Top oder Flop? Producer-Legende Timbaland steigt als Berater beim KI-Musiktool Suno ein
Der vierfache Grammy-Gewinner veröffentlicht zum Start der Partnerschaft seine neue Single "Love Again" auf der Plattform
- 100.000 US-Dollar Preisgeld und offizielle Remixe
- Kritik gegen KI in der Kunst, Suno – und Timbaland
- Timbaland und Suno: Ein perfect Match?
Vier Grammys, über 500 Gold- und Platin-Platten, Verkäufe im dreistelligen Millionenbereich und Zusammenarbeiten mit zahlreichen Superstars – Timbaland ist nicht nur nach Zahlen einer der erfolgreichsten Musikproduzenten überhaupt. Sein Sound prägte die Industrie der späten 90er und frühen 2000er Jahre. Jetzt verkündet er eine strategische Partnerschaft mit dem mit 125 Millionen US-Dollar finanzierten KI-Musiktool Suno. Für die KI-Gegner unter den Kunstschaffenden dürfte das ein Affront sein, für die großen Musiklabels sowieso. Es wäre nicht das erste Mal, dass Timbaland Kritik einstecken muss.
"I just love innovation", sagt Timothy Zachary Mosley, besser bekannt als Timbaland, im neuen Video auf dem Youtube-Kanal von Suno. Und weiter: "Suno is the tool. It is the tool to turn your music into something that you have never heard." Es gibt nicht viele Produzent*innen, die einer solchen Aussage so viel Nachdruck verleihen können, wie Timbaland. Er hat mit den ganz großen Namen der Branche zusammengearbeitet, komplette Alben für Justin Timberlake und Missy Elliot produziert. Seine Diskographie liest sie wie ein Best of der vergangenen 30 Jahre, lange trug der Sound von Künstler*innen wie Nelly Fortado bis Jay-Z seine Handschrift.
Hinter der Aussage steht aber nicht einfach nur private Begeisterung. Sie ist Teil einer jetzt verkündeten Partnerschaft zwischen Timbaland und eben jenem KI-Musiktool, das erst seit wenigen Monaten auf dem Markt ist. Der Produzent soll in Zukunft als strategischer Berater agieren. Und zum Auftakt gibt es nicht nur das zitierte Interview in Sunos neuem Content-Format "Muse", sondern direkt die erste aufmerksamkeitsstarke Promo-Aktion für ein neues Feature des Tools.
100.000 US-Dollar Preisgeld und offizielle Remixe
Seit Ende 2023 ist die erste Version von Suno live, das erste große Medienecho für das von Michael Shulman, Georg Kucsko, Martin Camacho und Keenan Freyberg gegründete "ChatGPT für Musik" gab es dann Ende März mit der Veröffentlichung des Modells v3. User konnten jetzt kostenlos mit einfachen Prompts, der Wahl eines Musikstils und ein paar wenigen weiteren Angaben Musiktracks aus der KI-Konserve produzieren lassen. Die klingen zwar auch heute noch oft etwas maschinell und blechern, immer häufiger aber auch fast so gut, dass die Herkunft aus einem auf künstlicher Intelligenz basierendem Musikprogramm kaum mehr herauszuhören ist.
Das haben nicht nur zahlreiche Podcast-Formate erkannt und im Laufe des Jahres mit Suno erstelle Intros veröffentlicht (hier zum Beispiel bei "Fest & Flauschig" mit Jan Böhmerman und Oli Schulz), spätestens im Mai dieses Jahres waren dann auch Investoren überzeugt und haben 125 Millionen US-Dollar in das Startup gesteckt. Zu den Geldgebern gehören Lightspeed Venture Partners, Nat Friedman, Daniel Gross, Matrix und Founder Collective.
Zwölf Millionen User sollen bis Mitte des Jahres laut Suno Musik mit dem Tool produziert haben. Und die Timbaland-Kamapange ziehlt natürlich auch darauf ab, diese Zahl deutlich zu vergrößern. Mit Hilfe der neuen Cover-Funktion rufen Suno und der Produzent dazu auf, seinen vorab exklusiv auf der Plattform veröffentlichten Song "Love Again" zu remixen. Die ersten beiden Plätze erhalten neben 25.000 bzw. 15.000 US-Dollar eine offizielle Remix-Veröffentlichung mit Starproduzent Timbaland, außerdem sollen unter anderem die Remixe mit den meisten Views bei Instagram Reels und Tikok jeweils 3.000 US-Dollar Preisgeld erhalten.
