JingleBe: Darum hat Fynn Kliemann einen NFT-Jingle für Elon Musks Marslandung komponiert

Der Allround-Creator springt auf den NFT-Hype und versteigert neben "Welcome to Mars" noch weitere 99 Sound-Schnipsel. Was erhofft er sich davon?

Teaser JingleBe

Alle reden gerade von NFTs. Fynn Kliemann macht, was er immer tut: Er probiert die Sache aus. Der DIY-Creator hat 100 einzigartige Jingles produziert. Am Wochenende werden sie über die NFT-Plattform Rarible versteigert. Mit OMR hat Kliemann darüber gesprochen, warum er sich das Experiment eine fünfstellige Summe kosten lässt, wieso sein Erzfeind mitbietet und warum sich auch Marketer für NFTs interessieren sollten.

 

Der Köder für Elon Musk ist ausgelegt. „Welcome to Mars“ heißt die 33 Sekunden lange Hymne, die auch aus einem C64-Jump’n’run stammen könnte und zu der man sich gut vorstellen kann, wie der SpaceX-CEO die Leiter seines Raumschiffs hinab schreitet, um als erster Menschen den Planeten zu betreten. Jetzt muss Kliemann nur noch einen Weg finden, Musk anzuhauen, damit der den Jingle auch kauft. Sollte ihm irgendwie gelingen. Denn Musk liebt Memes, sitzt auf einem Berg Kryptowährung, ein NFT mit persönlicher Mars-Hymne ist quasi ein Must-buy.  

Doch auch ohne Musk stehen die Chancen gut, dass Kliemann seine Produktionskosten von rund 20.000 Euro wieder einspielt. Denn NFTs sind gerade ein extrem heißes Thema. Wir hatten bereits über den Hype um digitale Sammelkarten geschrieben; täglich wird irgendwo ein neuer Auktionsrekord vermeldet. Ein Werk des Künstlers Beeple, dessen Bilder mittlerweile für Millionenbeträge gehandelt werden, wird gerade vom altehrwürdigen Auktionshaus Christie’s versteigert. Die Kolleg*innen von Finance FFW liefern hier einen aktuellen Zwischenstand des Krypto-Kunst-Craze.  

Millionen mit Wiederverkäufen verdienen

Dabei sind NFTs – unter anderem – angetreten, die bisherigen Verwertungsstrukturen von Kunst zu ersetzen. Denn durch die Verknüpfung von Bildern, Musik oder Texten mit der Blockchain lässt sich nicht nur deren Echtheit belegen, sondern über Smart Contracts auch festlegen, wer von Nutzung und Weiterverkauf finanziell profitiert. Wer einen von Kliemanns Jingles ersteigert, besitzt diesen zwar als exklusives Eigentum, allerdings gehen bei jedem Weiterverkauf zehn Prozent des Preises an Kliemann. Für etablierte NFT-Künstler ist so eine extrem gute Einnahmequelle entstanden. Werke von Beeple wurden vor wenigen Monaten noch für fünfstellige Beträge verkauft, werden inzwischen aber für das Hundertfache gehandelt.

Mit JingleBe will Creator und Unternehmer Fynn Kliemann das Thema NFT für das Musikbiz ins Spotlight zerren

Mit JingleBe will Creator und Unternehmer Fynn Kliemann das Thema NFT für das Musikbiz ins Spotlight rücken

Kliemann spekuliert jedoch nicht darauf, dass Musik zum Sammelobjekt werden wird. Das Beispiel des Albums Wu-Tan-Clan-Albums „Once Upon a Time In Shaolin“, von dem nur ein physisches Exemplar produziert wurde, dass sich ausgerechnet Martin Shkreli sicherte, ein mehr als umstrittener und inzwischen inhaftierter Geschäftsmann, habe gezeigt, dass dies keine gute Idee sei. „Musik soll allen gehören“, sagt Kliemann. „Wenn es nicht gerade deine Mutter oder deine Freundin ist, finde ich es verkehrt, Musik für eine einzige Person zu erstellen.“

„Faktisch sind das 100 fertige Werbejingles“

Bei seinen Jingles hingegen, die ihren Ursprung in Kliemanns Faible haben, das Leben seiner Freundin Franzi mit kleinen Sound-Schnipseln zu vertonen, gehe es um individuelle Melodien, die exakt zu einer Person passen könnten. Und die sollen ihr dann auch gehören können. Siehe Musk-Hymne oder Tracks wie „Netflix and Chill“ oder vielleicht auch „Nuke the Fridge“. Allerdings hätten seine Jingles durchaus einen realen Gegenwert, sagt Kliemann. „Faktisch sind das 100 fertige Werbejingles.“ Je nach Kunde könnte er die sonst für 1.000 bis 50.000 Euro verkaufen. „Da steckt schon echter Wert in diesen NFTs.“

