Dieses Tool speichert und katalogisiert alle Banner, die Dir eingeblendet werden

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Die Browser-Erweiterung Floodwatch soll die Datenerhebung und Personalisierung von Werbung im Internet sichtbar machen

floodwatch Sind es 500 oder doch 5.000? Die Schätzungen dazu, wie vielen Werbebotschaften ein Verbraucher pro Tag durchschnittlich ausgesetzt ist, variieren stark; eine fundierte Zahl gibt es bisher nicht. Zumindest wie viel Werbung er im Internet sieht, kann nun jeder User selbst ermitteln: mit der Browser-Erweiterung Floodwatch. Das Tool untersucht jede aufgerufene Website auf Werbemittel und speichert diese in einem persönlichen Profil. Die Floodwatch-Entwickler wollen auf diese Weise die weltgrößte Datenbank für Online-Werbung erstellen – zu Aufklärungs- und Forschungszwecken. „Die Werbeindustrie kann zurzeit alle Informationen von Ihnen sammeln, die sie will, und ihre Marketing-Strategien entsprechend daraufhin zuschneiden“ heißt es auf der Floodwatch-Website. „Wir wollen die Kontrolle über unsere Daten zurückgewinnen und überwachende Werbung bekämpfen.“

Hinter der Entwicklung von Floodwatch steht das „Office for Creative Research“, eine „multidisziplinäre Forschungsgruppe“ bestehend aus Professoren und Künstlern, die neue Formen der Auseinandersetzung mit Daten erforschen will und vor allem im Bereich der Visualisierung von Daten tätig ist. Arbeiten des OCR und seiner Mitglieder waren bereits im New Yorker Museum of Modern Art, der „New York Times“ und dem „Guardian“ zu besichtigen.

„Einen Eindruck davon bekommen, was die Werbetreibenden wissen“

Jer Thorp

Jer Thorp

Floodwatch, das neuste Projekt der Gruppe, wurde von der Henry Ford Stiftung finanziert. Die Browser-Erweiterung, zurzeit nur für Google Chrome erhältlich, registriert den Aufruf von Werbebannern und zeigt diese dem Nutzer in einer Art Raster an. Durch Anklicken sollen die User erfahren, wann und wo ihnen der Banner angezeigt wurde. „Ich bin weder gegen Werbung im Allgemeinen, noch gegen zielgerichtete Werbung im Speziellen. Aber ich bin der Überzeugung, dass die Menschen sehen können sollen, welche Werbung ihnen ausgeliefert wird, damit sie einen Eindruck davon bekommen, was die Werbetreibenden über sie wissen“, sagte der Projektverantwortliche Jer Thorp gegenüber dem US-Magazin „Fast Company“.

Offenbar sind die Informationen, die die Werbetreibenden über Jed Thorp verfügen, eher lückenhaft. Der Entwickler zahlte zehn ihm unbekannten Personen jeweils fünf US-Dollar dafür, dass diese ein Personenprofil von ihm schreiben – auf Basis von 2.000 Bannern, die Floodwatch über seinen Browser gesammelt hatte. Das Ergebnis: Mal wurde er als 26-Jähriger aus Montreal in Kanada, mal als US-Pensionär eingeschätzt. Das Bild, das die Daten von ihm zeichnen, sei weniger ein Bild von ihm selbst als davon, was die Werbetreibenden von ihm wissen, schreibt Thorpe in einem Beitrag auf Medium.com. „Es ist eine Identität, die aus flüchtigen Eindrücken, lange vergangenen Aktionen und, was am ärgerlichsten ist, Raterei zusammengebastelt wurde.“

„Größte Datenbank der Welt über Online-Werbung“

Thorpe und seine Mitstreiter sehen personalisiert ausgelieferte Online-Werbung als möglicherweise diskriminierend an. „Wenn die Werbetreibenden glauben, Sie seien eine Frau in den Dreißigern aus der oberen Mittelklasse, wird Ihnen möglicherweise Werbung für schicke Portmonnees, Windeln und Hochzeitskleider angezeigt. Männer aus niedrigeren Einkommensschichten bekommen demgegenüber vielleicht Anzeigen für Kredite, Großbildfernseher und Fast Food zu sehen.“ Das OCR will deswegen eine Datenbank aufbauen, die groß genug ist, um daran die Diskriminierungstheorie überprüfen zu können. Nutzer von Floodwatch können dafür die von ihnen gesammelten Daten an die Entwickler übermitteln – die Option muss jedoch von ihnen aktiviert werden. Die Daten würden niemals an Werbetreibende weitergegeben werden, heißt es von Seiten der Entwickler. Die Nutzung von Floodwatch sei auch ohne Übermittlung der Daten möglich, doch in einigen Fällen würden die Nutzer dann möglicherweise ein nicht ähnlich vollständiges Bild ihrer Daten erhalten – warum dies so ist, wird nicht erklärt. Auf der Floodwatch-Website ist bereits ein erstes interaktives Beispiel von einer Visualisierung der Daten zu begutachten: floodwatch_visualisierung Wie das Tool technisch funktioniert, erklärt das OCR nicht. Wir haben über Twitter Kontakt mit Jed Thorpe aufgenommen und um eine Erklärung der Funktionsweise gebeten – „Das ist eine große Frage“, antwortete Thorpe, ohne bislang auf Details einzugehen.

Wir haben Floodwatch ausprobiert. Nach zweistündiger Nutzung finde ich Banner für Autos und Smartphones, aber auch für den Discounter Lidl und die Bekleidungskette C&A in meinem „Floodwatch Grid“. Der Test hinterlässt aber auch den Eindruck, dass das Tool noch nicht alle Werbemittel erkennt und speichert. So wurden Wallpaper auf GMX und Spiegel Online nicht von Floodwatch registriert. Auch Adwords-Anzeigen speichert die Browser-Erweiterung offenbar nicht. Möglicherweise lag dies aber auch an der kurzen Testdauer. „Wenn Sie keine Werbung bei Floodwatch sehen können, versuchen Sie bitte einige Tage länger zu browsen“, empfehlen die Entwickler. 

Zu beachten ist zudem, dass sich Floodwatch aktuell in einem frühen Entwicklungsstadium, der „Alpha Phase“, befindet. Möglicherweise werden spätere Versionen ausgereifter sein. Auch wenn dies aus Sicht der Macher ironisch klingen mag: Für Online Marketer, die beispielsweise ihre Wettbewerber beobachten wollen, oder einen Banner, der ihnen im Netz begegnet ist, zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal anschauen wollen, könnte sich Floodwatch dann als nützliches Tool erweisen.

Roland Eisenbrand
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Roland Eisenbrand

Roland ist seit mehr als zehn Jahren als Journalist in der Digitalbranche aktiv. Seit 2014 verantwortet er als Head of Content (und zweiter Mitarbeiter) alle inhaltlichen Komponenten von OMR, darunter vor allem den OMR Blog und redaktionelle Arbeit rund um das OMR Festival.

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