Der neueste Affiliate-Trend: Milliarden von Views mit kuriosen Amazon-Produkten auf Tiktok

Martin Gardt25.1.2021

Um ihre Tiktok-Reichweite zu monetarisieren, preisen Influencer auch Schrott-Produkte bei Amazon an

TikTok Affiliate-Marketing-Strategien
Tiktoker empfehlen schrottige Produkte, die es auf Amazon zu kaufen gibt – und kassieren Provision.
Inhalt
  1. Aufmerksamkeitsmaschine Tiktok
  2. QVC der jungen Generation
  3. Was ist für die Creator drin?
  4. Chance für Händler und Brands

Mittlerweile sollte klar sein, dass auf Tiktok monströse Reichweiten zu holen sind. Selbst mit wenigen Followern können Beiträge Millionen Aufrufe und Likes erzielen. Immer wieder gehen Produkte wie zuletzt ein Cranberry-Saft viral. Wir zeigen, wie findige Creator dieses Viral-Potenzial der Plattform nutzen, um gutes Geld mit Amazon-Affiliate-Links zu verdienen und wie spezielle Accounts entstehen, die sich nur um Produkt-Empfehlungen mit angeschlossenem Affiliate-Business drehen.

Ryan Mulvany holt immer alles aus seinen 15 bis 60 Sekunden auf Tiktok raus. Er preist einen Plastik-Mixer an, der den Pancake-Teig direkt in die Pfanne spritzen kann. Er zeigt eine Hantel, deren Gewicht er per Dreh am Griff verstellen kann. In einem anderen Video bekommen seine Follower einen Diamantputzer zu sehen. Mit seinen Amazon-Produktempfehlungen hat es Mulvany zu über 323.000 Followern auf Tiktok gebracht. Meist erreicht er mit seinen Videos 10.000 bis 100.000 Views. Einzelne Clips, wie etwa zwei, bei denen er auf Amazon verkaufte Gesichtsmasken ausprobiert, kommen auf 1,6 und zwei Millionen Views. In jedem seiner Videos regt er zum Klick auf den „Link in seiner Bio“ an – hier steckt sein Geschäftsmodell.

Aufmerksamkeitsmaschine Tiktok

Wer auf den Link in der Accountbeschreibung von Ryan Mulvany klickt, landet auf seiner Linksammlung. Hier verweist er auf alle von ihm vorgestellte Amazon-Artikel. Wer auf einen der Links klickt, landet auf der jeweiligen Amazon-Produktseite. Jeder Kauf in der anschließenden Session bringt Mulvany dann Affiliate-Provisionen. Je nach Produkt liegen die zwischen einem und zwölf Prozent des Verkaufspreises.

Mulvany empfiehlt die Produkte aber noch aus einem anderen Grund. Er arbeitet bei der Amazon-Agentur Quiverr, die nicht nur Händler bei ihrer Strategie berät, sondern auch eigene Produkte auf Amazon verkauft – die landen natürlich auch in Mulvanys Produkt-Tipps. „Wenn ich ein Influencer werden kann, dann kann ich doch auch Produkte anpreisen, die dem ganzen Unternehmen helfen“, sagt er gegenüber Modern Retail.

QVC der jungen Generation

Ryan Mulvany ist aber bei weitem nicht der einzige Tiktoker, der seine Follower mit Amazon-Empfehlungen versorgt und so Provisionen einsackt. Der Kanal „toponlinefinds“ zeigt ebenfalls ziemlich abgedrehte Produkte, wie etwa eine selbstverschließende Zahnpaste-Kappe, einen elektrischen Handtuchwärmer-Behälter oder einen Nagellack-Halter, der wie ein Ring aufgesteckt wird. Der Account verzeichnet 2,2 Millionen Follower. Auch Bloggerin Teresa Caruso hat sich auf Tiktok komplett Amazon-Tipps verschrieben. Sie zeigt vor allem Einrichtungsgegenstände und begeistert damit 2,7 Millionen Fans.

Die Liste ließe sich unendlich weiterführen – nach kurzer Recherche finden sich über 100 Tiktoker, die vor allem Amazon-Produkte pushen. Videos mit dem von solchen Affiliate-Tiktokern meist genutzten Hashtag #amazonfinds wurden auf der Plattform über sechs Milliarden Mal angesehen. Weitere beliebte Hashtags in dem Bereich: #amazon (neun Milliarden Views), #amazonmusthaves (1,6 Milliarden Views) und #founditonamazon (1,3 Milliarden Views). Tiktok-Accounts sind mit ihren ausgefallenen Produkt-Ideen richtig viral gegangen. Ariana Lucidonio sammelt 51 Millionen Views auf ihre Vorstellung einer Peeling-Maske für Füße. Teresa Carusos Clip über eine Laser-Tastatur bringt 39 Millionen Views. Und die Vorstellung eines Hightech-Notizblocks von „findswithkayla“ liefert 21,4 Millionen Views.

