzufügen, Kommentare zu posten, Texte in Bilder einzufügen (einen Baukasten für Memes sozusagen) und starke Inhalte „hochzuvoten“ (eine Art Like, schlechte Bilder können Nutzer auch „downvoten“). „Jetzt gibt es private Nachrichten, Notifications, so viele Dinge, die wir für die Nutzer gebaut haben und jetzt ist es eigentlich gar kein Bilderdienst mehr. Es ist etwas komplett anderes. Es ist eine Community, in der sich Menschen durch Bilder ausdrücken“, erklärt Alan. Immerhin fast 30 Prozent des Traffics kommt direkt auf Imgur. Das spricht für eine treue Follower-Gemeinde. Trotzdem kommen fast 54 Prozent der Besucher über andere Communitys und Soziale Netzwerke. Den Löwenanteil macht hier immer noch Reddit aus: 88 Prozent des Social-Traffics kommt von dort, immerhin 8 Prozent von Facebook. Denn auch auf dem größten sozialen Netzwerk der Welt werden immer wieder Imgur-Bilder geteilt. Wer auf das Foto klickt, landet dann direkt bei der Bilder-Community – und bleibt vielleicht direkt hängen. Der durchschnittliche Besucher verbringt über sechs Minuten auf Imgur.

Nach Banner-Werbung kommt Native Advertising

Alan Schaaf

Alan Schaaf (Quelle: Twitter)

2011 zieht Alan mit Imgur nach San Francisco und stellt erste Mitarbeiter ein. Heute ist das Team auf 60 Kollegen angewachsen. Lange Zeit bezahlt er alles aus eigener Tasche, genug Geld kommt über Adsense-Banner rein, die er über und neben den Bildern platziert. Aber wer 150 Millionen aktive Nutzer hat, sucht natürlich nach anderen Optionen, diese zu Geld zu machen. Auf dem Weg dahin verkündet Imgur 2014 seine erste Finanzierungsrunde: Der VC-Gigant Andreessen Horowitz investiert 40 Millionen Dollar, dazu gibt’s einen nicht bekannten kleineren Betrag von Reddit. Mit dem Geld im Rücken engagiert Alan Schaaf den ehemaligen Vice President von Spieleentwickler Zynga als COO. Jetzt sollen neben Banner-Ads native Beträge für einen neuen Marketing-Ansatz sorgen.

Imgur ist ja nicht der erste große Player, der seiner treuen, aber ebenso kritischen Community digitale Werbung schmackhaft machen muss. Gerade kämpft etwa Instagram mit viel Kritik, weil die Fotoplattform – ähnlich wie Facebook – den Newsfeed per Algorithmus ordnen möchte. Für viele Nutzer ein Zugeständnis an große Unternehmen, Publisher und natürlich Werbepartner. Imgur muss da noch ein bisschen vorsichtiger sein. Die jungen meist männlichen Nutzer sind extrem kritisch gegenüber Werbung. Ein erster Testlauf mit sogenannten „Promoted Posts“ startete im Juli 2015 unter der Aufsicht des neuen Vice President of Market Development Steve Patrizia, der das Prinzip gegenüber Adweek so erklärte: „Statt verrückter Banner einzubinden, denken wir, dass etwas sehr einflussreiches von Brands kommen kann, das nicht einmal allzu kommerzialisiert ist. Etwas, das so aussieht und sich so anfühlt wie andere Posts auf Imgur.“

Hoffnung auf virale Werbung bei Imgur

Während der letzten Monate waren Ebay, Old Spice, PlayStation und MTV große Partner beim Testlauf. Dabei wurden etwa 60 Posts entwickelt, die mit mehreren Bildern und GIFs eine Geschichte erzählen, so wie es viele Beiträge der Imgur-Community machen. Gleichzeitig muss aber das Thema passen: Bei den Ebay-Tests geht es etwa um Drohnen, altes Spielzeug, 3D-Drucker oder den St. Patricks Day – alles passend für die männliche Community. Ein gutes Beispiel ist der Ebay-Post „Tech transformations that happened in your lifetime“. Hier wird die technische Entwicklung anhand von Geräten wie dem Walkman, Disketten oder alten Spielekonsolen im Vergleich zu aktueller Technologie gezeigt. Die Links in den Beschreibungstexten führen direkt zu Ebay-Auktionen. Der clever gemachte Beitrag wurde über 790 Mal kommentiert. Die meisten Kommentare sind sehr positiv, manche erwähnen explizit Ebay und die Lust, sofort dort einzukaufen. Genau das ist das Ziel der Imgur-Macher. Die Community soll sich über die Artikel und die Brand unterhalten und vielleicht geht ja auch mal so ein Promoted Post viral. Eine Folge dieses Ansatzes ist aber, dass Brands ihre Werbung nicht zielgerichtet ausspielen können – immerhin verhindert ein Algorithmus, dass der Beitrag einer Person mehrmals am Tag angezeigt wird. 

