MMA am Tipping-Point: Wird Frankfurt zum Gamechanger für den Kampfsport?

Volles Haus im Fußballstadion und eine Social-Media-Offensive könnten Mixed Martial Arts (MMA) in Deutschland endgültig zum Durchbruch verhelfen

MMA-Events im Fußballstadion: Oktagon will den Kampfsport auf die nächste Stufe heben. (Foto: Oktagon MMA)
MMA-Events im Fußballstadion: Oktagon will den Kampfsport auf die nächste Stufe heben. (Foto: Oktagon MMA)
Inhalt
  1. Kutcher, Zuckerberg, Macron
  2. MMA-Kämpfer als "Boxer der neuen Generation"
  3. Frankfurt wird eins der größten MMA-Events der Welt
  4. Tickets von 29 Euro bis 3.999 Euro
  5. Oktagon hofft auf Millionenpublikum durch RTL+
  6. Spannungsbogen bis zur Käfigtür
  7. Kooperation im Kampf um Aufmerksamkeit
  8. Hooligan-Szene und "Hells Angels": MMA-Szene kämpft auch um ihren Ruf
  9. Wettenanbieter zahlt Millionensumme
  10. UFC steht vor neuem Milliarden-Deal
  11. Schwarze Zahlen trotz Kosten in Millionenhöhe
  12. Bodycam, Apple Vision Pro, Coldplay
  13. Fußballstadion oder Festivalgelände

Mixed Martial Arts, kurz: MMA, kämpfen seit Jahren um einen festen Platz auf der deutschen Sportlandkarte. Derweil hat die Mischung aus Kickboxen, Muay Thai, Jiu-Jitsu, Ringen und Boxen auf globaler Ebene bereits Superstars wie Conor McGregor produziert. Doch während die UFC aus den USA heraus ein Milliardenbusiness rund um die Käfig-Kämpfer aufgebaut hat, konnte bisher keine MMA-Organisation den deutschen Markt knacken. Ein neuer Player will das nun ändern – mit einem spektakulären Event im Frankfurter Fußballstadion und Storytelling via Social Media.

Kutcher, Zuckerberg, Macron

Egal ob Hollywood-Star Ashton Kutcher und Meta-Boss Mark Zuckerberg mit der Youtube-Größe Lex Fridman in Brazilian Jiu Jitsu oder Frankreichs Präsident Emmanuel Macron beim Boxen – immer wieder geben in den vergangenen Jahren auch prominente Größen ihre Passion für den Kampfsport preis oder inszenieren sich in den Medien. Die gesamte Fighting-Szene gehört längst zu den weltweit am schnellsten wachsenden Sportarten.

2023 gipfelt der globale MMA-Aufwärtstrend in der Verschmelzung des Wrestling-Promoters WWE mit der UFC unter dem Dach der TKO Group Holdings. Die UFC wurde dabei mit 12,1 Milliarden US-Dollar bewertet. Ihr legendärer President Dana White hatte die 1993 gegründete Serie 2001 gemeinsam mit den Fertitta-Brüdern Lorenzo und Frank noch für läppische zwei Millionen US-Dollar übernommen.

MMA-Kämpfer als "Boxer der neuen Generation"

Für Pavol Neruda sind MMA-Kämpfer so etwas wie die Boxer der neuen Generation. Er sagt: "Sie inspirieren die Menschen zu Sportlichkeit, Durchhaltevermögen und dem Kampfgeist, der in jedem von uns steckt." Neruda ist Co-Founder von Oktagon MMA. Im Jahr 2016 gründet der Slowake die Kampfsportorganisation zusammen mit dem Tschechen Ondrej Novotny.