Das muss auch jemand bei Universal Music gesehen und auf eigene Weise interpretiert haben. Nur Minuten, nachdem Kliemann seine NFTs auf Rarible live gestellt hatte, bot ein Account, der augenscheinlich dem Musik-Konzern gehört, auf sämtliche Jingles 0,1 Eher (ca. 130 Euro). „Das ist voll witzig, weil ich mich immer gegen die Major auflehne“, sagt Kliemann. Im – unwahrscheinlichen – Fall, dass keine weiteren Gebote eingehen würden, könnte das nämlich bedeuten, dass einer der größten Player der Musikindustrie am Ende die Rechte an bis zu 100 Songs von Fynn Kliemann hätte. Die könnte er dann beispielsweise gesammelt veröffentlichen. „Und ich hätte dann 3.000 Euro draufgezahlt, dafür dass Universal mein Album rausbringt.“ 

„Das ist Direct-to-Consumer at it’s best“

Es ist sehr unwahrscheinlich, dass es dazu kommt. Denn auch wenn die Auktion erst am Freitagabend losgeht, können bereits Gebote abgegeben werden und Universal wurde bei mehreren Tracks bereits überboten. Der PR-Coup des Major-Labels, wenn das Unternehmen wirklich hinter dem Account steckt, zeigt aber das Interesse an dem Thema bei einem Player, der sein Geld mit Mainstream-Kultur macht. Und wenn es aus Sorge ist, dass hier gerade etwas entsteht, dass sein eh schon ramponiertes Businessmodell in Zeiten der Creator-Economy durch die Blockchain komplett abgeräumt wird. 

Tatsächlich hätten viele seiner Musiker-Freunde ihn schon angehauen, sagt Kliemann. „Musik und NFTs werden ein großes Thema. Die Frage ist noch wie.“ Die absolute Limitierung sei zumindest nicht die Lösung. Auch wenn dem DJ und EDM-Musiker Justin Blau aka 3LAU3 gerade unter anderem mit exklusiven Tracks für die Käufer der aktuell umsatzstärkste NFT-Verkauf aller Zeiten (was, wie gerade erwähnt, nichts bedeuten muss) gelungen ist. Noch sei die Technologie – das hat er durch JingleBe gelernt – recht „bumpy“, sagt Kliemann. „Aber wenn das leicht funktioniert und der Einstig ein bisschen verständlicher wäre, dann könnten alle Leute total einfach, extrem gewinnbringend Mukke verkaufen. Auf einem noch klareren Distributionsweg – das ist Direct-to-Consumer at it’s best.“

Nur ein paar der exakt 100 Jingles die Kliemann im Rahmen seines Projekts JingleBe versteigert

Nur ein paar der exakt 100 Jingles die Kliemann im Rahmen seines Projekts JingleBe versteigert

Kliemanns Überlegungen gehen eher in die Richtung, die Musik selbst nicht zu verknappen, sondern – ähnlich wie beim Crowdfunding – um besondere Perks zu ergänzen. Die NFT-Token dienen dann dazu, das Anrecht auf diese Add-ons zu erwerben. Diesen Ansatz verfolgen auch Kings of Leon mit ihrem gerade angekündigten Release des ersten NFT-Albums einer bekannten Band. Neben einem Download-Link zum Album erwerben die Kunden hier limitierte Pressungen auf Vinyl oder besondere Plätze bei Konzerten.

„Fast wie früher bei Myspace“

Wobei die wirklich spannenden Anwendungen für NFT eher im Digitalen liegen. Fynn Kliemann stellt sich etwa vor, dass Fans eines Tages die Möglichkeit bekommen, Anteile an Liedern oder auch einzelne Lieblingsstellen zu erwerben, die sie dann wie einst – „fast wie früher bei Myspace“ – in einem einsehbaren Profil sammeln. „Wie jemand, der früher sein CD-Regal ausgestellt hat“, sagt Kliemann.

Tatsächlich hängt der wirkliche Durchbruch von NFTs als Eigentum, mit dem man online flexen kann, am Mangel an massentauglichen sozialen Plattformen. Wobei erste Marken das Metaverse als virtuellen Ort, um ihre Brands zu platzieren, längt entdeckt haben. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis beides zusammenfindet und Unternehmen dort digitale Produkte verkaufen werden.  

