5 Nischensport-Phänomene, die dank Social Media zu viralen Hits geworden sind

Diese fünf zum Teil skurrilen Sportarten finden kaum Verbreitung über klassische Wege. Doch via Social Media erzielen sie Millionen-Reichweiten

Teqball bahnt sich über Social Media den Weg in den Mainstream. (Foto: Teqball International)
Teqball bahnt sich über Social Media den Weg in den Mainstream. (Foto: Teqball International)

So, Turnbeutel vergessen war 2023 – nun kommt pünktlich zum Beginn des neuen Jahres der sportliche Startschuss für 2024. Als kleine Motivationshilfe haben wir dafür eine Auswahl an neuartigen und zum Teil amüsanten Sportarten zusammengetragen. Okay, zum Nachahmen sind sie teilweise vermutlich etwas zu speziell, aber dafür bewegen sie die digitalen Massen umso mehr.

World Chase Tag – Ticken für Fortgeschrittene

Starten wir mit einer lockeren Runde Fangen zum Aufwärmen. Lockere Runde Fangen? Nicht mit Christian und Damien Devaux. Die beiden Brüder bauen seit 2012 mit World Chase Tag (WCT) an einer professionellen Plattform für Fangen – oder besser gesagt: Ticken – als kompetitiven Sport. In einem zwölf mal zwölf Meter großen Spielfeld mit diversen Hindernissen jagen sich gegenseitig Athlet*innen aus dem Parkour, aus Ninja-Warrior-Disziplinen sowie Hollywood-Stuntmänner und -frauen. Action ist garantiert, denn auch die Uhr tickt: Nur 20 Sekunden haben die Fänger, um ihre Kontrahenten einzukassieren. Die Spielfläche des live-Sportevents vor Publikum ist so konzipiert, dass die durchschnittliche Fangquote bei rund 30 Prozent liegt.

Die Devaux-Brüder haben es tatsächlich geschafft, aus einem uralten Kinderspiel einen modernen und viralen Sportwettbewerb zu entwickeln. Eng verbunden mit der Erfolgsstory ist Cary Glotzer, CEO von Tupelo Honey. Das unter anderem NFL-erfahrene Medienunternehmen investiert 2020 zusammen mit seiner Muttergesellschaft Gray Television in World Chase Tag und übernimmt auch die Produktion des Sports. Es folgen TV-Verträge mit NBC und ESPN – das professionelle Fangspiel arbeitet sich zunehmend aus der Nische in den Mainstream.

Treiber der WCT-Wachstumsstory waren und sind zudem die Sozialen Medien. Auf Tiktok hat der Wettbewerb 1,5 Millionen Follower*innen. Die Videos erzielen zum Teil über 45 Millionen Views, der Account kommt auf über 30 Millionen Likes. Bei Youtube knacken die Videos von World Chase Tag teilweise sogar die 60-Millionen-Marke. WCT hat auf der Google-Plattform 1,36 Millionen Subscriber*innen und über 300 Millionen Videoaufrufe.

In diesem Sinne und um es in den Worten und getreu des Mottos von World Chase Tag zu sagen: "Keep Chasing and Don't Get Caught."

Teqball – mit Ronaldinho, Beckham & Co. über Nürnberg nach Olympia?

Man nehme Elemente aus dem Fußball, Tischtennis und Volleyball, mixe diese zusammen und fertig ist ein neuer Sporttrend, der um die Welt geht. So lautet die stark vereinfachte Erfolgsformel der Nischensportart Teqball, bei der im Einzel oder Doppel ein Fußball an einer gewölbten Platte mit maximal drei Ballberührungen auf die gegnerische Hälfte gespielt werden muss. Dabei dürfen alle Körperteile außer den Armen und Händen verwendet werden.

Der erst Anfang der 2010er in Ungarn entwickelte Sport hat sich unlängst in die Riege der selbsternannten "weltweit am schnellsten wachsenden Sportarten" eingereiht. Gespielt wird tatsächlich bereits rund um den Globus. Dem 2017 in Budapest gegründeten Weltverband Fédération Internationale de Teqball (FITEQ) gehören bereits über 150 nationale Föderationen an. 2023 ist Teqball sogar Teil der European Games in Krakau, mittel- bis langfristig träumen die Macher von der Aufnahme in den Katalog der Sportarten bei den Olympischen Spielen.

Nachdem die Teqball-Weltmeisterschaft 2022 noch in Nürnberg stattfindet, richtet FITEQ Ende 2023 seine sechste WM in Bangkok aus. Thailands Hauptstadt ist damit die erste Host City außerhalb Europas, das Event wird mit über 200 Athlet*innen aus 60 Nationen nach eigenen Angaben zum Rekordturnier. Über den Zeitraum vom 29. November bis 3. Dezember generieren die World Teqball Championships 752 Social-Media-Posts mit kumuliert 3,6 Millionen Interaktionen und einer Gesamtzahl von 180 Millionen Impressionen.