Inzwischen ist Oktagon MMA nach eigenen Angaben Europas größter MMA-Veranstalter mit Shows in Tschechien, der Slowakei und England. Seit knapp drei Jahren bearbeitet Oktagon auch den deutschen Markt. Das Gründerduo Neruda und Novotny hat ehrgeizige Ziele, die beiden wollen mit MMA "die deutsche Sportkultur nachhaltig prägen" und den Kampfsport endgültig aus der Nische in den Mainstream hieven – so wie es einst die UFC in den USA und in anderen Teilen der Welt geschafft hat, nur eben nicht im deutschen Markt.

Frankfurt wird eins der größten MMA-Events der Welt

In der Wachstumsstrategie von Oktagon MMA spielen zum einen zuschauerstarke und mit Entertainment aufgeladene Highlight-Events eine zentrale Rolle. In Deutschland füllt die Organisation in den vergangenen zweieinhalb Jahren mehrfach die Frankfurter Festhalle (Kapazität: 10.000 Fans), die Stuttgarter Hanns-Martin-Schleyer-Halle (15.000) und im vergangenen Jahr auch Deutschlands größte Indoor-Eventstätte, die Kölner Lanxess Arena mit rund 19.000 MMA-Anhänger*innen vor Ort. Nun folgt mit dem Gang in den Deutsche Bank Park, in dem normalerweise die Fußballprofis der Eintracht die Massen begeistern, das nächste Level. Wer wird "King of GerMMAny"? Diese Frage soll am 12. Oktober im Frankfurter Fußballstadion vor knapp 60.000 Zuschauer*innen beantwortet werden.

Für all das mitverantwortlich ist Philipp Masurat, der Deutschlandchef von Oktagon MMA. Als sich der 34-Jährige Mitte September zum Interview mit OMR trifft, sieht es so aus, als würde auch der gewaltige Schritt ins Fußballstadion zum Erfolg werden. Er sagt: "Wir haben bereits rund 55.000 Tickets verkauft. Damit ist schon jetzt klar, dass wir gemessen an der Zahl der Zuschauer*innen in Frankfurt eins der größten MMA-Events schaffen werden, die es weltweit jemals gegeben hat."

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Philipp Masurat

Masurat sagt das einerseits mit einer gewissen Selbstverständlichkeit und einem unübersehbaren Leuchten in den Augen. Andererseits ist er ganz und gar nicht der Typ Lautsprecher. Im Gegenteil: Masurat spricht eher leise und mit Bedacht über den actionreichen und für nicht wenige Beobachter*innen zuweilen als zu brutal empfundenen MMA-Sport. Auch seine Vita wirkt vergleichsweise unkonventionell: Nach einem Wirtschaftsingenieursstudium handelt Masurat zunächst mit Luxusautos, arbeitet danach bei BMW, um anschließend in die Welt der Videoproduktion einzutauchen und sich letztlich bei einem Live-Event vom MMA-Virus infizieren zu lassen. "Ich war sofort hin und weg von der Spannung und der Stimmung vor Ort, MMA-Events sind Adrenalin und Spektakel pur", sagt er.

Nun will Masurat die Geschichte von MMA in Deutschland selbst mitschreiben. Und der Oktagon-Deutschlandchef ist sich sicher, dass das nächste ein sehr erfolgreiches Kapitel werden könnte. Er sagt: "MMA steht in Deutschland vor dem Tipping-Point, das Stadion-Event in Frankfurt könnte für den gesamten Sport zum Gamechanger werden." Das dazu passende offizielle Motto für den 12. Oktober gibt die Richtung vor, es lautet "Bigger than ever".

Tickets von 29 Euro bis 3.999 Euro

Laut Masurat gibt es hierzulande bereits circa fünf bis zehn Millionen MMA-interessierte Menschen. Mehr als die Hälfte der Fans sei zwischen 28 und 43 Jahre alt, ebenfalls stark vertreten sind die Altersstufen bis 27 Jahre (26 Prozent) sowie 44 bis 59 Jahre (19 Prozent). Das Geschlechterverhältnis bei den Events ist in der Regel mit rund 70:30 männlich dominiert, nach Frankfurt pilgern dabei laut Masurat MMA-Fans aus jedem deutschen Nachbarland sowie auch aus fast allen anderen europäischen Ländern von Italien über Schweden bis zur Ukraine.

