Diese Wellness-Getränke-Marke verkauft teure Drinks ausschließlich per SMS

Martin Gardt2.8.2018

Durch Instagram, eine Vogue-Partnerschaft und ein neuartiges Retail-Modell verkauft "Dirty Lemon" Limonade für 10 Dollar die Flasche

Dirty Lemon Aufmacher
Die Dirty-Lemon-Zielgruppe mit der Limonade (Quelle: Sticks and Stones Agency)
Inhalt
  1. Bestellen beim Bot
  2. Datenhoheit ist Trumpf
  3. Das geplante Insta-Produkt
  4. Die Vogue und Promis kommen

Über 100.000 Kunden sollen bereits regelmäßig die Limonade von Dirty Lemon bestellen. Das wäre selbst für eine kleine Getränkemarke noch nicht der ganz große Wurf. Aber wie die Leute an die Brause kommen, ist außergewöhnlich: 90 Prozent der Bestellungen landen über SMS-Nachrichten direkt beim Unternehmen. Was Dirty Lemon mit den Daten der Kunden macht, warum es die Wellness-Drinks für zehn Dollar in keinem Supermarkt gibt und wie große Stars beim Branding über Instagram helfen, lest Ihr hier.

„Als wir Dirty Lemon gegründet haben, hatten wir ein simples Ziel: Ein gesundes Getränke-Angebot mit einer neuartigen Distributionsstrategie zu verbinden. Und das in einer Branche, die es nicht mehr schafft, eine Verbindung zu modernen Konsumenten aufzubauen“, sagt Dirty-Lemon-Gründerin Sommer Carroll gegenüber Forbes. Sie und Zak Normandin gründen das Unternehmen 2015 in Brooklyn. Mittlerweile verkauft Dirty Lemon acht verschiedene Wellness-Limonaden an nach eigenen Angaben über 100.000 Kunden auf der ganzen Welt. Dabei reitet das Unternehmen auf der Trendwelle rund um Detox-Getränke (Teesorten sind da ganz vorn dabei). Die Sorten heißen unter anderem Ginseng, Sleep, Rose oder Collagen.

Bestellen beim Bot

Dirty Lemon Bestellung

Eine Beispiel-Bestellung per SMS

Die hochwertig gestylten Flaschen kosten im 6er-Pack 65 US-Dollar, also mehr als zehn Dollar die Flasche. Um das von Kunden verlangen zu können, reicht es aber nicht, die Verpackung schön zu gestalten und etwas von Detox zu erzählen. Die Gründer setzen auf den Luxus-Eindruck durch eine gewisse Exklusivität und Branding. Der Schein von Luxus und dem Kundengefühl, dass man ganz anders behandelt wird, ergibt sich durch den außergewöhnlichen Retail-Ansatz. „Wir benutzen SMS als die grundlegende Plattform, um unser Produkt zu verkaufen“, sagt Co-Gründer Normandin. „Wir haben dahinter eine Technologie gebaut, die es den Kunden erlaubt, jederzeit Fragen zu stellen und Bestellungen abzugeben.“ Pro Monat würden so Zehntausende Fragen beantwortet, was die Brand eher als Partner auf Augenhöhe erscheinen lasse.

Brands, die ohne Zwischenhändler an ihre Kunden verkaufen, liegen derzeit im Trend. Der Rasier-Abo-Service Dollar Shave Club wurde schon 2016 für etwa eine Milliarde US-Dollar von Unilever gekauft. Das Brillen-Startup Warby Parker wird mit 1,75 Milliarden US-Dollar bewertet. Wie diese Unternehmen behält Dirty Lemon ohne den Umweg über Zwischenhändler einen größeren Teil der Marge. 

Datenhoheit ist Trumpf

Statt die Flaschen also in die Supermärkte dieser Welt zu stellen und beim aufgerufenen Preis vielleicht auch krachend zu scheitern, müssen Erstbesteller erstmal auf der Webseite von Dirty Lemon vorbei schauen. Dort wählt der Kunde wie in jedem Online-Shop die gewünschten Produkte aus und legt sie in den Warenkorb. Um jetzt aber eine Bestellung durchzuführen, wird die Telefonnummer verlangt. Ist die angegeben, muss die Nummer über einen SMS-Code bestätigt werden, danach wartet die Adresseingabe und die Hinterlegung der Zahlungsmethode. Ab jetzt kann der Kunde jederzeit per SMS seine Bestellung abgeben. Diese wird dann nur noch bestätigt, weil alle Daten hinterlegt sind.

Dirty Lemon Bot

Auf Nachfrage antwortet der Bot

Gründer Zak Normandin erzählt in einem MSNBC-Beitrag, dass durch Daten die Fragen der Nutzer ganz direkt vom Bot beantwortet werden können. Fragt der Kunde etwa nach dem Status seiner Bestellung per SMS, weiß der Bot direkt die Antwort, ohne weitere Fragen zu stellen. Aber auch für das Marketing der Brand ist der Kanal und die Datenhoheit nützlich. Zur Einführung der neuen Geschmacksrichtung „Rose“ richteten die Gründer einen Pop-Up-Store voller Rosen in New York ein. Die mehr als 20.000 Kunden aus New York wurden per SMS eingeladen, vorbeizuschauen und den neuen Geschmack zu probieren. „Das ist eine clevere Art, neue Produkte zu testen, bevor wir sie national ausrollen“, sagt Gründer Normandin.

