Die Strippenzieher des deutschen Esports: Wie die Next Gen das Establishment aufmischt

Drei zum Teil völlig unterschiedliche Newcomer der Esports- und Gaming-Szene, die auf jede Watchlist gehören

Eintracht Spandau
Max Knabe alias HandOfBlood als Präsident von Eintracht Spandau (Foto: Eintracht Spandau)

So richtig alt ist die Esports-Szene ja noch nicht. Doch langsam aber sicher trifft die Generation, die seit Anfang der 2000er rund um den Urknall der ESL das Business prägt, auf einige „new kids on the block“. OMR hat drei Challenger herausgepickt, die mit neuen Ansätzen das Ökosystem bereichern.

Der kometenhafte Aufstieg des Elias Nerlich

Anfang 2018 ist Elias Nerlich noch ein ganz normaler FIFA-Spieler, der den Traum hat, Esportler zu werden, sagt sein Entdecker Dennis Andreas Nirtl im dritten Teil der aktuellen Esports-Serie von OMR. Heute, also ziemlich genau fünf Jahre später, ist „EliasN97“ einer der deutschen Superstars im Live-Streaming.

Bei Twitch, Youtube und Instagram folgen ihm kumuliert über vier Millionen Menschen; alleine die über 1.000 Videos seines Youtube-Channels erzielten bis Anfang März 2023 über 300 Millionen Aufrufe. Laut der Analyse-Plattform „Streams Charts“ schauen Nerlichs Inhalte bei Twitch im Durchschnitt rund 30.000 Menschen – pro Tag.

Elias Nerlich auf seine enormen Reichweiten als Streamer zu reduzieren würde dem 25-Jährigen allerdings lange nicht gerecht werden. Er ist ein Paradebeispiel für die boomende Creator Economy. So hat Nerlich beispielsweise das Vitaminwasser Vitavate, die Modemarke Elevate Berlin und die Fitness-App PerformAll mitgegründet.

Auch in der Esports- und Gaming-Welt ist Nerlich ein Name: Als FIFA-Profi spielt er von 2018 bis 2021 für das Esports-Team des Fußballbundesligisten Hertha BSC und wird danach Co-Owner und Geschäftsführer des Fokus Clan, mit 13 Millionen Follower*innen Deutschlands meistgefolgtes Esports- und Gaming-Team.

UnsympathischTV und Trymacs beim „Eligella Cup“

Was Nerlich besonders macht: Er denkt nicht nur digital. Beim „Real Life Eligella Cup“ treten 2022 auf Nerlichs Initiative die bekanntesten deutschen Streamer und E-Sportler in einem realen Fußballturnier gegeneinander an. Mit dabei sind Streaming-Größen wie Montana Black, UnsympathischTV und Trymacs, die zusammengerechnet sowohl auf Youtube als auch auf Twitch für knapp zehn Millionen Follower*innen stehen.

Der Eligella Cup gehört weltweit zu den größten Events seiner Art. Die Tickets für die Veranstaltung sind so begehrt, dass kurzerhand die Verkaufsseite zusammenbricht. Vor Ort im ausverkauften Münchner Audi Dome sind letztlich über 6.000 Zuschauer*innen dabei, die digitalen KPIs gehen ebenfalls durch die Decke (siehe Bild oben). Als klassischer Übertragungspartner ist RTL+ an Bord.

KPIs zum Real Life Eligella Cup

KPIs zum Real Life Eligella Cup 2021

In Kürze folgen als Event die „Eligella Winter Games“ in St. Moritz. Dabei werden sich zwölf namhafte Streamer*innen in verschiedenen Spielen duellieren. Mit dabei ist unter anderem auch Isabell Schneider alias HoneyPuu, die kürzlich auf dem ersten Platz der weltweit am längsten angeschauten Twitch-Streamerinnen lag (hier im OMR-Porträt). Die „Eligella Winter Games“ werden Ende März kostenfrei auf der Streaming-Plattform Joyn übertragen.

Bei seinen Events und Aktivitäten wird Nerlich von der Management-Agentur Rabona beraten, die genau wie der Fokus Clan unter dem Dach der 1337 Holding von Dennis Andreas Nirtl angesiedelt sind.