43 Prozent der Anhänger*innen verfügen über ein hohes Einkommen, weitere 32 Prozent über ein mittleres, wie aus der repräsentativen, 2024 weltweit durchgeführten Studie Statista Consumer Insights Global hervorgeht. "Zu unseren Events kommen tendenziell kaufkräftige Leute mit erhöhtem Haushaltseinkommen. Diese Menschen interessieren sich sehr stark für einen gesunden Lifestyle sowie Ernährung und geben auch entsprechend Geld für diese Themen aus – und zwar nicht zu wenig", beschreibt Masurat die Kernzielgruppe.

Die Einkommensstruktur spiegelt sich auch in den Ticketpreisen wider. Im Durchschnitt kostet ein eine Karte für das Stadionevent in Frankfurt rund 110 Euro, die Preisspanne reicht dabei von 29 Euro bis 3.999 Euro für Plätze direkt an der Käfigkante.

Oktagon hofft auf Millionenpublikum durch RTL+

Das Stadionevent in Frankfurt wird Oktagon MMA bei weitem nicht die außergewöhnlich hohen "Gate Revenues" in Höhe von 22 Millionen US-Dollar einspielen, die die UFC bei ihrem jüngsten Event im Sphere zu Las Vegas kassierte. Ein mittlerer einstelliger Millionenbetrag dürfte dennoch auch für Oktagon MMA herausspringen. So ist es auch wenig verwunderlich, dass das Ticketing mit rund 30 bis 50 Prozent der Haupteinnahmetreiber der Organisation ist.

Eine ebenfalls bedeutende Säule im Umsatzmix spielt der Bereich Medien. Hier setzt das Unternehmen bis dato für seine Events auf ein Pay-per-view-Angebot. Der Preis dafür liegt bei 12,99 Euro im Vorfeld respektive 15,99 Euro am Kampftag. Wieviele Menschen das Bezahlangebot pro Event nutzen, darüber schweigt sich Oktagon MMA aus. "Wir reden hier nicht gern über exakte Zahlen. Ich kann aber sagen, dass die internationale Reichweite über das Streaming-Signal bei manchen Events eine halbe Million Menschen erreicht", hält sich Deutschlandchef Masurat vage. Es sei generell "sehr herausfordernd, Deutschen Pay-per-view schmackhaft zu machen".

Bei der Übertragung alleinig auf der eigenen Plattform Oktagon.tv wird es diesmal aber ohnehin nicht bleiben: Das Bezahlangebot RTL+ hat sich die exklusiven Rechte für das MMA-Event in Frankfurt gesichert und wird den Fans die mehrstündige Live-Sportübertragung für den monatlichen Premium-Abo-Preis in Höhe von 8,99 Euro bieten. "Ich bin fest davon überzeugt, dass wir über die Partnerschaft mit RTL+ beim Frankfurt-Event in Deutschland ein Millionenpublikum erreichen werden. Und damit meine ich nicht nur eine Million, sondern mehrere Millionen", sagt Philipp Masurat. Dabei bezieht er auch die Aufmerksamkeit auf dem Weg bis zum Event durch entsprechende Formate in der Vorberichterstattung ein.

Spannungsbogen bis zur Käfigtür

Mehr als alle bisherigen Organisationen, die versucht haben den deutschen Markt zu erobern, rückt Okatgon MMA in den medialen Formaten gezielt die Athleten in den Fokus. Denn neben spektakulären Stadionevents wie in Frankfurt sind aus Sicht von Masurat & Co. packende Geschichten über die Menschen hinter den Käfig-Kämpfern die wichtigste Zutat für die MMA-Resonanz in Sportdeutschland.

