Hype um die Creator Economy – die nächste Evolutionsstufe nach dem Influencer Marketing?

US-VCs spekulieren, dass rund um Creator und ihre Unternehmungen eine milliardenschwere Industrie entsteht

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Führende digitale Creator (von links): Kylie Jenner, Jimmy Donaldson alias "MrBeast" und Pamela Reif

Ein Youtuber, der über Nacht eine Restaurantkette mit 300 Niederlassungen eröffnet. Eine Geschichtsprofessorin, die mit einem kostenpflichtigen politischen Newsletter mehr als eine Million US-Dollar im Jahr einnimmt. Ein Reality-TV-/Instagram-Starlet, das seine Kosmetikmarke für 340 Millionen US-Dollar verkauft. Einige der führenden Content Creator im Netz sind heute weit mehr als nur Influencer, die im Rahmen einer Influencer Kooperation Produkte Dritter in die Kamera halten, sondern sind selbst zu Gründern, Unternehmern und Markeninhabern avanciert. OMR erklärt, warum in der US-Tech- und -VC-Szene aktuell ein großer Hype um die „Creator Economy“ herrscht und was die Entwicklung für digitale Wertschöpfungsketten sowie das Marketing bedeutet.

„Ich habe gerade landesweit 300 Restaurants eröffnet“, schreibt MrBeast am 19. Dezember 2020 auf Twitter. „Geht einfach in die von Euch bevorzugte Liefer-App und bestellt einen MrBeast Burger!“ Der 22-Jährige (bürgerlich Jimmy Donaldson) ist einer der größten Youtuber der Welt; von der Plattform selbst ist er gerade zum „Creator of the Year“ gekürt worden. 9,2 Milliarden Views und 54 Millionen Abonnenten hat Donaldson auf seinem Kanal vorzuweisen (wie er diese Reichweite aufgebaut hat, haben wir schon einmal an dieser Stelle untersucht).

„Planet Hollywood“-Erfinder hilft beim Business-Aufbau

Diese Community ermöglicht es MrBeast, quasi über Nacht seine eigene Restaurantkette „MrBeast Burger“ vom Fleck weg mit 300 Standorten zu eröffnen – an jenen Orten, an denen sein Kanal die höchste „Watchtime“ verzeichnet, wie MrBeast-Manager Reed Duchscher in einem Interview erklärt. Duchscher und sein Protegé kooperieren dabei mit „Virtual Dining Concepts“, einer Tochterfirma von Earl Enterprise. Hinter dem Unternehmen steht Robert Earl, Erfinder der Restaurantkette „Planet Hollywood“.

MrBeast Burger ist dabei äußerst schlank aufgestellt: Auf der Speisekarte sind lediglich sechs Sandwiches, zwei Arten Fritten, Getränke und einen Chocolate-Chip-Cookie im Angebot. Die Restaurants (MrBeast Burger werden in bereits existierenden Restaurants zubereitet) liefern nur aus; die Bestellung läuft über die vier größten Liefer-Apps der USA (Doordash, Grubhub, Postmates und Uber Eats) sowie eine dezidierte „MrBeast Burger“-App.

Werbevideo sammelt 33 Millionen organische Views in zwei Wochen

Wegen seiner massiven Eigenreichweite muss Jimmy Donaldson keinerlei bezahlte Werbung schalten, um seine landesweite Restaurantkette zu promoten. Das Launch-Video im eigenen Youtube-Kanal, in dem zu sehen ist, wie er in einem für einen Tag eröffneten Drive-Through-Restaurant an die Besucher Burger und Geldbündel kostenlos verteilt, schießt gleich am Veröffentlichungstag auf Platz 1 der Youtube Trending Charts; innerhalb der ersten zwei Wochen wird es 33 Millionen Mal abgerufen. Auch die MrBeast-Burger-App landet in den US-App-Stores auf Platz eins.

Am 20. Februar vermeldet Jimmy Donaldson auf Twitter, dass MrBeast Burger in weniger als zwei Monaten mehr als eine Million Burger & Sandwiches verkauft habe. Geht man auf Basis der Speisekarte von einem durchschnittlichen Preis sechs US-Dollar pro Sandwich aus, hätte die Lieferkette also alleine mit Burgern jetzt bereits sechs Millionen US-Dollar eingenommen – die Einnahmen aus dem Verkauf von weiteren Artikeln noch nicht mit eingerechnet.

„Creator haben eine enorme Power“

„Ich hoffe, dass den großen Creatorn, die das gesehen haben, klar wird, wie viel Kraft sie haben“, sagt MrBeast-Manager Reed Duchscher in einer Folge des Podcasts „Creator Economics“ im Gespräch mit Blake Robbins von Ludlow Ventures. Er und Donaldson würden auch andere Content Creator dazu inspirieren wollen, noch stärker unternehmerisch tätig zu werden, so Duchscher. „Die Creator wissen selbst noch nicht alle, was sie alles tun können und welche Art von Unternehmen sie schaffen können.“

In Duschchers Statement hallt die Euphorie wider, die im Hinblick auf alles, was mit der so genannten „Creator Economy“ zu tun hat, seit einigen Monaten wie eine Welle durch die Szene der VCs sowie der Medien- und Marketingmacher in den USA rollt. Losgetreten wurde diese im Oktober 2019 von der US-Investorin Li Jin, damals noch in den Diensten des renommierten VC-Fonds Andreessen Horowitz. Auf dessen Website veröffentlichte die heute 30-Jährige damals den Essay „The Passion Economy and the Future of Work“.

Eine Million US-Dollar pro Jahr mit einem Newsletter

„User können heute ein riesiges Publikum aufbauen und mit ihrer Leidenschaft ihren Lebensunterhalt verdienen – egal ob diese darin besteht, Videospiele zu spielen oder Videoinhalte zu produzieren“, so Jin in dem viel beachteteten Text. „Das hat enorme Implikationen für das Unternehmertum sowie dafür, was wir in Zukunft als ‚Job‘ betrachten.“ Neue digitale Plattformen würden es den Menschen möglich machen, ihren Lebensunterhalt auf eine Weise zu verdienen, die ihre Individualität hervorhebt – nicht nivelliert. Die Passion Economy bilde damit ein Gegengewicht zur „Gig Economy“ – der Uber-isierung der Wirtschaft.

Jin leitet ihren Text mit beeindruckenden Beispielen ein: Der bestverdienende Autor auf Substack, einer Plattform, auf der Autoren kostenpflichtige Newsletter anbieten können und bei der Andreessen Horowitz Lead-Investor ist, nehme jährlich mehr als eine halbe Million US-Dollar mit bezahlten Newsletter-Abos ein (mittlerweile setzt die in der Zwischenzeit zur Substack-Top-Autorin aufgestiegene Heather Cox Richardson hochgerechnet wohl mehr als eine Million US-Dollar pro Jahr auf der Plattform um). Die Top Creator auf der Online-Videokurs-Plattform Podia nähmen mehr als 100.000 US-Dollar im Monat ein. Und Lehrer, die auf Plattformen wie Outschool und Juni Learning unterrichteten, könnten damit mehrere Tausend US-Dollar im Monat verdienen.

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Roland Eisenbrand
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Roland Eisenbrand

Roland ist seit mehr als zehn Jahren als Journalist in der Digitalbranche aktiv. Seit 2014 verantwortet er als Head of Content (und zweiter Mitarbeiter) alle inhaltlichen Komponenten von OMR, darunter vor allem den OMR Blog und redaktionelle Arbeit rund um das OMR Festival.

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