Delay Sports überflügelt Hertha BSC und Union Berlin bei Instagram

Esports-Profi, Streaming-Rekorde, Unternehmensgründungen, Events – für Elias Nerlich reicht das noch nicht. 2021 gründet er gemeinsam mit dem ehemaligen Profifußballer und Streaming-Kollegen Sidney Friede den Fußballverein Delay Sports Berlin, der in der Saison 2022/23 in der elftklassigen Kreisliga C an den Start geht. Das Zuschauerinteresse ist schon bei Vorbereitungsspielen im Vorfeld der ersten Saison immens: Ende Juli 2022 sehen den Test gegen Tasmania Berlin rund 4.500 Zuschauer*innen live.

Bei Instagram zählt Delay Sports Anfang März 2023 bereits rund 456.000 Follower*innen – und damit fast genau so viele wie die traditionsreichen Fußball-Hauptstadtclubs Hertha BSC (271.000) und 1. FC Union Berlin (233.000) zusammen haben.

„HandOfBlood“ knackt Youtube-Milliardenmarke

In Sachen Youtube-Abos und Views ist Elias Nerlich ein anderer Content Creator mit Gaming- und Esports-Bezug sogar noch um einiges voraus. Die Rede ist von Maximilian Knabe aka „Hänno“ aka „HandOfBlood“. Auf seinen beiden Youtube-Channels kommt Knabe auf über 3,6 Millionen Abos. Kumuliert haben die über 3.000 Videos seit 2010 über eine Milliarde Aufrufe generiert. Dazu kommen deutlich über 700.000 Follower*innen bei Twitter, Twitch und Instagram sowie fast 500.000 bei Tiktok.

So richtig groß wird Knabe beim Unternehmen Freaks 4U Gaming, das seit über zwei Jahrzehnten eine feste Größe im deutschen Esports und Gaming ist. Von 2014 bis 2018 ist „HandOfBlood“ bei den Spandauern unter Vertrag – erst als Moderator von „League of Legends“-Turnieren, dann als Praktikant und zum Schluss als fest angestellter Youtuber. Bis heute bezeichnet Knabe seine Zeit bei Freaks 4U als großen Bestandteil seiner Karriere, wie er im OMR Podcast sagt.

Knabes Traum vom Esports-Team wird wahr

2018 macht sich Knabe dann dennoch selbstständig. Er gründet mit seinen damaligen Freaks-4U-Kollegen Hendrik Ruhe und Henning Semrau die Influencer-Marketing-Agentur Instinct3. Im November 2021 stampfen Knabe, Ruhe & Co. wiederum gemeinsam mit Jung von Matt/Nerd – der Hamburger Agentur von Toan Nguyen gehören 20 Prozent – Eintracht Spandau aus dem Boden.

Das Esports-Team von Eintracht Spandau spielt ein "League of Legends"-Showmatch bei der Dreamhack.

Das Esports-Team von Eintracht Spandau spielt ein „League of Legends“-Showmatch bei der Dreamhack. (Foto: Freaks 4U Gaming)

Das Esports-Team ist neben Instinct3 innerhalb der I3 Holding aufgehängt, die von Hendrik Ruhe und Johannes Gorzel als Co-CEOs geführt wird. Gorzel ist derjenige, der das Eintracht-Projekt federführend strukturell begleitet. Tragende Säulen in dem Konstrukt sind zudem Product Director Christian Baltes sowie Team Manager Kevin Westphal. Insgesamt arbeiten bei Eintracht Spandau aktuell rund 20 Festangestellte.

Die Mitgliederversammlung von Eintracht Spandau auf der Gamescom 2022.

„LEC ist Bubble-getriebenes Investoren-Zeug“

Sportlich fokussiert sich Eintracht Spandau bisher auf ein fünfköpfiges Team in der Strauss Prime League, der höchsten Spielklasse von „League of Legends“ im DACH-Raum.

Und um an dieser Stelle gleich mal einen Riegel vor mögliche Spekulationen zu schieben: Eintracht Spandau will perspektivisch keinen millionenschweren Franchise-Slot für die europäische „League of Legends European Championship“ (LEC) kaufen, wie es andere deutsche Clans wie SK Gaming und G2 Esports getan haben. „Ich glaube nicht, dass wir in League of Legends jemals aus der Prime League herauswollen“, sagt Hendrik Ruhe im Gespräch mit OMR.

