Disney, Moneyball, Luxustourismus: So funktioniert die Entertainment-Maschine von Como 1907
Ein indonesisches Brüderpaar kauft einen klammen italienischen Fußballclub und krempelt ihn komplett auf links. Kann das klappen?
- Hollywood in der Provinz: "Großes Kino im kleinen Stadion"
- Vorbild Disney – mit Fußballclub statt Themenpark
- Storytelling und mehrteilige Doku bringen ein Hauch von Wrexham
- Como als "weltweit führendes Reiseziel für Fußballtourismus"
- Strampler für Neugeborene gegen die Overtourism-Sorgen
- Rhude-Designer als Chief Brand Officer, eigenes Bier und Kooperation mit Roc Nation
- Moneyball reloaded: Billy Beane am Comer See
- Milliarden-Bewertung bis 2038
- Funktioniert das Disney-Modell auch bei anderen Clubs?
Der Fußballclub Como 1907 verwandelt sich von einem bankrotten italienischen Viertligisten in eine globale Lifestyle-Marke, die Profisport, Tourismus und Luxus miteinander verbindet. Zum Vorbild hat sich der Provinzverein dabei niemand Geringeres genommen als den Content- und Entertainment-Giganten Disney. Was können Marken außerhalb des Sports daraus lernen? Und ist das "Modell Como" die Blaupause für den Proficlub der Zukunft oder doch nur ein flüchtiger Hype um einen langfristig limitierten Wachstums-Case?
Normalerweise sind die Storys über Como gespickt mit blumigen Beschreibungen von der "betörenden Idylle" und der "malerischen Kulisse" über die Bergwelt rund um den "Lago di Como", wie der 146 Quadratkilometer große Comer See im Norden Italiens nahe der Schweizer Grenze in der Landessprache heißt. Bekannt aus Filmproduktionen von Star Wars und James Bond, als Urlaubsdomizil geschätzt bei Prominenten wie George Clooney, Brad Pitt und Julia Roberts.
Doch der von Reiseführern ausnahmslos als solcher betitelte "Sehnsuchtsort" ist seit wenigen Jahren um eine völlig andere Facette reicher: investorengetriebenes Fußball-Business. Und zwar eins, das es in vergleichbarer Form noch nie gab.
Hollywood in der Provinz: "Großes Kino im kleinen Stadion"
Die Geschichte beginnt im Jahr 2019, als das indonesische Brüderpaar Michael Bambang und Robert Budi Hartono den chronisch klammen und zu dem Zeitpunkt bereits mehrfach bankrotten Viertligisten Como 1907 übernimmt. Kaufpreis: Eine im Profifußball lächerlich klein wirkende Summe von weniger als 500.000 Euro, die für die Hartono-Brüder wie Kleingeld wirken dürfte: Im "Forbes"-Ranking 2024 der wohlhabendsten Menschen der Welt rangieren die beiden mit Vermögen von jeweils über 20 Milliarden US-Dollar in den Top100.
Seit der Übernahme durch die Hartonos, die ihr Geld mit Nelkenzigaretten (PT Djarum) sowie in Branchen wie Finanzen (Bank Central Asia), E-Commerce (Blibli) und Elektronik (Polytron) machen, schreibt Como 1907 eine Erfolgsgeschichte nach der nächsten. In nur fünf Jahren gelingt der kometenhafte Aufstieg von der viertklassigen Serie D in die Eliteliga Serie A, wo der Verein auf Anhieb die Klasse hält und folglich auch in dieser Saison spielt. Eng mit dem sportlichen Erfolg verknüpft sind prominente Ex-Fußballstars wie Thierry Henry, Raphaël Varane oder Cesc Fàbregas. Alle drei halten Minderheitsbeteiligungen an dem Club und bringen ihre fußballerische Expertise in das Projekt ein, der spanische Welt- und Europameister Fàbregas sogar als Trainer des Profiteams.