Die Inhalte-Strategie der Tiktoker gleicht sich: Meist zeigen die Creator ein kurioses, neuartiges Produkt, erklären und zeigen die Funktionsweise, schreiben dazu Dinge wie „du wusstest noch nicht, dass du so etwas brauchst“ und verweisen auf den Link in ihrer Beschreibung, der dann zu den Amazon-Affiliate-Links führt. Das ist nötig, weil Amazon Tiktok nicht als verifizierte Affiliate-Plattform akzeptiert. Eine weitere Content-Variante: Aktuelle Rabatte auf bekannte Produkte wie Apples Airpods präsentieren. Einzelne Creator haben sich zusätzlich eigene „Amazon Storefronts“ angelegt, wo die vorgestellten Produkte direkt auf der E-Commerce-Plattform in einer Art Schaufenster angezeigt werden. Mit dieser Art für die Entdeckung nischiger Produkte zu sorgen, gleicht das Tiktok-Affiliate-Business durchaus Teleshopping – nur für eine deutlich jüngere Zielgruppe. Deshalb liegen viele der beworbenen Produkte in einem Preissegment von unter 100 Euro. 

Was ist für die Creator drin?

Derzeit wirkt es so, als seien die Creator auf eigene Faust auf Produktsuche – es fließt also kein Geld über klassische Influencer-Deals. Wie viel einzelne Tiktoker nur durch Affiliate-Provisionen pro Monat verdienen können, ist deshalb eine Black Box und von Fall zu Fall unterschiedlich. Nehmen wir aber das Beispiel von Rachel Meaders (1,6 Millionen Follower auf Tiktok). Sie hat allein 19 „Amazon Storefronts“ eingerichtet, wo sie ihre auf Tiktok vorgestellten Produkte kaufbar macht – sortiert nach Themenbereichen wie „Gadgets“, „Home Decor“ oder „Kitchen“. Allein in ihrer Storefront „Things You Didn’t Know You Needed Off Amazon“ zeigt sie 159 Produkte. Für jeden Kunden, der über Tiktok und ihre Storefronts zu Amazon kommt und Produkte kauft, kassiert sie eine Provision.

Produkte aus der Amazon Storefront von Tiktokerin Rachel Meaders

Als sie zuletzt einen USB-Stick auf Tiktok vorstellt, mit dem man eine Apple Watch kabellos laden kann, liken das Video fast 140.000 Nutzende. Wenn von diesen nur zehn Prozent das 10-Dollar-Produkt auf Amazon kaufen, bleiben für Rachel Meaders, legt man die aktuelle Provisionshöhe von drei Prozent an, die Amazon USA aktuell im Elektronik-Bereich gewährt) 5.600 US-Dollar – allein für den USB-Stick, der seit ihrer Vorstellung auf Tiktok übrigens bei Amazon ausverkauft ist.

Chance für Händler und Brands

Offenbar verkaufen sich aber nicht nur leicht schrottige Nischenprodukte durch Tiktok-Empfehlungen. Auch Beauty-Tipps kommen bei der jungen und größtenteils weiblichen Zielgruppe augenscheinlich gut an. Denn nicht nur Creator zeigen häufig Kosmetik-Produkte, die es bei Amazon zu kaufen gibt. „Für uns ist Tiktok der größte Traffic-Treiber“, sagt Dino Ha, Gründer und CEO des US-DTC-Unternehmens Memebox, gegenüber Glossy. (hier wird die „Vielmarken-Strategie“ der Firma erklärt). Weil die Tiktok-Zielgruppe mit Amazon bereits so vertraut ist, verweisen die Accounts der Memebox-Brands „I Dew Care“ und „I’m Meme“ auf die Amazon-Stores und nicht auf den eigenen Online-Shop. „Ich glaube, wir lassen das auch so, weil es einfach funktioniert“, so Dino Ha. Fast jeder Post des Accounts von „I Dew Care“ ist mit dem Hashtag „amazonfinds“ versehen – der Stil der Produktvorstellung ähnelt dem von Creatorn: Produkt zeigen, auspacken, ausprobieren.

In der Zukunft dürften weitere Brands und Amazon-Händler auf den #amazonfinds-Zug aufspringen, um ihre Produkte viral gehen zu lassen. Es bleibt nur die Frage, was die beste Strategie dabei ist: Den eigenen Tiktok-Account bespielen und Amazon-Hashtags an die Beiträge packen oder Amazon-Affiliate-Influencer verpflichten, um das eigene Produkt zu präsentieren? Noch dürfte Zweiteres relativ günstig sein – die Provision von Amazon kommt für die Creator ja noch obendrauf.

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MG
Autor*In
Martin Gardt

Martin kümmert sich vor allem um neue Artikel für OMR.com und den Social-Media-Auftritt. Nach dem Studium der Kommunikations- und Medienwissenschaft ging er zur Axel Springer Akademie, der Journalistenschule des Axel Springer Verlags. Danach arbeitete er bei der COMPUTER BILD mit Fokus auf News aus der digitalen Welt und Start-ups. Am Wochenende findet Ihr ihn auf der Gegengerade im Millerntor.

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