"In unserem mehrteiligen Doku-Format 'Road to Oktagon' lassen wir die Fans besonders nahe an unsere Athleten heran. Wir zeigen die wahren Menschen hinter den Kämpfern – und zwar nicht verkünstelt, sondern mit echten Emotionen und Real Talk", sagt Masurat. Das anstehende Event, in diesem Fall in Frankfurt, sei dann im wahrsten Sinne des Wortes das Finale einer jeden Story, so der Deutschlandchef: "Eine höhere Spannung als zum Zeitpunkt, wenn die Käfigtür zugeht, kann es dramaturgisch nicht geben. Wir wollen Local Heroes schaffen, mit denen sich die Menschen identifizieren können und sie darüber an unsere Plattform binden. So denken wir bei Oktagon den MMA-Sport."

Kooperation im Kampf um Aufmerksamkeit

In der Praxis produziert Oktagon MMA nicht nur jede Menge eigenen Content, sondern pusht auch die Kanäle der Sportler – und andersherum. Die Kommunikation geht hier mehr denn je Hand in Hand – Kooperation statt Klein-Klein im Kampf um Aufmerksamkeit. Zwei Arten von Inhalten scheinen dabei besonders gut zu funktionieren: jegliche Form von gesunder Rivalität sowie Themen rund um Ernährung und Fitness à la "Wie ich in der Wettkampfwoche 10kg abnehme".

Die Content-Konzepte von Oktagon und den Kämpfern scheinen immer mehr zu verfangen. Youtube ist inzwischen voll mit Videos über deutsche MMA-Athleten. Viele der Beiträge erzielen sechsstellige Aufrufe, teilweise haben sie sogar über 500.000 Views. Die erste Episode von Oktagons "Road to Frankfurt"-Serie erzielt auf Youtube binnen einer Woche über 150.000 Aufrufe. Oktagon Deutschland hat auf der Plattform seit 2021 bereits über 1800 Videos veröffentlicht und damit rund 35 Millionen Views erreicht. Mittlerweile folgen dem Account 92.000 Subscriber*innen. Reichweitestarke Creator wie "Ringlife" tun auf Youtube ihr übriges, über eine halbe Million Subscriber*innen und knapp 175 Millionen Video-Views sprechen eine klare Sprache.

"Ich bin ehrlich: Social Media war mir lange Zeit eher egal, ich bin als einer der Letzten auf den Zug aufgesprungen. In meiner Heimat und außerhalb der MMA-Hardcore-Bubble hat sich für mich niemand interessiert, als ich zum Beispiel in den Staaten gekämpft habe. Youtube hat dann einen Wendepunkt gebracht. Darüber erreiche ich all die Leute, die zuvor unerreichbar waren", sagt Max Coga im Gespräch mit OMR. Der 35-Jährige ist einer der erfolgreichsten und angesehensten deutschen MMA-Sportler, seine Videos wurden bereits über sieben Millionen Mal angeschaut.

Ein Indiz für die gesteigerte Popularität des MMA-Sports in Deutschland lässt sich auch an Social-Media-Plattformen ablesen. Christian Eckerlin ist mit seinen über 300.000 Follower*innen bei Instagram der derzeit angesagteste deutsche MMA-Kämpfer. Auch Max Coga durchbricht bei Instagram die Marke von 100.000 Follower*innen, Oktagon MMA kommt mit seinem deutschen Account auf 150.000 Follower*innen. Die dort veröffentlichten Reels generieren verlässlich sechsstellige Aufrufe und übersteigen vereinzelt sogar die Millionenschwelle. Nach eigenen Angaben zählt Oktagon MMA über alle Accounts hinweg rund 1,9 Millionen Follower*innen auf Social Media.