Prominent geht es mitunter auch auf den Tribünen des nur 13.000 Zuschauer*innen fassenden Comer Stadio Giuseppe Sinigaglia zu. Um Como 1907 spielen zu sehen, reisen mit Hugh Grant oder Keira Knightley selbst britische Schauspielstars aus dem Mutterland des Fußballs in die italienische Provinz und sorgen dadurch für reichlich Aufmerksamkeit in den Gazetten. Spätestens seit dem Aufstieg in die höchste Spielklasse Serie A im Jahr 2024 wird das Como-Projekt auch in der globalen Presse rauf- und runtergespielt – zu schön ist die Geschichte des plötzlich wachgeküssten Provinzclubs, der es nun mit etablierten Playern wie Juventus Turin, Inter Mailand und AS Rom aufnehmen will.
Prof. Dr. Henning Vöpel, der seit vielen Jahren ökonomische Entwicklungen im Profisport beobachtet, fühlt sich bei dem aufstrebenden Projekt in Como an den Hype um Dubai-Schokolade erinnert. Selbst wenn die Analogie vermutlich an einigen Stellen hinken mag, gibt es für ihn nämlich diese eine große Parallele: "Da haben Menschen völlig aus dem Nichts und ohne jeglichen Kontext mit etwas vom Grundsatz her eigentlich Bekanntem einen plötzlichen Hype erschaffen, der in der breiten Masse räsoniert." Diese Form der "Dekontextualisierung", wie es der ehemalige Geschäftsführer des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstitus im Gespräch mit OMR nennt, nehme sowohl in der Gesellschaft als auch im Marketing immer weiter zu – und sie ist offensichtlich auch eines der Erfolgsgeheimnisse von Como 1907.
Robert Zitzmann, Geschäftsführer von Jung von Matt Sports, schlägt gegenüber OMR in eine ähnliche Kerbe: "Man würde auf den ersten Blick glauben, dass eigentlich fast alles dagegenspricht, in dieser Region, in dieser Stadt und an diesem See eine tradierte Fußballkultur – so wie wir sie als Klischee in Europa kennen und vermarkten – gänzlich neu zu kreieren. Aber genau dieser Kontrast aus einem einfachen, bodenständigen Fußballerlebnis inmitten einer surrealen Hollywood-Film-Kulisse der Superreichen an einem der schönsten Orte in den Alpen ist einer der Gründe, warum das Projekt Como so spannend ist", sagt der 41-Jährige. Aus seiner Sicht biete Como "non-scripted Reality und großes Kino im kleinen Stadion".
Vorbild Disney – mit Fußballclub statt Themenpark
"Großes Kino"? Das dürfte genau nach Mirwan Suwarsos Geschmack klingen. Er ist CEO von Sent Entertainment – so heißt das Londoner Unternehmen, über das die Hartono-Brüder Como 1907 gekauft haben. Und obendrein ist Suwarso als Präsident des Clubs so etwas wie der Kopf und Außenminister des Projekts in einer Person. Sein Vorbild? Geht kaum kleiner: Disney.
"Was für Disney der Themenpark ist, sind bei uns der Fußballverein und das Spieltagserlebnis", sagt Suwarso gegenüber dem italienischen Portal "Calcio e Finanza". "Wir haben das Glück, an einem Ort zu sein, an dem die Stadt selbst eine Marke ist: Der Comer See ist eine globale Marke. Es wäre töricht, diese Chance nicht zu nutzen – den Fußball in das Ökosystem zu integrieren, nicht als Kernstück, sondern als Schlüsselelement", sagt Suwarso. Sein Kalkül: "Fußball hat seine Höhen und Tiefen, aber wenn wir unsere Arbeit gut machen, werden die Menschen nicht mehr zwischen dem Comer See und Como 1907 unterscheiden. Sobald sie eins sind, wird unser Geschäft weniger Risiken ausgesetzt sein."
