Von ambitionierten NBC-Reportern zu Newsletter-Heldinnen mit Millionen-Reichweite
- Wie zwei TV-Kolleginnen mit ihrem täglichen Newsletter „theSkimm“ durchstarten
- Tausende Subscriber in wenigen Wochen, Empfehlungsmarketing als Wachstumshebel
- Promi-Boost: Das passiert, wenn Oprah Winfrey Dein Fan ist
- Wie verdient ein journalistischer Newsletter wie theSkimm Geld?
Wie zwei TV-Kolleginnen mit ihrem täglichen Newsletter „theSkimm“ durchstarten
Vor vier Jahren gründen die jungen NBC-Reporter Danielle Weisberg und Carly Zakin mit „theSkimm“ einen täglichen Newsletter, der die wichtigsten Nachrichten des Tages zusammenfassen sollte. Heute hat das Projekt über 3,75 Millionen Abonnenten, darunter Promis wie Oprah Winfrey. Wie konnten die zwei Journalistinnen in kürzester Zeit diese enorme Reichweite aufbauen und knapp acht Millionen Euro Kapital einsammeln?Danielle Weisberg und Carly Zakin sind 26 Jahre alt, arbeiten noch als Redakteure für den amerikanischen Nachrichtensender NBC News und wohnen sogar zusammen in einem kleinen Appartement. Die Karrierechancen der studierten Journalistinnen stehen alles andere als schlecht. Und trotzdem sind beide nicht so recht zufrieden. „Immer wieder mussten wir extrem smarten Freunden erzählen, was eigentlich den Tag über so passiert ist. Sie hatten einfach keine Zeit. Wir waren ihre tägliche, persönliche News-Quelle“, erzählt Danielle in einem Interview. Wenig Zeit für News und beruflich stark eingespannt sind zwei wesentliche Charakteristika der Generation der Millenials. Frustriert und mit dem Wissen, dass die eigene Arbeit scheinbar immer weniger bei dieser gewünschten und so begehrten Zielgruppe ankommt, entsteht die Idee zu theSkimm, einem täglichen, in sehr persönlichem Stil geschriebenen Newsletter.
Dieser soll genau das bieten, was die zwei bis dato in Gesprächen mit Freunden vermitteln: eine Zusammenfassung der wichtigsten News des Tages mit sehr persönlicher Note und eigener Tonalität, wie von einem Kumpel erzählt und nicht zu vergleichen mit einem „seriösen“ Nachrichtenmedium. Das drückt auch der Name des Newsletters aus. Er leitet sich vom englischen Verb „to skim“ (etwas überfliegen) ab. Die Inhalten sollen gewährleisten, dass man bei Small Talks mit Freunden und Kollegen immer mitreden kann oder etwas zu erzählen hat. So soll TheSkimm Teil der Morgenroutine werden – dank der rasant steigenden Verbreitung von Smartphones wird das Checken von E-Mails noch im Bett direkt nach dem Aufwachen immer beliebter. „Wir wollten ein fester Bestandteil genau dieser morgendlichen Routine sein“, sagt Danielle Weisberg.
Tausende Subscriber in wenigen Wochen, Empfehlungsmarketing als Wachstumshebel
Heute, etwas weniger als vier Jahre später, hat theSkimm nach eigenen Angaben über 1,5 Millionen Abonnenten, die den Newsletter täglich öffnen. Die Öffnungsrate betrage 40 Prozent, die Anzahl aller Abonnenten dürfte also bei über 3,75 Millionen liegen. Eine solche Reichweite entsteht natürlich nicht von alleine und bedarf einem cleveren Audience Development. Schon am ersten Tag schicken Weisberg und Zakin 5.500 Mails an alle Freunde, Bekannte, Mail- und Facebook-Kontakte, was theSkimm direkt 800 Signups beschert. Auch ein Artikel auf forbes.com direkt am Launchtag von einem Bekannten dürfte hilfreich gewesen sein. Kurz darauf schreiben die Gründerinnen Hode Kotb an, eine Moderatorin von NBCs Today Show. Tatsächlich erwähnt sie in der Folge theSkimm als einen ihrer Lieblings-Newsletter im Netz, was erneut rund 5.000 neue Abonnenten einbringt. Auch für „Grassroot Marketing“ sind sich die zwei nicht zu schade, touren durch Caféterias von insgesamt zwölf Universitäten und verteilen Flyer. Einer der relevantesten Erfolgs- und Wachstumsfaktoren für theSkimm dürfte in der Folge wohl die Community sein. Obwohl Weisberg und Zakin Anfangs noch keine Pläne oder gar Strategien in diese Richtung verfolgen, realisieren sie schnell, wie hilfreich Abonnenten sein können, die zu wahren Fans werden und sich mit der Marke identifizieren. „Wir haben wirklich kein bisschen über Community-Building nachgedacht, die Community ist einfach zu uns gekommen“, sagt Carly Zakin gegenüber Niemanlab.org.
Aus der Erkenntnis, wie hilfreich loyale Follower als Growth-Hacking-Hebel sein können, wächst ein cleveres Empfehlungsmarketing. Seit 2014 können Leser zum sogenannten Skim’Bassador werden (abgeleitet von Ambassador). Heute seien rund 11.000 dieser Markenbotschafter unterwegs, die für 18 Prozent des Newsletterwachstums sorgen. Verschiedene kleine Belohnungen sollen die Fans bei der Stange halten. Je nach Anzahl von geworbenen Abonnenten gibt es Dankespakete. Weisberg und Zakin laden Skim-Bassdador auch immer wieder ins Büro in New York ein, vereinbaren Telefonate und bieten teilweise Jobs im wachsenden Team an. Unter dem zugehörigen Hashtag #SkimmLife finden sich in sozialen Netzwerken Tausende von Beiträgen.
