Tourismus-Marken tun sich auf Tiktok schwer – aber in Holzwickede läuft es
Wie Urlaubsguru zur größten deutschen Tourismusmarke auf Tiktok geworden ist
- Viele große Marken tun sich bei Tiktok schwer
- Urlaubsguru hat mehr Follower als Booking.com
- Kein Briefing für Creator:innen bei Tiktok
- Die drei wichtigsten Learnings der Urlaubsguru-Macher
- Axel-Springer-Chef würde Tiktok am liebsten verbieten
Bei Instagram konnten Tourismus-Anbieter mit Hochglanz-Bildern von Traumstränden und exotischen Orten punkten. Bei Tiktok geht dieses Erfolgsrezept jedoch nicht mehr auf. Zu anders funktioniert die Plattform. Viele große Namen der Branche wie Getyourguide oder Tui tun sich damit schwer. Nur der Reiseanbieter Urlaubsguru aus Holzwickede nicht. Was ist da los?
Lachen, immer wieder Lachen – die New-York-Rundfahrt mit Schauspieler Leslie Jordan („Will & Grace“) scheint ein riesiger Spaß gewesen zu sein. Kein Wunder, dass ein Instagram-Reel des Reiseerlebnis-Startups Getyourguide auf mehr als 14.000 Likes kommt. Das Berliner Unicorn bespielt den Kanal sehr intensiv mit traumhaften Bildern und Videos von Stränden, Wasserfällen und Sehenswürdigkeiten. Mehr als 272.000 Nutzer:innen folgen Getyourguide hier, die Reichweite wächst laut dem Analysedienst Infludata kontinuierlich.
Getyourguide hat das Video mit Leslie Jordan auch bei Tiktok hochgeladen, der 67-Jährige ist auch hier sehr aktiv. Es wurde 173 Mal aufgerufen. Gerade mal 866 Follower:innen hat Getyourguide bei Tiktok, obwohl Themen wie Urlaub, Erlebnisse und Spaß als Content eigentlich gut funktionieren müssten. Aber Tiktok ist eben nicht Instagram.
Viele große Marken tun sich bei Tiktok schwer
Viele Tourismus-Anbieter tun sich aktuell noch schwer, sich auf die gerade bei jüngeren Menschen immer beliebter werdende Plattform einzustellen. So gilt das Hannoveraner Unternehmen Tui beispielsweise als größter Reiseveranstalter der Welt, kommt bei Tiktok aber lediglich auf 117 Follower:innen. Und selbst bei Digital-Plattformen wie Booking.com oder Expedia wechseln sich Klick-Erfolge mit Millionen-Reichweite noch immer mit Videos mit vierstelligen Aufrufzahlen ab.
„Wir glauben, dass Tiktok großes Potenzial hat – auch für GetYourGuide“, sagt eine Getyourguide-Sprecherin. Doch aktuell arbeiten die Berliner noch an der richtigen Strategie für das Netzwerk. Lassen sich Inhalte von anderen Kanälen einfach recyceln? Lohnt sich die Zusammenarbeit mit Content-Creator:innen? Und wie gelingt es, Videos auch wirklich viral zu bekommen? „Sobald wir ein klares Verständnis davon haben, wie die wichtigsten Metriken sich für Getyourguide entwickeln, zum Beispiel CPM (Cost per Mille) und CPE (Cost per Engagement), werden wir eine abschließende Entscheidung treffen, in welchem Umfang wir strategisch in Tiktok investieren“, sagt die Sprecherin. Bis dahin arbeite man weiterhin daran, die eigenen Erfolge auf Instagram auszubauen.
Urlaubsguru hat mehr Follower als Booking.com
In Holzwickede ist man da schon weiter. Der Reisevermittler Urlaubsguru hat früh auf Tiktok gesetzt und seit dem Start des Accounts vor vier Jahren viel ausprobiert. Mit Erfolg: Inzwischen folgen dem Kanal mehr als 220.000 Accounts – damit hat Urlaubsguru sogar mehr Follower:innen als der Tourismus-Gigant Booking.com. Auch hier funktioniert zwar nicht jedes Video gleich gut, aber Urlaubsguru ist es immerhin gelungen, zur größten deutschen Reisemarke auf Tiktok zu werden und Konkurrenten wie Urlaubspiraten abzuhängen. Seit zwei Jahren wird der Kanal nach Angaben von Urlaubsguru genauso intensiv betreut wie Instagram.
Ein Schlüssel zum Erfolg ist offenbar André Dreßler. Der ist nämlich nicht nur Social-Media-Manager, sondern inzwischen auch das Gesicht der Marke bei Tiktok. Denn eine Erkenntnis war bei Urlaubsguru nach eigenen Angaben, dass sich Unternehmen eher als Creator:in denn als Marke sehen sollten. „Man sollte die Tiktok-Sprache beherrschen und mit Emojis und Sprüchen arbeiten, die gerade im Trend sind“, sagt André Dreßler: „Eine gewisse Portion Selbstironie schadet ebenfalls nicht.“ Generell funktionieren laut Urlaubsguru eher kurzweilige Videos, in denen man sich nicht zu ernst nimmt. „Es sind keine Hochglanz-Aufnahmen, für die eher Instagram bekannt ist“, heißt es. Interaktion fände immer dann statt, wenn Tipps direkt bei der Lösung eines Problems helfen würden.