Nach dem Vorbild von Disney soll Como 1907 also nicht bloß ein neureicher Fußballverein sein, sondern ein umfassendes und finanziell nachhaltiges Entertainment-Projekt – mit der Tourismusregion Comer See als übergeordnete Master Brand. Ziel ist es, Fußball, Marketing, Merchandising und die Region zu verbinden, Promis anzuziehen und den Verein als globale Marke mit Erlebnischarakter zu etablieren. "Für uns ist es entscheidend, einen Weg zu finden, Fußball zu einem echten Geschäft zu machen", sagt Suwarso. Sein wohl wichtigster Hebel ist dabei – ganz Disney-like – Storytelling. Und so entsteht aktuell in Como nicht nur ein sportlich ambitionierter "unexpected hero", sondern auch ein echtes Content-Powerhouse.
Storytelling und mehrteilige Doku bringen ein Hauch von Wrexham
Der Ansatz kommt nicht von ungefähr: Sent Entertainment ist nämlich nicht irgendein Unternehmen, sondern hat sich auf Medienproduktionen mit Fokus auf Musik und Sport spezialisiert. In der Vergangenheit hat Sent bereits Sportdokus mit Branchengrößen wie Inter Mailand und Borussia Dortmund umgesetzt. Mit Mola gehört zudem so etwas wie das "Netflix Indonesiens" zum Firmenimperium der Hartonos. Der Streaming-Service, der anfangs auch als Trikotsponsor von Como 1907 auftritt, kauft für den indonesischen Markt immer wieder auch relevante Sportübertragungsrechte ein – von der Bundesliga über die Premier League bis zur MMA-Serie UFC.
"Die meisten Fußballvereine gründen Medienunternehmen, sie (Sent Entertainment, Anm. d. Red.) sind ein Medienunternehmen, das einen Fußballverein gründet", sagt Michael Gandler im Zuge der Club-Übernahme im Jahr 2019 gegenüber "Football Italia". Der erste CEO von Como 1907 ist zwar nicht mehr im Amt. Aber die Aussage beschreibt treffend, wie der Club bis heute tickt: Parallel zu den sportlichen Aufstiegen und der Hollywood-Prominenz vor Ort schicken sich Suwarso und Co. nämlich an, eine immer größer werdende digitale Community rund um das Projekt aufzubauen.
Dem Instagram-Account von Como 1907 folgen bereits fast eine Million Menschen – nicht schlecht für einen bis vor kurzem noch unbedeutendem Fußballclub aus einem Städtchen mit nur 83.000 Einwohner*innen. Zum Vergleich: Der amtierende deutsche Pokalsieger und traditionsreiche VfB Stuttgart kommt bei Instagram nur auf 668.000 Follower*innen. Como 1907 gelingen dabei obendrein anders als den Schwaben regelmäßig Reels mit siebenstelligen Views.
Schon im Jahr 2022 veröffentlicht der italienische Provinzclub bei Youtube eine dreiteilige Doku, deren Episoden jeweils auf über 250.000 Aufrufe kommen. Während es inhaltlich anfangs noch um Aufmerksamkeit für Projekt als Ganzes geht, versuchen die Verantwortlichen offenbar nun, über verschiedene Episoden sowohl die Anspruchsgruppen vor Ort ("Alessandro Gabrielloni: The Local Hero") als auch internationale Fans ("A taste of Italian football in the heart of America") zu adressieren.
Und so weht unweigerlich auch ein Hauch von Wrexham AFC um den Comer See. Der von den US-Schauspielstars Ryan Reynolds und Rob McElhenney übernommene walisische Club ist das Best Practice schlechthin für Content-Kreation rund um einen Fußballverein – und Como in dieser Hinsicht von Instagram über Tiktok bis Youtube auf allen Plattformen weit voraus. Einerseits.