Hooligan-Szene und "Hells Angels": MMA-Szene kämpft auch um ihren Ruf

Angefangen bei der Brutalität des Sports müssen MMA-Organisationen und -Kämpfer gleichermaßen in Deutschland in ihrer Kommunikation jedoch immer wieder auch gegen diverse Widerstände kämpfen. So wird der Kampfsport wahlweise mit dem Rotlicht-Milieu in Verbindung gebracht, in die rechtsradikale Ecke gestellt oder in der Hooligan-Szene verortet. Dass im anstehenden Hauptkampf von Frankfurt Christian Eckerlin auf Christian Jungwirth trifft, befeuert eine kritische Betrachtung zusätzlich. Lokalmatador Eckerlin ist nicht nur bekennendes Mitglied der "Hells Angels", sondern verfügt auch über enge Verbindungen in die Frankfurter Bordellszene. In Videos spricht er offen über seine Liste an Straftaten, die unter anderem auch auf Körperverletzungen zurückzuführen sind. Sein baden-württembergischer Kontrahent Jungwirth blickt derweil auf eine Vergangenheit in der Stuttgarter Hooliganszene zurück.

Philipp Masurat versucht derartige Vita-Referenzen der Kämpfer nicht zu kaschieren. Er stört sich aber daran, dass "in Deutschland grundsätzlich sehr schnell pauschal verurteilt" werde. "Bei Oktagon werden wir immer ein Auge darauf haben, wofür die einzelnen Kämpfer stehen und ob wir dies in Einklang mit unseren Werten bringen können", sagt Masurat. Er sieht es folglich als eine seiner größten Aufgaben, hierzulande Barrieren und Vorurteile abzubauen. Dafür will Oktagon MMA künftig noch mehr gezielt in Storytelling auf den digitalen Kanälen investieren. "Da werden viele Menschen auch feststellen, dass die meisten unserer Kämpfer aus Eigenmotivation sehr viel fürs Gemeinwohl tun", sagt Masurat.

MMA-Kämpfer Coga schlägt in die gleiche Kerbe. Er sagt: "Ich will das Thema nicht kleinreden, aber ob nun im Fußball oder bei MMA: In jedem Sport gibt es genau wie in der Gesellschaft auch einen kleinen Teil Idioten. Die Aufgabe der Athleten ist es, sich öffentlich davon zu distanzieren." MMA stehe aus Cogas Sicht für "Toleranz und Respekt". "Wir klassifizieren hier auch nicht nach Herkunft – die Matte vereint", sagt er und verweist darauf, dass gerade der Kampfsport den einen oder anderen MMA-Athleten erst wieder auf die richtige Bahn gebracht habe. Dazu passt eine fünfteilige Doku des SWR über Christian Jungwirth, deren Veröffentlichung jüngst sogar ARD-Chef Kai Gniffke zum Anlass nahm, sich proaktiv bei LinkedIn zu positionieren.

Wettenanbieter zahlt Millionensumme

Auch wenn Oktagon MMA mit seinen Reichweiten noch nicht ansatzweise an die der UFC herankommt, ist der Wachstumskurs der tschechischen Organisation nicht von der Hand zu weisen. Und er hat sogar bereits für einiges an Grundrauschen in der werbetreibenden Industrie gesorgt. Mit Continental, Rexona und Vittel waren bereits einige namhafte Marken als Partner an Bord. Die Partnerschaft mit Monster Energy zeigt zudem, dass Oktagon punktuell sogar im selben Sponsoren-Becken wie das große Vorbild UFC fischen kann, mit dem der Energydrinkhersteller ebenfalls verpartnert ist. Als größter Partner von Oktagon MMA legt derweil der Wettenanbieter Tipsport jährlich eine Millionensumme auf den Tisch. Für das Stadionevent in Frankfurt liegt die Einstiegshürde eines kleineren Sponsorenpakets bei gut 35.000 Euro.