Teqball ist ein Sportphänomen der Neuzeit par excellence. Das Prinzip dabei ist äußerst simpel: Gelernte Elemente aus etablierten Sportarten werden zusammengemischt, das Spiel ist einfach zu verstehen, gleichermaßen kunstvoll, kurzweilig wie athletisch und damit bestens geeignet für Social Media und kommt zu guter Letzt über prominente Botschafter*innen aus dem Profisport explosionsartig zu Popularität.

Insbesondere Fußballstars wie Lionel Messi und Neymar Jr. rühren via Instagram & Co. die Werbetrommel, ebenso Ex-Profis von David Beckham bis Ronaldinho. Letzterer ist sogar bei der jüngsten WM in Bangkok mit von der Partie. Bei den Frauen brennt derweil die ehemalige US-Fußballnationalspielerin Carli Lloyd mit ihren 1,1 Millionen Follower*innen bei Instagram für Teqball.

Zur Bekanntheit von Teqball trägt auch bei, dass die drei ungarischen Co-Founder um den Ex-Profifußballer Gábor Borsányi flächendeckend Clubs mit einer Spielplatte ausstatten. Vereine von Paris Saint-Germain bis RB Leipzig nutzen Teqball als technikschulende Abwechslung im Trainingsbetrieb und kreieren beispielsweise über etwaige "Teqball Challenges" zudem Content-Pieces, die sie wiederum über ihre reichweitenstarken Kanäle an ihre Fans ausspielen.

Der Hype um Teqball ist real: Bei Tiktok kommen Videos mit dem Hashtag #teqball inzwischen auf über eine Milliarde Aufrufe, die mitunter auch Sponsoren-Logos bekannter Marken zu enormer Sichtbarkeit verhelfen. Bei der WM in Bangkok zählt etwa die Schokoriegelmarke Snickers aus dem Hause Mars zum Partnerportfolio, während bei einem Teqball-Turnier im chinesischen Qingdao im Sommer 2023 unübersehbar ein riesiges Warsteiner-Zelt ins Auge fällt. Die entsprechende Videosequenz zählt allein über 3,3 Millionen Views bei Tiktok sowie fast 2,9 Likes beim Instagram-Reel.

Für den privaten Gebrauch gibt es die Teqball-Platte übrigens auch im Design vieler Top-Fußballclubs. Sie ist allerdings alles andere als ein Schnäppchen: Die Version des FC Bayern München ist im Fanshop des deutschen Rekordmeisters für schlappe 1.999 Euro erhältlich.

Hobby Horsing – Steckenpferde halten Tiktok auf Trab

Was World Chase Tag und Teqball noch vor sich haben, hat Hobby Horsing schon längst geschafft: Der vergleichsweise junge Trendsport ist in den Köpfen von Millionen von Menschen weltweit präsent und schwappt von seinem Geburtsort Finnland immer mehr auch nach Deutschland herüber.

Ob in der Google-Suche, in diversen TV-Beiträgen – allein in der ARD-Mediathek finden sich über zehn verschiedene Sendungen aus dem Jahr 2023 zu dem aufkommenden Trendsport – oder in den sozialen Medien: Hobby Horsing boomt allenthalben. Bei Tiktok erzielen Videos mit dem entsprechenden Hashtag bereits über eine Milliarde Aufrufe.

Für alle, an denen der Trend vorbeigegangen sein sollte: Beim Hobby Horsing imitieren zumeist Kinder und Jugendliche Bewegungen aus dem Dressur- oder Springreiten mit einem Steckenpferd. Solche Steckenpferde kosten auch gern mal über 100 Euro, manche sogar bis zu 1.000 Euro.

Balloon World Cup – Corona als Initialzündung für Luftballon-WM

Jetzt wieder was mit Bällen – aber nicht mit irgendwelchen, sondern mit Luftballons. Das nächste virale Sportphänomen hat seinen Ursprung inmitten der Corona-Pandemie. Die US-amerikanischen Geschwister Antonio, Diego und Isabel Arredondo hechten auf spektakuläre Weise in ihrem Wohnzimmer einem Luftballon hinterher, um diesen in der Luft zu halten, beziehungsweise ihn für den jeweiligen Kontrahenten unerreichbar wegzuschlagen.

"Irgendwann fingen wir an, darüber zu streiten, ob der Ballon den Boden berührt hatte oder nicht. Also begannen wir, Videos in Zeitlupe aufzunehmen, um zu sehen, ob es wirklich so war. Das führte uns schließlich zu der Idee, dass wir diese Videos auch auf Tiktok posten könnten", wird Antonio Arredondo wenig später der Nachrichtenagentur Reuters erzählen. Denn: Die Luftballon-Battle der Arredondo-Geschwister gehen viral durch die Decke und erzielen bei Tiktok immer wieder Views in Millionenhöhe.