Doch Como ist noch weitaus mehr als eine reine Content-Maschine. Zunächst mal hat der italienische Club durch kluge Transfers (anders als Wrexham) bereits den sportlichen Sprung in die höchste nationale Spielklasse geschafft und generiert darüber viel Aufmerksamkeit. Vor allem aber hat Como ein weiteres Ass im Ärmel, das der Club für seine globale Vermarktung ausspielen will. Es heißt: Luxustourismus.
Como als "weltweit führendes Reiseziel für Fußballtourismus"
Como zieht jährlich 4,8 Millionen Besucher*innen an, von denen die überwiegende Mehrheit aus dem Ausland kommt. Folgerichtig haben die indonesischen Club-Eigentümer 2024 via "Sent Tourism" Luxus-Reisepakete ins Leben gerufen, die Fußballerlebnisse an Spieltagen mit Premium-Tourismus am Comer See kombinieren. Die Angebote umfassen private Wasserflugzeug-Touren, Luxusvilla-Erlebnisse und kuratierte Kulturtouren, die auf vermögende Privatpersonen und Firmenkunden abzielen. Die "Gold-Experience" kostet 820 Euro pro Person und Nacht; für die Platinum-Version weist der Verein auf seiner Website gar nicht erst einen Preis aus, sondern ruft Interessierte dazu auf: "Kontaktieren Sie uns für ihr maßgeschneidertes Erlebnis." Geplant sind obendrein Fußball-Camps, in denen Urlaubskinder trainieren können, während ihre Eltern es sich im exklusiven Hospitality-Arrangement gutgehen lassen. Konsequenterweise bewirbt der Club direkt auf der Homepage einen touristischen "Insider-Guide" für Como und Umgebung.
Mirwan Suwarso will in Como nicht weniger als das "weltweit führende Reiseziel für Fußballtourismus" bauen. Und die Idee scheint zu räsonieren, wie ein vom Club-Präsidenten bei LinkedIn veröffentlichtes Zwischenfazit nach der Saison 2024/25 andeutet. Demnach stammen 40 Prozent der Ticketing-Umsätze schon jetzt aus dem Ausland, zudem wurden Eintrittskarten an Menschen aus 162 unterschiedlichen Nationen verkauft.
Altes Stadion (l.), neues Stadion: Aus den maroden Tribünen am Comer See soll eine moderne Entertainment-Destination werden. (Fotos: Como 1907, Populous)
Um den mitunter prominenten Gästen noch mehr Comfort zu bieten, soll bis 2028 das marode Stadio Giuseppe Sinigaglia in eine ganzjährige Entertainment-Destination verwandelt werden. Kostenpunkt laut italienischen Medien: circa 30 bis 40 Millionen Euro – Peanuts für die milliardenschweren Hartono-Brüder aus Indonesien.
Robert Zitzmann von Jung von Matt Sports sieht für Como 1907 mit Blick auf eine gut betuchte Zielgruppe sogar ein noch größeres Potenzial. So würde er beim Thema Ownership-Struktur den Ansatz spannend finden, über Como 1907 perspektivisch "eine Art Genossenschaft der Superreichen" aufzubauen. "Den Millionären, die ohnehin schon ein Haus am See haben und im Urlaub immer wieder dorthin kommen, über den Fußballclub als verbindendes Element und mit Zugang zu Fußballstars einen Membership-Ansatz anzubieten, wäre in meinen Augen eine spannende Antwort auf die Ownership-Strukturen in England und Deutschland", sagt der 41-Jährige, sprich: Keine Abhängigkeit von nur einem Investor, aber die gebündelte Kraft namhafter Unternehmer und Celebrities, weiterhin in den Club zu investieren.
Aus Zitzmanns Sicht könnten Konzepte wie beim walisischen Wrexham AFC, bei dem die Investoren Ryan Reynolds und Rob McElhenney zugleich als Markenbotschafter und Multiplikatoren fungieren, "ja die viel bessere Benchmark" für Como 1907 sein als Platzhirsche wie Juventus Turin oder Inter Mailand. "Ein Soho House des Fußballs und ein neues Fußball-Haus am See – das kann auch nachhaltig Anziehungskraft erzeugen", sagt er.