Gleichzeitig fällt auf, dass von Automobilmarken bis zu Versicherungen einige aus dem Sportsponsoring bekannte Big-Spender-Branchen derzeit noch im Partner-Line-Up von Oktagon fehlen. "Aktuell sind viele Marken noch eher zurückhaltend, aber alle sind gleichzeitig sehr neugierig. Die meisten von ihnen wollen in Frankfurt beim Event vorbeischauen, keiner will den Hype verpassen. Ich bin mir sicher, dass wenn sie einmal dabei waren, danach auch beim Sponsoring zuschlagen werden", sagt dazu Denise Höfer gegenüber OMR. Die 43-Jährige kennt diese anfängliche Zurückhaltung der werbungtreibenden Industrie bestens aus dem ebenfalls aufstrebenden Padel-Sport, den sie seit einigen Jahren als beste deutsche Profispielerin ausübt. Abseits der Karriere auf dem Court ist Höfer als Sportmarketingexpertin unterwegs und in dieser Funktion im Advisory Board von Oktagon MMA.

Im Vergleich zu Padel hat MMA in Deutschland laut Höfer beim Aufbau einen entscheidenden Vorteil: "Die deutschen Kämpfer sind im internationalen Vergleich bereits absolut konkurrenzfähig und es gibt auch schon einige sehr populäre nationale Heroes." Abgesehen davon ist MMA für sie "Lifestyle und Adrenalin pur, gepaart mit einer ganz speziellen Form der Eventisierung". "Du kommst dahin und tauchst mehrere Stunden in ein absolutes Spektakel ein", sagt Höfer.

UFC steht vor neuem Milliarden-Deal

Die UFC hat die von Höfer angesprochenen Werte von MMA bereits in beeindruckender Weise monetarisiert: Der Gesamtumsatz der US-amerikanischen MMA-Übermacht liegt 2023 bei knapp 1,3 Milliarden US-Dollar. Davon kamen laut Finanzbericht 870,6 Millionen US-Dollar über Medienrechte und Content (67 Prozent), gefolgt von Sponsoring mit 196,3 Millionen US-Dollar (15 Prozent) und Live Events mit 167,9 Millionen US-Dollar (13 Prozent). Und es steht weiterer Umsatz ins Haus: Die UFC verhandelt gerade einen neuen nationalen Medienrechtevertrag für die Zeit ab 2026. Im Raum steht eine Rechtesumme, die der MMA-Serie künftig über 500 Millionen US-Dollar per annum einbringen könnte. Aktuell kassiert die die UFC jährlich rund 300 Millionen US-Dollar von der Disney-Tochter ESPN.

Oktagon MMA dreht hier ob der weitaus kürzeren Marktpräsenz naturgemäß ein noch deutlich kleineres Rad. Dass seine Organisation in der Vermarktung noch nicht am Limit angekommen ist, das gibt auch Deutschlandchef Masurat unumwunden zu. "Wir befinden uns in vielen Bereichen, so auch in der Vermarktung, gerade noch im Aufbau und machen das Allermeiste mit einem international agierenden Team von rund zehn Mitarbeitenden aus eigener Hand. Wir wollen hier auch personell weiterwachsen", sagt er. Kooperationen mit renommierten Sportvermarktern wie Sportfive oder Infront gibt es dagegen derweil noch nicht.

Schwarze Zahlen trotz Kosten in Millionenhöhe

Den Einnahmen aus Ticketing, Medien und Sponsoring stehen laut Masurat allein beim Stadionevent in Frankfurt Kosten in Millionenhöhe entgegen – für Stadionmiete, Strom, Equipment, Security, Catering, Mitarbeiter, Übertragung, Kämpfergagen, Showacts, Werbebudget – die Liste ist lang. Gleichzeitig befindet sich der Sponsoringbereich noch im Aufbau und die mangelnde Auskunftsfreude bei der Anzahl der Pay-per-view-Käufe lässt einen eher glauben, dass diese wohl nicht allzu üppig ausfallen könnte.