Von dem Hype bekommen auch der spanische Star-Streamer Ibai Llanos und sein Freund und Geschäftspartner Gerard Piqué Wind. Aus einem scherzhaft gemeinten Post bei X (damals: Twitter) wird wenig später Ernst: "Ich möchte die Rechte dafür kaufen und eine Weltmeisterschaft veranstalten", bringt Ibai Llanos den Stein ins Rollen. Piqués sinngemäße Antwort bei dem Kurznachrichtendienst: "50.000 Retweets und wir machen es am 14. Oktober." Es kam, wie es kommen musste: Im Oktober 2021 ist das spanische Tarragona Schauplatz des ersten Balloon World Cup, an dem 32 Teams mit "Luftballon-Athleten" aus aller Welt teilnehmen. Im Finale schlägt Francesco De La Cruz aus Chile den Deutschen Jan Spieß mit 6:2.

Bei Twitch verfolgen das Finale in der Spitze 600.000 Zuschauer*innen gleichzeitig, der Youtube-Stream von Ibai Llanos wurde bis heute über 2,5 Millionen Mal angesehen. Und Videos zum Hashtag #BalloonWorldCup zählen bei Tiktok mittlerweile über 82 Millionen Aufrufe.

Für Partner bietet der Balloon World Cup eine unkonventionelle Spielwiese im sportlichen Umfeld. Und so verwundert es nicht, dass in der von Glaswänden umrandeten Spielfläche namhafte Marken werben und sogar mit ihren Produkten stattfinden. Während die Hobbysportler*innen dem Luftballon hinterhereifern, müssen sie beispielsweise vorbei an einem Auto von Volkswagen, an einem von der Chipsmarke Doritos gebrandeten Spielautomaten und einer überdimensional großen Mentos-Rolle. Bei der zweiten – und bis dato letzten – Auflage des Balloon World Cup im Jahr 2022 sind Partner wie Cupra, G-Shock, Orbit, Pepsi Max und Samsung am Start. Es gibt schlechtere Sponsoren-Line-ups.

Battle Bots – die digitale Renaissance des Roboter-Wettkampfs

Wem das jetzt zum Jahresstart alles sportlich doch ein bisschen zu intensiv ist, für den gibt es zum Abschluss noch eine bewegungsarme, aber dennoch wettbewerbsorientierte und ziemlich virale Alternative.

Die Rede ist von Battle Bots. Dabei handelt es sich um Wettkämpfe, die die neueste Robotertechnik mit einer modernen Inszenierung von Sportevents kombinieren. Bei den Battle-Bots-Events treten die Bot-Erfinder mit ihren technischen Meisterwerken gegeneinander an, um die Maschine ihres Gegners lahmzulegen.

Das guckt sich doch niemand an?! Oh doch:

  • Der Hashtag #BattleBots kommt auf über drei Milliarden Aufrufe bei Tiktok. Einzelne Videos auf dem offiziellen Tiktok-Account erzielen zum Teil über 180 Millionen Views.
  • Der Youtube-Account von Battle Bots zählt 1,56 Millionen Subscriber*innen. Die dort veröffentlichten Videos wurden bereits über 268 Millionen Mal angesehen.
  • Bei Instagram (3,4 Millionen), Facebook (4,2 Millionen) und Tiktok (7,8 Millionen) kommt Battle Bots kumuliert auf über 15 Millionen Follower*innen.

Battle Bots ist übrigens alles andere als eine Erfindung der Neuzeit. Verschiedene Roboter-Wettkämpfe, die allesamt auf den im November 2023 verstorbenen Urvater Marc Thorpe zurückgehen, sind schon weit vor Tiktok, Instagram und Youtube populär. Ende der Neunzigerjahre als TV-Show gestartet, treten bei Battle Bots in den Anfangsjahren immer wieder namhafte Celebrities aus Serien wie Baywatch oder Sportwettbewerben wie der NFL (American Football) beispielsweise als Kommentator*innen in Erscheinung. Derweil tummeln sich unter den Bot-Erfindern im Laufe der Zeit bekannte Größen wie Michael Loren Mauldin (Gründer der Suchmaschine Lycos), Will Wright (Game-Designer von Sim City und The Sims) und der ehemalige NASA-Astronaut Dan Barry.

Dank einer smarten Aufbereitung mit kurzweiligem Bewegtbildcontent erleben die Roboter-Wettbewerbe von Battle Bots nun eine wahre Renaissance in den digitalen Medien.

SportbusinessTikTokYoutubeTeqballHobby HorsingBattle BotsWorld Chase TagBalloon World Cup
Henning Eberhardt
Autor*In
Henning Eberhardt

Henning ist bei OMR seit Anfang 2023 für Sport- und Gaming-Inhalte zuständig. Von 2010 bis 2019 pendelte er für den Sportbusiness-Verlag SPONSORs als Redakteur zwischen Fußballstadion und Formel-1-Rennstrecke. Anschließend wechselte der waschechte Insulaner zum Marketing-Medium absatzwirtschaft in die Handelsblatt-Gruppe.

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