Der Mitinitiator der Spandauer holt zur Erklärung noch einmal aus: „Wir sehen uns mit Eintracht Spandau als deutsche Esports-Brand. Diese Marke in ein europäisches Ecosystem hochzuziehen, würde einerseits die Vermarktung sehr viel komplexer machen. Zudem stünden wir dann plötzlich in einem sportlichen Wettbewerb mit Teams, die ganz sicher nicht rentabel agieren. Die LEC ist für uns Bubble-getriebenes Investoren-Zeug. Da spielen wir nicht mit.“

Für die Prime League ist das eine gute Nachricht, profitiert sie doch von den Spandauer Newcomern zum Beispiel im Bereich der Social-Reichweiten. Im Vergleich zum Zeitpunkt vor dem Liga-Eintritt der Eintracht wuchsen bei Twitch die Anzahl der Follower*innen der Prime League um 41 Prozent, die Zahl der gleichzeitigen Zuschauer um 75 Prozent und die Dauer der angesehenen Stunden von Spielen gar um 95 Prozent.

Die Entwicklung von Eintracht Spandau in Social Media

Die Entwicklung von Eintracht Spandau in Social Media

Content-Maschinerie Eintracht Spandau

Rund um das sportliche Geschehen steht Eintracht Spandau vor allem für einen Storytelling-Ansatz, der im Esports und Gaming derzeit seinesgleichen sucht. Ziel ist es, den Sweetspot zwischen Esports, Gaming und Influencer-Content zu bespielen. „Der größte Unterschied von uns zu anderen Esports-Teams ist, dass wir uns als Media-Haus begreifen. Wir brechen dabei unser sportliches Geschehen herunter auf einzelne Story-Punkte, die in eine große ganzjährige Geschichte eingewebt werden“, sagt Ruhe. Vom Charakter her sei die Content-Idee für 2023 „wie eine Art Serien-Staffel“ zu sehen, „in der wir verschiedene Story-Bögen spannen und uns schon im Vorfeld Gedanken über Protagonisten und Antagonisten gemacht haben“.

Der Star im oft selbstironischen Satire- und Parodieansatz von Eintracht Spandau ist wenig überraschend: Max Knabe. Der in der „League of Legends“-Szene anerkannte Youtuber verkörpert als Präsident die Seele eines Vereins, der trotz digitaler Geschäftsgrundlage vom Logo (der Spandauer Julius-Turm) über das Trikotdesign bis zum Namen mit jeder Faser versucht, analoge Retro-Fußball-Romantik aufkommen zu lassen. Laut Vision im Gründungskonzept, das OMR vorliegt, wollen die Spandauer der „emotionalste und identitätsstiftendste“ Esports-Club werden, „den es je in Deutschland gab“. Auch vom „St. Pauli des Esports“ ist dort die Rede.

„Hier is real.“: Die selbstironisch-inszenierte Pressekonferenz des 2021 gegründeten „Traditionsvereins“ Eintracht Spandau.

Eintracht kritisiert Establishment

Eintracht Spandau begibt sich auf seinem Weg sehr bewusst in eine Challenger-Position zu den über viele Jahre etablierten deutschen Clans wie SK Gaming. Ruhe sagt: „Ich habe größten Respekt vor den Leistungen der langjährigen Branchen-Entscheider, weil die so viele Grundsteine gelegt haben, von denen wir heute profitieren. Wenn ich allerdings den aktuellen Zustand der deutschen Esports-Landschaft isoliert bewerte, dann würde ich schon kritisieren, dass einige Entscheider immer noch dieselben Geschichten des coolen und progressiven Esports erzählen, wie vor fünf bis zehn Jahren.“

Der Eintracht-Mitgründer wünscht sich von anderen Teams einerseits mehr Kreativität in der Content-Kreation. Gleichwohl fügt er auch relativierend an: „Wir haben mit unserem Influencer-Ansatz unter anderem dank Hänno eine kritische Reichweite, die eine Refinanzierbarkeit der Content-Investitionen überhaupt erst gewährleistet. Das ist für andere kleine Teams deutlich schwieriger, finanziell darzustellen.“