Philipp Masurat verdreht bei dieser Herleitung allerdings verwundert die Augen und ordnet die wirtschaftliche Gemengelage bei Oktagon MMA dann ziemlich bestimmt ein. "Alles, was wir machen, führt ausnahmslos zu schwarzen Zahlen. Wir haben bis zu 110 Angestellte in ganz Europa und bis zu 300 externe Mitarbeiter bei Events wie dem in Frankfurt. Allein aufgrund dieser Personalverantwortung könnte ich definitiv nicht ruhig schlafen, wenn wir rote Zahlen schreiben würden." Oktagon MMA habe "genügend Einkommensströme, um von unserem Business gut leben zu können", führt Masurat weiter aus. Dabei seien alle Kosten "zu 100 Prozent durch natürliche Einnahmen gedeckt", es gebe "weder Kredite noch irgendwelche Geldgeber im Hintergrund". "Das ist alles hart erarbeitetes Geld, das wir reinvestieren, um den MMA-Sport in Deutschland auf das nächste Level zu heben", sagt er.

Bodycam, Apple Vision Pro, Coldplay

Mittelfristig will Oktagon MMA neben dem Storytelling-Fokus vor allem in das Produkt investieren und dabei innovative Wege gehen. Bereits heute tragen die Referees im Käfig eine Bodycam, ebenfalls denkt Masurat über den Bau eines Use Cases für die Apple Vision Pro nach. Von Bedeutung ist aber auch der Ausbau von ganz analogen Lizenz- und Merchandisingprodukten – es gibt sogar ein eigenes Oktagon-MMA-Brettspiel.

Darüber hinaus will Oktagon MMA seine Events laut Masurat "noch mehr auf Entertainment trimmen". "Bei der UFC reden wir über ein Milliardenbudget. Ich will mir nicht anmaßen, dass wir das genauso in Europa hinbekommen. Aber auch wir wollen unseren Fans richtig was bieten und nicht einfach nur plump den Geldhahn aufdrehen", sagt er. Masurat denkt dabei durchaus groß, internationale Musik-Acts der Kragenweite Coldplay stehen weit oben auf der Wunschliste.

Fußballstadion oder Festivalgelände

Ebenfalls kündigt Masurat gegenüber OMR an, nach dem anstehenden Stadionevent in Frankfurt künftig mindestens eine vergleichbare Leuchtturmveranstaltung pro Jahr in Deutschland auszurichten. Als Fußballstadien mit verschließbaren Dächern kommen dafür potenziell neben Frankfurt einzig die Schalker Veltins-Arena sowie die Düsseldorfer Merkur Spiel-Arena infrage. Alternativ kann sich Masurat auch ein Open-Air-Event beispielsweise auf einem Festivalgelände mit temporären Tribünenkonstruktionen vorstellen.

Im Dezember 2024 findet aber erst noch ein Event im neuen Münchener SAP Garden statt – das insgesamt sechste in diesem Jahr auf deutschem Boden. 2025 soll die Zahl auf acht wachsen, erstmals wird der Oktagon-MMA-Kampfsportzirkus dann unter anderem in Hamburg aufschlagen. "Wir befinden uns auf unserer Reise noch irgendwo im ersten Drittel", sagt Masurat zu den Expansionsplänen von Oktagon MMA. Die alles entscheidende Frage wird sein, ob die tschechische Organisation anders als seine vorherigen Wettbewerber in Deutschland ans Ziel kommen wird.

UFCSportbusinessMixed Martial Arts
Henning Eberhardt
Autor*In
Henning Eberhardt

Henning ist bei OMR seit Anfang 2023 für Sport- und Gaming-Inhalte zuständig. Von 2010 bis 2019 pendelte er für den Sportbusiness-Verlag SPONSORs als Redakteur zwischen Fußballstadion und Formel-1-Rennstrecke. Anschließend wechselte der waschechte Insulaner zum Marketing-Medium absatzwirtschaft in die Handelsblatt-Gruppe.

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