Strampler für Neugeborene gegen die Overtourism-Sorgen
Bei allem globalen Storytelling und den Fokus auf wohlhabende Urlaubsgäste ist den Investoren hinter Como 1907 offenbar gleichzeitig bewusst, dass sie für ihre ambitionierten Ziele auch die Einheimischen ins Boot holen müssen. So engagiert sich der Club auf vielfältige Weise vor Ort – von ernsten Themen wie Krebs-Prävention für Frauen bis zu Bildungsangeboten für Kinder. Jedes Neugeborene in Como erhält gratis einen Strampelanzug mit Vereinswappen. Solche Maßnahmen lassen zumindest bislang kritische Stimmen verstummen, die sich etwa um die Gefahr des Overtourism sorgen.
Rhude-Designer als Chief Brand Officer, eigenes Bier und Kooperation mit Roc Nation
Como 1907 breitet sich aber nicht nur auf der emotionalen, sondern auch auf der Business-Seite in der Region aus: Um das Merchandising voranzutreiben, haben Suwarso & Co. die Anzahl der Verkaufsstellen in der umliegenden Provinz von weniger als 200 im Jahr 2019 bis heute auf über 480 Standorte erweitert. "Als ich anfing, lagen die Merchandising-Einnahmen bei 53.000, jetzt sind es über zehn Millionen", sagte Club-Chef Suwarso kürzlich gegenüber dem englischen Sportbusinessmedium "SportsPro".
Zum Wachstum tragen auch spezielle Lizenzprodukte wie "La Comasca" bei, das nach eigenen Angaben weltweit einzige seidengefilterte Bier, das der Club selbst entwickelt hat und Comos historische Seidenindustrie würdigen soll.
Exklusive Produkte gehören auch in anderen Bereichen zum Como-Standard: Gemeinsam mit Team-Ausrüster Adidas hat der Club Ende Juli ein handbemaltes Sneaker-Modell für 249 Euro in den Verkauf gebracht. Derweil dokumentieren Partnerschaften mit Marken wie Brioni und Kollaborationen wie die mit Streetwear-Designer Rhuigi Villaseñor die Luxus-Lifestyle-Positionierung von Como 1907. Dass Villaseñor als Gründer des angesagten US-Labels Rhude zugleich als Chief Brand Officer des Clubs fungiert, ist ein weiteres Indiz für die konsequente Verschmelzung von Fußball und Fashion – genauso wie die Kooperation mit dem von Jay-Z gegründeten Entertainment-Unternehmen Roc Nation.
Moneyball reloaded: Billy Beane am Comer See
Zwei weitere Erfolgstreiber im Ökosystem des von Como 1907 sind Digitalisierung und Daten. Unter anderem mit dem Ziel, den Zweitmarkt zu kontrollieren, hat der Club etwa in Eigenregie eine Blockchain-basierte Ticketplattform aufgebaut. Diese beinhalte laut Suwarso ein "Cashback-System", das in allen clubeigenen Einzelhandelsgeschäften und den 480 Partnergeschäften funktioniere. Dazu passt auch eine jüngst geschlossene globale Partnerschaft mit Revolut, die Fans unter anderem den frühzeitigen Zugang zu Tickets sowie zu VIP-Erlebnissen an Spieltagen ermöglichen soll. Als Willkommensbonus winken Comos Anhänger*innen 20 Euro auf ihren Konten der Londoner Neobank.