Dirty Lemon Rosenraum

Zur Einführung einer neuen Geschmacksrichtung wurde ein Rosenraum gestaltet

Im Mai 2018 sorgte Dirty Lemon für Aufsehen, als es die beliebte Wetter-App Poncho übernahm. Die App hatte Nutzern zu einer gewünschten Zeit per E-Mail oder SMS aktuelle Wetter-Aussichten geschickt. Direkt danach wurde die App eingestellt und das Entwickler-Team bei Dirty Lemon integriert. „Die Partnerschaft bringt unsere Vision von einer unkomplizierten Konversations-Plattform weiter voran“, so Normandin.

Das geplante Insta-Produkt

„Jeder Kunde wurde bisher über Social Media und Word-Of-Mouth akquiriert. Sie sprechen über uns und – noch wichtiger – sie bestellen immer wieder“, sagt Normandin. „Als wir die Verpackung von Dirty Lemon gestaltet haben, ging es nur darum, wie das Produkt in einem Foto aussehen würde.“ Folgerichtig findet das digitale Marketing des Unternehmens vor allem auf Instagram statt. Der Kanal von Dirty Lemon hat auf der Plattform über 100.000 Abonnenten und mischt clever Brand-Inhalte mit Memes. Das Ziel sei es, so eine gut verdienende vor allem weibliche Zielgruppe zwischen 25 und 50 Jahren zu erreichen, so die Gründer.

In vielen Instagram-Beiträgen sind weibliche Influencer mit einer Dirty-Lemon-Flasche zu sehen. Offenbar setzt das Unternehmen hier auf Instagrammer, die noch nicht zu den ganz großen Zählen, deren Accounts oft zwischen 15.000 und 25.000 Follower haben. Dazwischen finden sich immer wieder witzige Posts über Ben Affleck, Fotos aus TV-Shows und Bilder aus den 90ern. Einige der Posts kommen auf über 3.000 Likes, andere verhungern bei 400. Insgesamt scheint die Mischung des Contents bei der Zielgruppe aber anzukommen. Hinzu kommen „instagrammbare“ Aktionen wie der mit Rosen geschmückte Pop-Up-Store oder eine Bar namens „Drug Store“, in der nur Dirty Lemon serviert wird. Tausende Fotos seien nach den Aktionen auf Instagram aufgetaucht. „Es reicht nicht, einfach ein Produkt zu haben, was in den Regalen gut aussieht. Die Zukunft des Handels ist, dass Brands eine größere Kontrolle darüber gewinnen, wie sie dem Konsumenten präsentiert werden“, sagt Normandin. „Wenn wir Geld für Kundenaktivierung ausgeben, sehen wir dank der Ein-Kanal-Distribution direkt den ROI (Return On Invest). Das ist schwierig, wenn du deine Produkte auch noch im Supermarkt verkaufst.“

Drug Store Dirty Lemon

Der Drug Store von Dirty Lemon in New York

Die Vogue und Promis kommen

„Normale“ Influencer reichen dem Unternehmen offenbar schon lange nicht mehr. Zu den Fans der Limonade gehören unter anderem die Schauspielerinnen Kate Hudson, Mindy Kaling oder Model Karlie Kloss. Anfang 2018 startete dann noch eine öffentlichkeitswirksame Aktion: Eine Limonaden-Kollektion in Zusammenarbeit mit der Vogue. Zur Präsentation sang US-Sängerin Cardi B, pinke und goldene Glitterflaschen gab’s zum Start. Aktuell können Kunden eine komplett schwarze Vogue-Limo kaufen. „Vogue war der richtige Partner für uns, weil Dirty Lemon als Brand nah dran ist an der Fashion-Industrie. Wenn du dein Haus verlässt, schnappst du dir Schlüssel, Tasche und eine Flasche Dirty Lemon, weil das etwas darüber aussagt, wer du bist“, sagt Gründer Normandin.

Vogue Dirty Lemon

Die Vogue-Flaschen von Dirty Lemon

Als nächstes stehe die Entwicklung weiterer Getränke auch in anderen Kategorien an. Das Team entwickle ein Sprudelwasser und verschiedene alkoholische Produkte. Darüber hinaus sei der Start in Großbritannien geplant, bisher können nur Kunden in den USA und Kanada problemlos über SMS bestellen. Wer aus Deutschland an das Getränk kommen will, muss per E-Mail anfragen. Damit es mit der Skalierung weiter klappt, scheint das Unternehmen aber auch nicht mehr nur auf Word-Of-Mouth und Social Media zu setzen. Auch auf amazon.com hat Dirty Lemon mittlerweile einen eigenen Brand-Shop gestartet.

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Autor*In
Martin Gardt

Martin kümmert sich vor allem um neue Artikel für OMR.com und den Social-Media-Auftritt. Nach dem Studium der Kommunikations- und Medienwissenschaft ging er zur Axel Springer Akademie, der Journalistenschule des Axel Springer Verlags. Danach arbeitete er bei der COMPUTER BILD mit Fokus auf News aus der digitalen Welt und Start-ups. Am Wochenende findet Ihr ihn auf der Gegengerade im Millerntor.

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