Eine weitere Kritik am Ökosystem ist universeller und bezieht sich auf den finanziellen Rahmen. Hier wird Ruhe deutlich, er sagt: „Es kann nicht nachhaltig sein, wenn man 70 Prozent und mehr des Budgets in Spielergehälter investiert. Das ist Schwachsinn und in meinen Augen purer Gamble drauf, dass man dann eine Liga gewinnt und dadurch automatisch die Reichweiten bekommt, die für eine Refinanzierung des Kaders notwendig wären. Was ist aber, wenn der sportliche Erfolg dann ausbleibt?“

Esports-Ökosystem vor der Konsolidierung

Wie schon im zweiten Teil Serie beschrieben, steht die Esports-Branche tatsächlich vor einer Konsolidierung. Einige Teams werden sich neu erfinden müssen, andernfalls haben Sie keine Zukunft mehr. „Hinterher werden wir womöglich ein nachhaltigeres und gesünder aufgestelltes Ökosystem vorfinden“, sagt Ruhe. Er glaubt, dass sich nur diejenigen Organisationen langfristig durchsetzen werden, „die sich als Marke etabliert haben und die eine klare Value Proposition an Sponsoren, Partnern und Fans machen können. Einfach nur mit Venture Capital aufgeblasene Teams werden es dagegen ziemlich schwer haben“, so der Instinct3-CEO.

Für Eintracht Spandau glauben Ruhe und sein Team in einem schwierigen Marktumfeld derweil „fest daran, dass wir einen nachhaltigen Esports-Business-Case bauen können.“ Die Eintracht habe beispielsweise „trotz eines sportlich durchaus erfolgreichen ersten Jahres im Anschluss nicht die Gehälter signifikant erhöht, sondern den Spielern erklärt, dass wir zuerst in Content und Markenaufbau investieren müssen“, sagt Ruhe. Andere Teams in der Prime League hätten dagegen „zum Teil einen doppelt so hohen sportlichen Etat“ wie Eintracht Spandau.

Die Investitionen in den Markenaufbau haben Eintracht Spandau 2022 zwar ebenfalls rote Zahlen beschert. Für 2023 geht Ruhe aber davon aus, den Break-even schaffen zu können. „Das wäre ein Riesenerfolg für uns“, sagt er. Der Gesamtumsatz von Eintracht Spandau wird 2023 bei rund 2 bis 2,5 Millionen Euro liegen.

100.000 Abonnent*innen: Pressekonferenz-Outtakes von Eintracht Spandau

Vermarktung über Jung von Matt und Sportfive

Das Gros des Umsatzes kommt wie im Prinzip bei allen Clans aus dem Sponsoring. Hier wollen die Spandauer künftig aber ansetzen: „Wir wollen und müssen perspektivisch nachhaltigere Revenue-Streams aufbauen, zum Beispiel Merchandising liefert noch viel Potenzial“, sagt Ruhe. Zumal sich das Konstrukt Eintracht Spandau auf einem schmalen Grat bewege. Der Claim „Hier is real“ funktioniere nur, „wenn wir nicht alles mit Sponsorenlogos vollklatschen und zudem nicht krampfhaft und zu konstruiert versuchen, Partner in unsere Geschichten zu drücken“.

Aktuell scheint sich das Konzept von Eintracht Spandau in der Vermarktung gut zu verkaufen. Zu den Partnern der Organisation zählen namhafte non-endemische Brands wie Dr Pepper, Pringles, Sparkasse, Techniker Krankenkasse und der Hauptsponsor Uber Eats. Unterstützt werden die Spandauer gleich von zwei renommierten Vermarktungsagenturen: Jung von Matt/Sports und Sportfive. Die Preisspanne für die verschiedenen Sponsoring-Pakete liegt nach OMR-Infos zwischen 150.000 Euro und 600.000 Euro. Uber Eats als Hauptsponsor dürfte dementsprechend am oberen Ende der Range liegen.

Maskottchen-Wettbewerb mit „Mr. P“ eskaliert

Die Partner von Eintracht Spandau bekommen in ihren Sponsoring-Paketen zum einen Standard-Leistungen wie Logo-Präsenzen auf den Trikots der Spieler. Zum anderen werden sie, dort wo es am besten passt, in die ganzjährig geplante Story des Teams integriert. Wie das aussehen kann, zeigt etwa das Beispiel Pringles. Bei einer der jüngsten Aktivierungen bewirbt sich das Marken-Maskottchen „Mr. P“ für die gleiche Rolle bei Eintracht Spandau, ehe das Casting schließlich eskaliert.