Promi-Boost: Das passiert, wenn Oprah Winfrey Dein Fan ist
Neben dem mehr oder weniger selbst aufgebauten Empfehlungsmarketing-System hat theSkimm den nicht selbstverständlichen Luxus, auf ziemlich prominente Influencer als treue Fans zurückgreifen zu können – allen voran US-Kult-Talkmasterin Oprah Winfrey. Nach einem Tweet im Oktober 2014 (oben eingebettet) folgt wenig später sogar eine eigene kleine Miniserie innerhalb des Oprah Winfrey Networks. Die sechs Folgen sind bis heute online und dürften enorm zu der Bekanntheit des Newsletters beigetragen haben. Auch hier geben sich Danielle Weisberg und Carly Zakin bescheiden. „Eine Leserin ist lustigerweise die Tochter einer Angestellten beim Oprah Winfrey Network und hat uns da ins Spiel gebracht“, erklärt Weisberg gegenüber CNN. Weitere prominente Unterstützer und Fans sind unter anderem Sarah Jessica Parker, Reese Witherspoon und Amerikas First Lady Michelle Obama.
Am Anfang habe es noch häufig Kritik am gewählten Format Newsletter gegeben. Dabei entscheiden sich die Gründerinnen ganz bewusst dafür und gegen andere Vertriebswege. Danielle Weisberg sagt: „Es war auf jeden Fall eine durchdachte Entscheidung, erst einmal auf Blog, Website oder App zu verzichten.“ Heute hat theSkimm dennoch auch in sozialen Netzwerken eine recht ansehnliche Reichweite: über 500.000 Fans bei Facebook, 135.000 Follower bei Twitter und 233.000 Abonnenten bei Instagram. Und auch die Website, die nicht viel mehr als ein Archiv der verschickten Newsletter beinhaltet, kommt laut dem Analysedienst SimilarWeb auf immerhin über eine Million Visits im Monat. Daher bezeichnen sich Weisberg und Zakin auch längst nicht mehr als Newsletter-, sondern als Multi-Platform-Audience-Company. Die Kernzielgruppe bestehe aus jungen Frauen von 22 bis 34 Jahren aus Großstädten, die morgens sofort die wichtigsten News lesen wollen. Rund 20 Prozent der Leser seien männlich. Und die Kritik an der Newsletter-Only-Strategy scheint auch ungerechtfertigt gewesen zu sein. Neben den Abonnenten-Zahlen und einer nach eigenen Angaben richtig guten durchschnittlichen Öffnungsrate von 45 Prozent zeigen das vor allem zwei Investitionsrunden. Insgesamt konnte theSkimm bisher 7,83 Millionen Dollar einsammeln.
Wie verdient ein journalistischer Newsletter wie theSkimm Geld?
Gerade nach Investitionsrunden in dieser Größenordnung und einer wachsenden Belegschaft (im Sommer 2015 waren es schon 15 Vollzeitstellen) rückt das Thema Monetarisierung natürlich immer weiter in den Vordergrund. Trotzdem bleibe der Reichweitenausbau laut Weisberg weiterhin das wichtigste Ziel: „Leserwachstum war und bleibt auch unsere Priorität. Und besonders wichtig ist uns dabei, das hohe Engagement beibehalten zu können.“ Seit einem Jahr experimentiere theSkimm mit Native Advertising-Kampagnen; zu den bisherigen Kunden zählen Unternehmen und Formate wie Netflix, ABC, HBO, Showtime und die NBA. Ein schmaler Grat bei einem Newsletter im persönlichen „Kumpelstil“. „Wir sind sehr kritisch bei Sponsoren und Partnern und wählen nur solche aus, bei denen wir sicher sind, dass sie zu unserer Zielgruppe passen. Wir haben für diese selektive Herangehensweise sogar schon Dankes-Mails bekommen“, betont Carly Zakin. Eine weitere Einnahmequelle scheinen Affiliate-Links zu sein. Im aktuellen Newsletter ist zum Beispiel ein Amazon-Link zu einer Flasche Rosé enthalten.
Newsletter hatten lange kein gutes Image als Vertriebskanal von Content – ziemlich altbacken, leicht angestaubt und fast ausgestorben. Dieser Tage erlebt der Kanal aber ein wahres Revival. Neben theSkimm gibt es noch zahlreiche weitere Beispiele. Die New York Times bietet aktuell sehr erfolgreich dutzende verschiedene Themen-Newsletter an, angeblich mit Öffnungsraten von bis zu 70 Prozent. Ähnlich auch der Business Insider, der über Newsletter unter anderem seine kostenpflichtigen Studien und Reports vertreibt. 2008 verkaufte Dany Levy seinen Newsletter DailyCandy für 125 Millionen Dollar an Comcast (auch wenn das im Nachhinein vielleicht nicht die beste Entscheidung war). Dann gibt es noch Savoteur, bis Ende 2015 als Daily Secret bekannt. Und nicht zu vergessen Fany Péchiodat, die vor zwei Wochen auf unserer Konferenz-Bühne beeindruckend erzählt hat, wie sie über ihren Newsletter „My little Paris“ mit Millionen Abonnenten Beauty- und Fashionboxen vertreibt. Vielleicht einigen wir uns einfach auf Folgendes: Newsletter sind auf keinen Fall tot.