Tiktok, Reels oder doch Youtube Shorts? Der OMR-Kurzvideo-Ratgeber

Welche Plattform am besten zu Euch passt und was Ihr beachten müsst, um mit Kurzvideos durchzustarten

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Inhalt
  1. Tiktok
  2. Instagram Reels
  3. Youtube Shorts
  4. Fazit

Ob Konzern, Mittelständler oder Personal Brand: Wer auf Social Media erfolgreich sein will, hat dank dem Kurzvideo-Hype gerade die besten Chancen. Aber welche Plattform ist für Euren Video Content am besten geeignet: Tiktok, Instagram Reels oder doch Youtube Shorts? Der OMR-Ratgeber verrät es Euch.

Der kometenhafte Aufstieg von Tiktok hat den Plattformmarkt auf den Kopf gestellt. Eine Milliarde Menschen nutzen die Kurzvideo-App mittlerweile, die für Werbetreibende so wichtige durchschnittliche Verweildauer beträgt rund 95 Minuten am Tag – mehr als auf jeder anderen Plattform. Kein Wunder, dass die einstigen Social Media Platzhirsche aus dem Silicon Valley mit eigenen neuen Features versuchen, die App der Stunde zurückzudrängen. Im August 2020, US-Präsident Trump geht da gerade mit allen Mitteln gegen Tiktok vor, führt Instagram den eigenen Kurzvideo-Hub Reels ein, Google-Tochter Youtube launcht im Juni 2021 Youtube Shorts in Deutschland.

Seitdem herrscht wieder Reichweiten-Goldgräberstimmung in den Marketing-Abteilungen deutscher Unternehmen. First Mover, also die ersten ihrer Branche, versprechen sich Vorsprung gegenüber der langsameren Konkurrenz, der Wettkampf zwischen den Plattformen führt dazu, dass sich die Reichweitenrekorde zeitweise überschlagen. Dazu kommt, dass von den Plattform-Betreibern selbst ständig neue Features und Monetarisierungstools gelauncht werden, um mehr Creator und Werbetreibende von sich zu überzeugen (und langfristig die eigene Zukunft zu sichern).

Anders gesagt: Wer seine Social Media Präsenz auf ein neues Level heben will, hat jetzt mit Kurzvideo-Content die besten Chancen dazu. Nur, welche Plattform ist für Euch am besten geeignet und inwiefern unterscheiden die Plattformen sich überhaupt? Wir haben uns mit Experten unterhalten und es für Euch zusammengefasst.

Tiktok

Kernzielgruppe: Gen Z Videolänge: bis zu 10 Minuten Werbemöglichkeiten: Eingeschränkt Plattformtypisch: Trends, Bubbles, hohe Reichweiten

Tiktok ist aktuell die beliebteste App der Gen Z. Sie besteht ausschließlich aus Kurzvideos und wird von über einer Milliarde Menschen im Monat genutzt. Was die App ausmacht: „Es entwickeln sich schnell Communities rund um bestimmte Themen und Trends“, erklärt Sven Oechler, Gründer der Tiktok-Agentur Pro & Me. Beispielsweise tauschen sich Buchliebhaber:innen auf der Plattform unter Hashtag #Booktok aus, der mittlerweile mehr als 60 Milliarden Aufrufe verzeichnet (hier geht’s zum OMR Artikel darüber). Wer auf Marvel Superhelden steht, kann sich unter dem gleichnamigen 200 Milliarden Mal aufgerufenen Hashtag inspirieren lassen.

Dass sich rund um Themen und Trends schnell riesige Communities bilden, ist für neue Brands auf der Plattform eine Chance: „Unternehmen müssen ihre Nische finden und darin zum Star werden“, sagt Oechler. Um die eigene Community zu finden, eignet sich eine einfache Suche nach dem eigenen Thema oder Hashtag. Auf Tiktok gibt es Content und Communities für nahezu jede erdenkliche Branche, darunter sind Kosmetikhersteller genauso wie Fashion-Marken, aber auch Handwerksunternehmen, Bestatterbetriebe und Steuerberatungen sind dort zu finden.

Ist die Nische einmal gefunden, gilt es zu verstehen: Wer sind die erfolgreichsten Creator und Brands dort? Welche Content-Formate nutzen sie und welche Lieder benutzen sie häufig? Beispielsweise funktionieren laut Oechler Behind-the-Scenes-Videos für Menschen mit spannenden Berufen wie Moderatoren, Pilotinnen und Ärztinnen besonders gut. Und ein beliebtes Lied hinter das eigene Video zu legen ist ein Hebel für dessen Reichweite. Manchmal hilft es auf virale Trends aufzuspringen und für manch einen eignen sich humorvolle Videos der eigenen Mitarbeitenden besser. „Am wichtigsten ist es aber einzigartig zu sein“, sagt Oechler. Machen, was alle machen, aber dem Video dabei eine Eigenart zu verleihen, darin besteht die hohe Kunst des Tiktokens.