Kritik gegen KI in der Kunst, Suno – und Timbaland
Dass Künstler*innen, Kulturschaffende und Rechteinhaber nicht zwangsläufig Fans von künstlicher Intelligenz und technischen Eingriffen in kreative Prozesse sind, dürfte hinlänglich bekannt sein. Am Ende geht es um die große Frage nach dem geistigen Eigentum – und damit häufig auch direkt um die große Frage nach dem großen Geld. Unter der Woche wurde ein Statement mit über 13.5000 Unterschriften veröffentlicht, dass sich ohne ein konkretes Modell zu nennen gegen das unlizensierte Nutzen von kreativer Arbeit für das Trainieren von künstlicher Intelligenz ausspricht. Es handele sich um eine große Bedrohung für den Lebensunterhalt derer, die hinter den entsprechenden Werken stehen, heißt es auf aitrainingstatement.org. Zu den prominenten unterzeichnenden Personen gehören Mitglieder von Abba, Radiohead und The Cure, ebenso wie Verbände und Konzerne wie Sony und Universal.
Gerade für die Major Labels ist eine Unterschriftenaktion nur ein symbolischer Schritt. Das eigentliche Mittel der Wahl sind Klagen – und die wurde bereits Mitte Jahres in den USA eingereicht. Der US-Branchenverband RIAA wirft Suno und Wettbewerber Udio vor, ihre KI-Modelle an urheberrechtlich geschützten Songs trainiert zu haben. Die Universal Music Group, die Warner Music Group und Sony Music Entertainment wollen bis zu 150.000 US-Dollar pro Verletzungsfall, bei erfolgreicher Klage wären beide Startups damit pleite. Suno hatte in der Folge zugegeben, Musik der Labels für sein Modell genutzt zu haben, beruft sich dabei aber auf "Fair Use".
Timbaland und Suno: Ein perfect Match?
Beim Blick auf Timbalands Karriere entbehrt es nicht einer gewissen Ironie, dass gerade er zu diesem Zeitpunkt gemeinsame Sache mit dem in der Kritik stehenden Startup Suno macht. Denn abseits seiner unbestreitbaren Legacy für eine ganze Generation an Künstler*innen und Musikfans hat es in der Vergangenheit auch für einen Teil seiner Entscheidungen nicht immer nur Beifall gegeben. So sah er sich bereits mehrfach mit Urheberrechtsverletzungen konfrontiert, unter anderem im Zusammenhang mit Produktionen für Nelly Fortado, die er allerdings meistens abwenden konnte. Im Fall eines Schweizer Jazzmusikers knickten Timbaland und Jay-Z aber ein; für den Song "Versus" bekam Bruno Spoerri die Hälfte aller Tantiemen.
So wirbt Suno auf der eigenen Seite für die Kampagne mit Producer Timbaland.
2019 verkaufte Timbaland dann einen Großteil seines Musikkatalogs an Hipgnosis. Das Unternehmen befindet sich bereits seit Jahren auf großer Einkaufstour durch die Musikgeschichte. Zum Portfolio gehören unter anderem Blondie, 50 Cent und die Red Hot Chili Peppers. Ende Juli ging Hipgnosis selber dann für 1,6 Milliarden US-Dollar an Blackstone.
Während der Covid-Pandemie initiierte Timbaland gemeinsam mit Rapper und Produzent Swizz Beatz das virtuelle Battle-Format "Verzuz". 2021 schnappt sich die Social-Video-Plattform Triller das Format. Schon für den Schritt hagelte es Kritik und Sellout-Vorwürfe. Danach kam es dann außerdem noch zu Unstimmigkeiten wegen offenbar ausbleibender Zahlungen in Höhe von 28 Millionen US-Dollar, die zwar außergerichtlich beigelegt werden konnten, trotzdem erneut einen Beigeschmack hinterlassen hatten. Und auch bei seinem jüngsten Projekt, der Beatplattform Beatclub, scheint es Ungereimtheiten zu geben.; im Raum stehen unter anderem lange unbezahlte Mitarbeitende.
All das werden sich die Suno-Verantwortlichen im Vorfeld der Partnerschaft mit Sicherheit genau angeguckt haben. Am Ende hat Suno in Timbaland vielleicht den idealen Berater gefunden – er kennt sich nicht nur mit Musik, sondern auch mit Kritik und Krisen bestens aus.