Auch im sportlichen Bereich setzt Como 1907 auf technologische Innovationen. So hat dem Vernehmen nach im Hintergrund Billy Beane sein Wissen eingebracht, der legendäre Architekt des "Moneyball"-Ansatzes beim US-amerikanischen Baseball-Team Oakland Athletics. Datenbasiertes Scouting etwa soll dabei helfen, den sportlichen Apparat perspektivisch zu einem positiven Business Case zu trimmen. Entwicklungsfähige Spieler und Talente günstig einzukaufen, um sie dann für deutlich höhere Transfererlöse weiterzuverkaufen, wären jedenfalls die richtigen Zutaten für ein finanziell nachhaltiges Fußballprodukt.
Milliarden-Bewertung bis 2038
Die Experten sind sich einig: Seit die milliardenschweren Hartono-Brüder den Club übernommen haben, wird bei Como 1907 rein gar nichts mehr dem Zufall überlassen. "Alles wirkt bis ins kleinste Detail alles durchdacht. Die Netflixisierung für globale Interessensgruppen ist dabei genauso wichtig wie das Stakeholder-Management vor Ort", sagt Prof. Dr. Christoph Breuer vom Institut für Sportökonomie und Sportmanagement an der Deutschen Sporthochschule Köln im Gespräch mit OMR. Ihn erinnert der konsequente Ansatz "ein wenig daran, wie Red Bull den Standort Leipzig aufgebaut hat". "In vielerlei Hinsicht sind die beiden Standorte nur schwer miteinander vergleichbar, aber die Akribie, Weitsicht und strategische Herangehensweise, mit der beide Projekte etwa für Akzeptanz in der Bevölkerung gesorgt haben, ist schon besonders", sagt Breuer.
Und, so romantisch die Vorstellung auch wäre: Die indonesischen Investoren unternehmen all ihre Anstrengungen wenig überraschend – genauso wenig wie im übrigen Red Bull in Leipzig – nicht für Luft und Liebe, sondern, weil sie in letzter Konsequenz Geld damit verdienen wollen.
Bis 2038 peilt Club-Präsident Suwarso eine Milliarden-Bewertung für Como 1907 an. Im aktuellen "Forbes"-Ranking der weltweit wertvollsten Fußballclubs würde der Club damit zwar in den Top20 landen – allerdings mit deutlichem Abstand zu etablierten Branchengrößen wie Bayern München (5,1 Milliarden US-Dollar, Platz 6) und dem Branchenführer Real Madrid (6,75 Milliarden US-Dollar).
Funktioniert das Disney-Modell auch bei anderen Clubs?
Storytelling sowie ein umfassendes Side-Business abseits des Fußballs sind sehr wahrscheinlich weder der alleinige Schlüssel zu schwarzen Zahlen noch zur Milliardenbewertung. Laut Prof. Dr. Sascha L. Schmidt wird sich das Como-Projekt nur dann nachhaltig durchsetzen, "wenn Entertainment und sportlicher Erfolg sich gegenseitig verstärken". "Das Geschäftsmodell muss also zweigleisig sein: Unterhaltung und Lifestyle ziehen Fans an, doch erst sportliche Wettbewerbsfähigkeit bindet sie langfristig", sagt der Lehrstuhlinhaber für Sports und Management an der WHU gegenüber OMR.
Schmidt hält es darüber hinaus für denkbar, dass das Modell Como im Fußball-Business künftig Schule machen könnte. Er sagt: "Disneyfizierung als Geschäftsansatz funktioniert nicht nur in Como, auch wenn dort Lifestyle, Hollywood-Appeal und Modewelt einen idealen Resonanzraum bilden. Das Prinzip, Fußball als Entertainment zu denken, ist universell anwendbar, solange es authentisch an den Standort gekoppelt wird." In Deutschland könnten es andere Narrative sein, "etwa Technologie und Innovation in Hoffenheim, Subkultur bei Union Berlin oder Tradition in Dortmund und auf Schalke". "Entscheidend ist, dass die Erzählung glaubwürdig bleibt und nicht als künstlich übergestülpt empfunden wird", sagt Schmidt.