Promoted Post von Old Spice auf Imgur

Promoted Post von Old Spice auf Imgur.

„Nutzer sollen den Content von Brands als etwas empfinden, das die Erfahrungen auf der Seite verbessert“, erklärt Steve Patrizia nach dem Test. Gebrandete Inhalte seien bei der Community sehr gut angekommen, neun von zehn Mal hätten Nutzer Promoted Posts eine positive Bewertung gegeben. Imgur hat ein eigenes Kreativteam, das die Advertiser bei der Erstellung der Beiträge unterstützt. Wenn eine Brand es schafft, bei der Imgur-Community zu landen, dann versteht sie die Sprache, den Style und die Inhalte, die im Internet am besten ankommen. Scheinbar hat das beim Test für Ebay ganz gut funktioniert. Einige Beträge wurden hundertfach kommentiert. „Wir helfen Brands, Bürger der Internet-Kultur zu werden und nicht nur Sponsoren“, sagt Michelle Masek, Head of Communications bei Imgur. 

Hoher Preis für schwierige Zielgruppe

Der CPM (Cost per Mille, Tausenderkontaktpreis), den Advertiser Imgur zahlen, liegt laut Business Insider zwischen 30 und 40 US-Dollar. Zum Vergleich: Instagram ruft zwischen drei und sechs US-Dollar auf. Der große Vorteil ist, dass die Imgur-Zielgruppe besonders Adblocker-affin ist und eigentlich schwer zu erreichen. Außerdem ist der Advertiser mit einem Post auf Imgur, der angeklickt wird, auf jeden Fall im Zentrum der Aufmerksamkeit. Bei einer Messung von Imgur sei herausgekommen, dass sich Besucher einen Promoted Post durchschnittlich 25 Sekunden lang ansehen, damit liege man fast auf einer Höhe mit TV-Werbung, so Marketing-Chef Steve Patrizia. 

Durchschnittlich bekamen Ebay-Posts 77,43 Prozent positive Votes, die typische Click-Trough-Rate (CTR) lag bei 1,43 Prozent, mit fast acht Prozent bei besonders erfolgreichen Beiträgen. Die Engagement Rate lag bei maximal 10,53 Prozent – ein sehr starker Wert. Insgesamt generierten die Ebay-Posts 15,8 Millionen Impressions auf Imgur, 207.000 Nutzer klickten auf einen der Links zu Ebay-Auktionen. Jetzt will Imgur noch viel mehr Partner ins Boot holen, am besten Brands aus den Bereichen Gaming, Technologie, Medien, Unterhaltung und Supermärkte. Die Geek-Kultur werde schließlich langsam zum Teil des Mainstreams meint Steve Patrizia zur Imgur-Zielgruppe: „Das sind nicht unbedingt Leute, die auf Sport, Golf oder Boote stehen. Das sind Menschen, die Videospiele, Wissenschaft, Technologie, Filme und die Internetkultur lieben.“ Und die erreicht man nunmal am besten bei der Meme-Maschine Imgur.

Meme Marketing
MG
Autor*In
Martin Gardt

Martin kümmert sich vor allem um neue Artikel für OMR.com und den Social-Media-Auftritt. Nach dem Studium der Kommunikations- und Medienwissenschaft ging er zur Axel Springer Akademie, der Journalistenschule des Axel Springer Verlags. Danach arbeitete er bei der COMPUTER BILD mit Fokus auf News aus der digitalen Welt und Start-ups. Am Wochenende findet Ihr ihn auf der Gegengerade im Millerntor.

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