Kein Briefing für Creator:innen bei Tiktok
Aktuell setzt Urlaubsguru noch hauptsächlich auf organisches Wachstum – kombiniert mit kleinen, kontinuierlichen Ad-Kampagnen, um möglichst dauerhaft präsent zu sein. Das Wachstum über Werbung sei günstiger als bei anderen Social-Media-Plattformen und sehr gut kalkulierbar, heißt es. Und auch mit Influencer:innen gehe man immer wieder Kooperationen ein. Wobei sich auch da die Plattformen laut André Dreßler unterscheiden: „Viele Influencer auf Instagram glauben, dass sie auf Tiktok genauso erfolgreich sein können. Dabei fällt ihnen der Wechsel teilweise echt schwer.“ Tiktok habe ganz eigene Regeln. So gebe es beispielsweise keine klassischen Briefings, Creator:innen hätten im Prinzip den kompletten kreativen Freiraum, solange die Inhalte zu den Werten von Urlaubsguru passen würden.
Im Schnitt postet das Urlaubsguru-Team laut dem Analysedienst Infludata 2,5 Stories pro Woche. Immerhin 62 der vergangenen 370 Posts gingen dabei viral – erreichten also deutlich höhere Views als ein durchschnittlicher Post von Urlaubsguru. Im Schnitt können die Macher:innen laut Infludata mit rund 47.000 Views pro Post rechnen. Die Zahl der Follower:innen ist dabei speziell in diesem Jahr nochmal deutlich gewachsen. Anfang 2022 lag sie bei etwa 65.000, inzwischen bei rund 220.000.
Die drei wichtigsten Learnings der Urlaubsguru-Macher
Generell hat das Urlaubsguru-Team in den vergangenen Jahren drei wichtige Erkenntnisse für den Markenaufbau bei Tiktok gewonnen, die nicht nur für Tourismus-Unternehmen gelten:
- Die Community muss sich vom Content angesprochen fühlen: Das funktioniert, wenn die Inhalte an sich überzeugen und geteilt werden können – also beispielsweise Angebote, Orte oder Neuigkeiten.
- Kein Wachstum ohne Interaktion mit der Community: Laut dem Urlaubsguru-Team sollte man versuchen, jeden Kommentar zu beantworten. Vor allem dann, wenn ein Video an Fahrt aufnehme. Mindestens genauso wichtig sei es allerdings, so aktiv wie nur möglich unter anderen Videos zu kommentieren. User:innen müssten ständig in Berührung mit dem Unternehmensnamen kommen. Dabei sei die Qualität des Kommentars oft ausschlaggebend. André Dreßler braucht nach eigenen Angaben manchmal zwischen 10 und 15 Minuten, bis er den Kommentar so formuliert hat, dass er aus seiner Sicht gut funktioniert.
- Viel hilft viel: Das Urlaubsguru-Team versucht, dauerhaft im Feed der User:innen zu landen, um so auch den Tiktok-Algorithmus zu trainieren. Ob ein Video viral geht, ist dann zwar weiterhin oft Zufall, aber immerhin könne man so bei Posts zu Angeboten oder Reisetipps mit einer gewissen Reichweite immer rechnen. „Es müssen nicht 15 Videos pro Woche sein, aber auch nicht zwei Videos in einer Woche und in der nächsten Woche dann wieder zehn. Besser ist es, konstant aktiv zu sein“, heißt es.
Axel-Springer-Chef würde Tiktok am liebsten verbieten
Das Urlaubsguru-Team ist überzeugt, dass Unternehmensseiten bei Tiktok so erfolgreich wie Influencer:innen werden können. Aktuell setzt das Unternehmen aus Holzwickede nahe Dortmund daher vor allem auf den eigenen Markenaufbau. Denn tendenziell ist die Zielgruppe bei Tiktok zwar jünger und damit meistens noch nicht so kaufkräftig wie bei anderen Plattformen (speziell wenn es um eher große Warenkörbe wie bei Reisebuchungen geht), aber: „Wie auf allen anderen Social-Media-Plattformen altert die Zielgruppe mit und neue Zielgruppen schließen sich an. Inzwischen sind auch immer mehr 20-30-Jährige auf TikTok aktiv und interagieren mit uns“, heißt es bei Urlaubsguru.
Rundum positiv sieht man die Plattform in Holzwickede aber nicht. So weit wie Axel-Springer-Chef Mathias Döpfner würde das Urlaubsguru-Team zwar nicht gehen. Dieser hatte in einem Interview kürzlich gesagt, Tiktok solle in allen Demokratien verboten werden. Die Springer-Marken „Bild“ und „Welt“ sind nicht auf Tiktok vertreten, weil der CEO überzeugt ist, dass personenbezogene Daten nicht durch die Hintertür in die Hände des chinesischen Staates fallen sollen. Ob man diese Haltung dauerhaft durchhalten könne, wisse er aber nicht, räumte Döpfner ein. Vielleicht verliere man dadurch irgendwann zu viel Publikum. Urlaubsguru hat sich aufgrund der hohen Priorität von Social Media für Tiktok entschieden. Allerdings heißt es vonseiten des Unternehmens auch: „Tiktok muss dringend transparenter und verantwortungsbewusster mit dem Datenschutz umgehen.“