Ein anderes Beispiel ist Max Knabe, der als „Sparkassen-Hänno“ rund um Eintracht Spandau für das Finanzinstitut auf Youtube unterwegs ist. Die in Summe 100 Minuten Content aus drei Episoden kommen in zwölf Monaten auf mehr als 3,5 Millionen Views.

Die Influencer-Marketing-Kampagne inklusive Trip nach Südkorea für den Deutschen Sparkassen- und Giroverband gewinnt beim Effie Germany sogar Silber, während der Marktstart von Eintracht Spandau mit dem Claim „Hier is Real“ mit Bronze prämiert wird – die beiden ersten Auszeichnungen beim Effie für einen Player aus der Gaming-Szene überhaupt.

Sparkassen-Hänno im Einsatz.

Der Investment-Banker auf dem Weg zum Unicorn

Längst nicht alle deutschen Business-Newcomer im Esports sind im Streaming- oder Team-Bereich zu Hause. Da wäre zum Beispiel noch Michael Broda, der wohl eher das Gegenteil eines Streamers ist. Broda ist von Haus aus Investmentbanker. Warum ist er trotzdem relevant?

Michael Broda, CEO, Esports Innovation Group

Michael Broda, CEO, Esports Innovation Group

Broda geht es weniger um die Profisport-Speerspitze Esports und mehr um die globale Gaming-Community dahinter. Das Potenzial: rund 3,2 Milliarden Gamer*innen weltweit, davon 430 Millionen in Europa. Broda will diesen gigantischen Reichweitenschatz für die Kund*innen seiner Esports Innovation Group (EIG) heben.

Broda kommt ursprünglich gar nicht aus dem Esports und Gaming, sondern aus der Investment-Branche. Von 1998 bis 2002 arbeitet er bei der Commerzbank und ist danach viele Jahre als Gründer und Chef von Delta Capital in Prag tätig. Als VC wittert er erstmals 2016 größeres Potenzial im Esports und Gaming. Er sagt: „Zuerst habe ich über ein paar Fun-Invests nachgedacht. Doch dann ist mir immer klarer geworden, dass das Ecosystem im Hintergrund großes Strukturierungspotenzial hat. Und so reifte der Gedanke, mein Business-Structuring-Wissen im Esports anzuwenden.“ Nach einer Zwischenstation als CEO des Content-Portals „Esports.com“ gründet er schließlich 2019 die EIG.

Turnier-Ecosystem für den Amateurbereich

Ein erstes großes EIG-Projekt war 2019 die in Kuala Lumpur beheimatete Esports Players League (ESPL). Die ESPL ist ein globaler Anbieter von Esports-Turnieren und -Plattformen. Die ESPL richtet sich – anders als die von Urvätern der Branche wie Jens Hilgers und Ralf Reichert geprägte ESL – nicht an Profispieler*innen, sondern an Gamer*innen auf Amateur-Niveau.

Bei der Ausrichtung ihrer Turniere arbeitet die ESPL mit den weltweit relevantesten Publishern zusammen. Für Riot Games hat die Plattform beispielsweise „Valorant Power Up India“ umgesetzt. Mithilfe der Online-Turnier-Serie sollte der Taktik-Shooter in Indien in der breiten Masse bekannt gemacht werden.

So funktioniert „ESPL Valorant Power Up India“.

Warner Music und Genting Group investieren

2021 überzeugt das ESPL-Konzept Warner Music, der Konzern steigt mit einer siebenstelligen Summe ein. Als weiterer Partner ist der malaysische Milliarden-Konzern Genting Group an Bord. Nach zwei Jahren als CEO zieht sich Broda aus dem operativen Geschäft ins Board der ESPL zurück und überlässt die Geschicke seinem prominenten Co-Founder Kin Wai Lau. Kin Wai Lau ist ein bekannter Tech-Investor, der unter anderem Chairman der iCandy Group ist. Der größte Spiele-Entwickler in Südostasien, Australien und Neuseeland, dessen Games nach eigenen Angaben weltweit von über 370 Millionen Menschen gespielt werden, ist ebenfalls in die ESPL investiert.