Ein klarer Nachteil der noch jungen Plattform: Die Monetarisierungsmöglichkeiten sind gerade im Vergleich zu Instagram eingeschränkt. Zwar gibt es viele Tiktok-Influencer und Brands können in Captions oder mit dem Link in der Bio auf externe Webseiten hinweisen, ein eigener Shop auf der Plattform selbst – wie beim US-Konkurrenten – ist aber (noch) nicht möglich. Auch die Planung und Messung von Kampagnen gestaltet sich bei Tiktok aktuell noch deutlich schwieriger. Und letztlich stellt sich bei Tiktok immer wieder die Frage, wie nachhaltig die hohe Reichweite wirklich ist – und wie schnell User auf der Suche nach dem nächsten Trend wieder veschwinden.

Instagram Reels

Kernzielgruppe: Millenials Videolänge: Bis zu 10 Minuten Werbemöglichkeiten: Vielfältig Typisch: Qualität statt Quantität, werbe- und shoppingfreundlich

Instagram wurde nicht nur sechs Jahre früher als Tiktok gegründet, nämlich 2010, sondern hat auch bei den Nutzerzahlen deutlich Vorsprung: Über zwei Milliarden Menschen sollen dort monatlich aktiv sein – also doppelt so viele wie auf Tiktok. Zwar sind Kurzvideos auf Instagram nicht das einzige Content-Format, gibt es immerhin noch Feedposts und Stories, aber die Kurzvideos gewinnen auch dort immer mehr an Bedeutung. Seit 2021 bezahlt Instagram Creator und Medien teilweise sogar dafür, Reels zu posten und damit das Video-Format beliebter zu machen.

Manche Unternehmen widmen immer noch viel Zeit dem Posten von Fotos und den richtigen Beschreibungen dazu. „Die befassen sich noch mit alten Themen“, erklärt Daniel Levitan, Gründer der Social Advertising Agentur Adslab. Zwar sei es gut, weiterhin mit Fotos und Grafiken zu arbeiten, schließlich existieren die Funktionen (noch). Aber wer jetzt auf Instagram wirklich erfolgreich sein will, „muss Reels zwangsweise ins Content-Portfolio mit aufnehmen.“ Allerdings, und das unterscheide Instagram von Tiktok, müssten Unternehmen dort nicht wie die meisten Creator besonders lustig oder unterhaltsam sein oder bei jedem neuen Plattform-Trend mitmachen. Vielleicht liegt das am Altersunterschied: Die Hälfte der Instagram-Nutzenden ist zwischen 25 und 39 Jahre alt und zählt damit zu den berufstätigen und kaufkräftigen Millenials.

„Für viele ist es wichtiger, dass die Brands authentisch sind“, sagt Levitan. Das heiße vor allem: regelmäßig posten und immer wieder gute Inhalte liefern . „Nur wenn ich weiß, was mich bei einem Account erwartet, folge ich ihm langfristig“, sagt Levitan. Wer gerade erst anfängt, startet am besten mit drei Videos die Woche. Besser sind qualitativ hochwertige Videos statt schnell aufgenommenen Shots mit der Frontkamera. Instagram-Content ist oft aufwändiger und professioneller produziert als der von Tiktok, auch das macht die Plattform aus.

Der Vorteil ist eindeutig: Instagram ist hinsichtlich der Monetarisierung von Content und einer Shopping-Integration weiter, als alle anderen Plattformen. Jede Brand mit Business-Account kann sich einen eigenen Online-Shop einrichten. Auf Fotos können sie ihre Produkte vertaggen und so direkt über Instagram verkaufen. Dieselbe Funktion soll auch bald für Reels zur Verfügung stehen. Generell gilt das Insta-Umfeld als besonders werbefreundlich: „Tiktok muss erstmal dahin kommen, wo Insta heute ist: Dass die Leute es völlig okay finden, etwas zu kaufen”, sagt Levitan.

Content von Tiktok zu nehmen und auf Instagram ausspielen? Das geht, sagt Levitan. „Die Videos gehen trotzdem viral.“ Er empfiehlt aber, zeitlich versetzt zu posten und das Video wenigstens im Schnitt abzuwandeln, es etwas länger oder kürzer machen. Und ganz wichtig: Auf die Textplatzierung achten. Beide Plattformen haben sogenannte „Safe Zones“, also einen definierten Bereich, wo Text im Bild stehen darf. Recyclen Unternehmen ihre Tiktok-Videos auf Instagram oder umgekehrt, kommt es häufig zu textlichen Überlappungen. „Das ist ein No Go“, sagt Levitan.