Colt umschnallen und loslaufen

Doch auch mit NFT-Collectibles könnten Firmen viel Geld verdienen. „Wenn Supreme große limited Pieces als Sammelkarte minten würde, die würden sich verkaufen wie Sch***“, sagt Kliemann. Wer eine große Marke habe, können im Moment alles verkaufen. „Aber das ist natürlich jetzt nicht besonders spannend.“ Kliemann wartet auf smartere – und vor allem mutigere – Ideen. Und Ansätze gäbe es. „Brandbuilding funktioniert heute viel über Mitbestimmung und Community Management“, sagt Kliemann. Es habe darum immenses Potenzial, wenn man die Fans und Follower einer Marke nicht nur befragt, sondern aktiv einbindet und auf vollkommen neue Art intensiviert. Dafür seien NFT perfekt, weil sie es ermöglichen, Kunden zu Mitbesitzern zu machen, die auch finanziell profitieren.  

Wobei darin viel Theorie steckt. Vor allem in einem Land, so Kliemann, in dem Künstler ihre Urheberrechte nicht abtreten können, es sehr hohe Ansprüche an Datenschutz gebe und der Steuerberater „schon im Strahl kotzt, wenn du irgendwo einen Bitcoin rumliegen hast.“ Darum hat er seinen Steuerberater auch nicht um Rat gefragt, ehe er mit JingleBe ins NFT-Game eingestiegen ist. „Das ist gerade alles Wilder Westen“, sagt Kliemann. „Du musst dir einen Colt umschnallen und loslaufen.“

Der Vorreiter und seine Nachahmer

Dabei wäre es nicht das erste Mal, dass der Creator – um im Bild zu bleiben – einem radikal neuen Ansatz den Weg frei schießt. „Bis jetzt war es erstaunlicherweise sehr oft so, dass die Sachen, die ich mir ausgedacht habe, Branchen durchgepustet haben“, sagt er selbst. Etwa sein Ansatz, sein Musikalbum komplett ohne Label per Crowdfunding zu finanzieren, alleine zu produzieren und selbst zu promoten. Das würden mittlerweile viele Musiker adaptieren: physische Sachen darüber zu verkaufen, dass sie limitiert und auf Vorbestellung produziert werden. Er kann sich gut vorstellen, dass dies mit seinem NFT-Projekt ähnlich laufen könnte, sollte er Erfolg haben. Denn, sagt Kliemann, „das kopiert natürlich keiner, wenn sich das zwar schön angehört hat, ich aber damit auf die Fresse gefallen bin.“

Also stellt er sicher, dass sein Projekt nicht eines von Tausenden ist, die bei Rarible und vergleichbaren Anbietern gerade live gehen. Er habe ein Pitchdeck erstellt und den persönlichen Kontakt zu Betreibern gesucht. Ähnlich wie damals, als er Spotify davon überzeugen konnte, sein Debüt-Album zu featuren. „Mukke hochladen kann jeder“, sagt Kliemann, „aber wenn du wirklich erfolgreich werden willst, musst du in die Playlisten kommen.“ Also hat er Rarible erklärt, wie viel die Plattform auf dem deutschen Markt gewinnen kann, wenn dieser Creator sie pusht. Mit Erfolg: Die Plattform gewährt ihm ein Feature auf der Startseite. 

Aufklärungsarbeit bei Instagram

Wobei Kliemann nicht an den ganz großen Coup glauben mag. Er selbst habe eine Krypto-Gruppe bei WhatsApp. Darin seinen 50 Leute, die gerade mal so verstehen würden, wie das ganze NFT-Spiel läuft. Bei Instagram hat er 712.000 Abonnenten. „Aber da kann ich das posten wie ich will. Es ist mehr Aufklärungsarbeit, als dass ich hoffe, dass irgendwer da rübergeht und was drauf bietet.“ Mal schauen. Das Gebot für Jingle #1 liegt etwas mehr als einen Tag vor dem offiziellen Start der 48-Stunden-Aukton bereits bei knapp 470 Dollar. Der Name des Titels: „always hungry“.

Fynn KliemannKreativitätMusik-MarketingTech
Christian Cohrs
Autor*In
Christian Cohrs

Editor & Content Strategist bei OMR und Host des FUTURE MOVES-Podcasts. Zuvor war er Redaktionsleiter des Wirtschaftsmagazins Business Punk in Berlin, Co-Autor des Sachbuchs "Generation Selfie".

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