„Esports as a service“-Software-Haus

Mittlerweile versteht sich die EIG laut Broda als „Esports as a service“-Software-Haus, „das mit AI und Web3 angereicherte Tech-Lösungen für die Gaming-Community baut“. Zudem entwickelt und unterstützt EIG Startups bei der Neugestaltung und disruptiven Weiterentwicklung des Gaming- und Esports-Sektors. Dabei beschränkt sich das Unternehmen nicht nur auf die Bereitstellung von Kapital, sondern verfügt auch über Entwicklungskompetenzen im Bereich Esports, NFT und Community Management.

„Gamers Pass“ für den VfL Wolfsburg

Auf Angebotsebene gliedert sich die EIG grob in drei Verticals: Zum einen sind da Clubs und Verbände aus dem traditionellen Sport. Mit dem VfL Wolfsburg wurde beispielsweise Ende 2022 eine umfangreiche Kooperation über das Joint-Venture ECON geschlossen, das die EIG für die Bespielung des DACH-Raums gemeinsam mit dem Axel-Springer-Sportvermarkter B&M Marketing betreibt.

Innovativer Case: der VfL Wolfsburg Gaming Pass

Innovativer Case: der VfL Wolfsburg Gaming Pass

Die Partnerschaft mit dem Fußballbundesligisten umfasst die Ausrichtung von mindestens zehn Veranstaltungen für die Gaming-Community. Die Wettbewerbe werden in Spieletiteln wie FIFA, Rocket League oder Fortnite stattfinden und online sowie offline ausgetragen. Zudem wird der VfL als erster Club überhaupt den auf einer Blockchain basierenden „Gamers Pass“ von ECON nutzen. Der „VfL Gaming Pass“ funktioniert wie ein digitaler Mitgliedsausweis. Fans können mithilfe eines einzelnen Log-ins alle wichtigen Turnier- und Account-Informationen an einem zentralen Ort speichern, „Money can’t buy“-Erlebnisse sowie spezielle Goodies erspielen, wie zum Beispiel Rabatte im Fanshop oder seltene NFTs.

Konkurrenz zu Social-Media-Plattformen

Die anderen beiden EIG-Verticals haben Marken im Allgemeinen sowie Telcos im Speziellen im Fokus. CEO Broda und sein Team wollen an das Marketingbudget der Unternehmen ran und wähnen sich mit dem Aufbau eigener Gaming-Community-Plattformen im Auftrag ihrer Kunden in Konkurrenz zu den bekannten Social-Media-Plattformen. „Unternehmen geben dort sehr viel Geld aus, haben aber keinen Zugang zu den Daten. Wir wollen Brands mit unseren Tech-Lösungen ein Direct-to-consumer-Geschäft in der Gaming-Zielgruppe ermöglichen“, sagt Broda.

Konkret bietet EIG Marken ein Rund-um-Paket für die Ausrichtung von eigenen Gaming-Turnieren, inklusive Tech-Lösungen und Influencer*innen-Kampagnen. Für den deutschen Marktführer bei Autopflegeprodukten, Sonax, haben die EIG und ECON beispielsweise 2022 eine dreiwöchige Rocket-League ausgerichtet. Zu den internationalen Kampagnen-Kunden zählt der chinesische Smartphone-Hersteller Oppo.

„Wir wollen ein Unicorn bauen“

Das Ziel von CEO Broda ist es, mit einem Kunden pro Jahr einen siebenstelligen Umsatz zu generieren. Bei global agierenden Marken sei der jährliche Umsatz perspektivisch sogar hochskalierbar auf zehn Millionen Euro.

Die EIG ist laut Broda momentan mit 30 Unternehmen in konkreten Gesprächen, 2023 soll der Umsatz der EIG zunächst von vier Millionen Euro im Vorjahr auf zehn Millionen Euro wachsen, als strategisches Ziel steht bis 2026 die Marke von 100 Millionen Euro Umsatz im Raum. Doch damit nicht genug: „Wir sind ambitioniert und wollen langfristig ein Unicorn bauen“, sagt Broda.

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Henning Eberhardt
Autor*In
Henning Eberhardt

Henning ist bei OMR seit Anfang 2023 für Sport- und Gaming-Inhalte zuständig. Von 2010 bis 2019 pendelte er für den Sportbusiness-Verlag SPONSORs als Redakteur zwischen Fußballstadion und Formel-1-Rennstrecke. Anschließend wechselte der waschechte Insulaner zum Marketing-Medium absatzwirtschaft in die Handelsblatt-Gruppe.

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