Youtube Shorts

Kernzielgruppe: breite Masse Videolänge: 60 Sekunden Werbemöglichkeiten: eingeschränkt Eigenschaften: Informativ, anspruchsvolle Community

Youtube zählt zu den Social Media Urgesteinen, ähnlich mutet auch Youtube Shorts auf den ersten Blick an, auch wenn das Kurzvideo-Feature erst seit einem Jahr existiert. Die Reichweiten lassen sich trotzdem sehen: 1,5 Milliarden monatlich aktive Nutzende will die Plattform laut eigener Aussage bereits haben. Youtube  ist deutlich älter als Instagram und Tiktok, oder anders gesagt: die Plattform befindet sich weniger im Wandel als die jungen Konkurrenten. „Youtube hat eine Kontinuität im Algorithmus“, sagt Christoph Burseg, Youtube-Experte und -Stratege unter anderem für den FC Chelsea London. Während sich Instagrams- oder Tiktoks Algorithmen ständig wieder ändern, könne man bei Youtube zuverlässig eine starke Community aufbauen. „Der Wert eines Youtube-Followers ist höher als der von anderen Plattformen“, sagt Burseg. Deshalb sei er aber auch schwerer zu generieren.

Youtube Shorts soll dabei helfen. Gedacht ist das auf der Startseite integrierte Feature in erster Linie nicht als eigenständige Kurzvideo-Plattform wie Tiktok, sondern um die User von den Kurzvideos hin zu den langen, youtube-typischen Videoformaten zu führen. Seit dieser Woche können User mit wenigen Klicks aus langen Youtube-Videos kurze Shorts erstellen. „Deshalb sehen Shorts Videos oft eher wie Teaser aus“, sagt Burseg. Grundsätzlich seien die User im Vergleich zu den anderen Plattformen mehr an informativen Inhalten interessiert, auch weil ein großer Teil der Zuschauenden von Suchmaschinen käme.

Geeignet sind Youtube Shorts vor allem für Brands, die auf Youtube bereits mit längeren Videoformaten erfolgreich sind oder werden wollen. Zum Beispiel: Liebscher und Bracht (hier im OMR Porträt), ein kleines Familienunternehmen aus Bad Homburg, das Gesundheitsprodukte über Youtube verkauft und mit Shorts bereits regelmäßig fünfstellige Aufrufzahlen erzielt. Was die Monetarisierung angeht, ist Youtube bereits weiter als Tiktok: Seit zwei Monaten bietet es die Auslieferung von Werbeanzeigen an, aus der heraus User direkt shoppen können. Den Auftakt veranstaltete der US-Kosmetikkonzern Glossier mit einer „Shoppable Shorts Challenge“. Außerdem kündigte Youtube gerade eine Kooperation mit Shopify an. Künftig sollen Produkte auch hier direkt über die Plattform vertrieben werden. Burseg warnt aber davor, den Aufwand zu unterschätzen. „Wer wirklich mit Youtube durchstarten will, muss sich trauen, fünf bis acht Videos pro Woche für ein halbes Jahr zu produzieren.“

Fazit

Es gibt weder die eine Plattform, die alles kann, noch ist es sinnvoll, alle gleichzeitig mit gutem Content bespielen zu wollen. Am Besten ist, Ihr sucht Euch eine Plattform raus und probiert die für ein paar Monate aus. In allen Fällen gilt: Community kommt über Consistency und Uniqueness. Das heißt: Nur wer regelmäßig guten, zur Plattform passenden Content liefert und dabei kreativ ist, fällt auf und hat Erfolg. Pro Tipp: Einfach mal die eigenen Mitarbeitenden fragen, die auf den Plattformen unterwegs sind, wie sie das anstellen würden. Am wichtigsten ist ohnehin nicht, dass Ihr jedem Trend folgt. Sondern dass Ihr dort seid, wo eure Kund:innen sind und Euch auf der Plattform wohl fühlt, weil sie zu Euch passt.

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Florian Heide
Autor*In
Florian Heide

Florian arbeitet seit fast zehn Jahren als Print-Journalist. Angefangen beim Lokalblatt, später als Praktikant und Freelancer für DIE ZEIT und GEO. Seit 2020 ist er Redakteur bei OMR, wo er über Startups, Viraltrends, den Wandel von Social Media Plattformen und neue Technologien berichtet. Er hat nie Bargeld dabei und verbringt die Wochenenden am liebsten weit weg von Technologie in der Natur.

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