Exklusiv: Das sind die stärksten deutschen Startup-Marken des Jahres 2022

Das neueste Ranking von Jung von Matt spiegelt veränderte Erwartungen der Verbraucher*innen wieder

Die Top 3 der deutschen Startup-Marken (laut Jung von Matt) in einem Bild: (von links nach rechts) der Schnelllieferdienst Mayd, die Konsumgütermarke Shared und der Schnelllieferdienst Arive
Die Top 3 der deutschen Startup-Marken (laut Jung von Matt) in einem Bild: (von links nach rechts) der Schnelllieferdienst Mayd, die Konsumgütermarke Shared und der Schnelllieferdienst Arive (Fotos: Unternehmen, Montage: OMR)
Inhalt
  1. Die stärksten deutschen Startup-Marken
  2. 150 Millionen verkaufte Produkte seit 2017
  3. „Ein Ergebnis konsequenter Markenarbeit“
  4. Über die Deutsche Bahn in die Köpfe
  5. Trotz Branchenkrise: Schnelllieferdienste schneiden gut ab
  6. „Purpose“ als Markenversprechen zieht
  7. „Volatilität wegen wirtschaftlicher Unsicherheit“

Das 2017 gegründete Unternehmen Share (eine Art Charity-Version von Procter & Gamble) hat die aktuell stärkste Marke unter allen deutschen Startups aufgebaut. Das besagt die neueste Auflage des „Startup Brand Rankings“, das von der Agentur Jung von Matt und dem Marktforschungsunternehmen Appinio erstellt wurde. Auch auf den Folgeplätzen finden sich viele überraschende Platzierungen. OMR veröffentlicht das Ranking exklusiv.

Die stärksten deutschen Startup-Marken

(auf dem Handy nach links wischen, um die gesamte Tabelle zu sehen)

Platz

Name

Score

1

Share

867

2

MAYD

867

3

Arive

853

4

Nevernot

838

5

Blaue Helden

838

6

Everdrop

833

7

Jokolade

831

8

About You

830

9

Dermanostic

828

10

Kombuchery

827

11

Dance Mobility

826

12

Finn Auto

825

13

Flink

825

14

ooia

824

15

Voilà

814

16

Rosental Organics

810

17

Klima

810

18

Air Up

809

19

Super Streusel

808

20

Numa Group

808

21

getquin

807

22

Vytal

803

23

Happybrush

803

24

Banana Beauty

799

25

Vivid

799

26

Formel Skin

798

27

O-Mochi

798

28

Sternglas

797

29

Flaschenpost

794

30

Inne

792

31

Tier Mobility

788

32

Zolar

788

33

Tink

788

34

Tourlane

787

35

Enpal

785

36

Vetevo

784

37

Sono Motors

784

38

Nect

783

39

Plusdental

781

40

Dr. Sam

781

41

Artnight

781

42

Vaha

781

43

Trade Republic

781

44

Stadtsalat

780

45

Cluno

780

46

Ryzon

779

47

Miles Mobility

779

48

Moia

778

49

junglück

777

50

Go Spring

777

Quelle: German Startup Brand Ranking, Jung von Matt & Appinio

Unter dem Slogan „Dein Kauf tut Gutes“ bietet Share rund 120 verschiedene Konsumprodukte in Supermärkten, Drogerien und an Tankstellen an: Lebensmittel, Getränke, Pflegeprodukte und Schreibwaren. Ein Teil der damit erwirtschafteten Einnahmen wird nach Angaben des Unternehmens für soziale Projekte gespendet, die in der Regel im direkten Zusammenhang mit dem jeweiligen Produkt stehen; in Brunnenbau- und Bildungsprojekte oder in Lebensmittel- oder Hygieneprodukt-Spenden. Die Share GmbH kooperiert dafür laut eigener Darstellung mit Organisationen wie der Welthungerhilfe und der Caritas. Über einen QR-Code auf der Verpackung können die Käufer*innen erfahren, wofür ihre Spende verwendet wird.

Die Gründerin und die Gründer von Share: (von links) Iris Braun, Sebastian Stricker, Ben Unterkofler und Tobias Reiner

Die Gründerin und die Gründer von Share mit Produkten ihres Startups: (von links) Iris Braun, Sebastian Stricker, Ben Unterkofler und Tobias Reiner (Foto: Share GmbH)

150 Millionen verkaufte Produkte seit 2017

Gegründet wurde Share im Jahr 2017 von Sebastian Stricker, Iris Braun, Ben Unterkofler und Tobias Reiner. Stricker hatte 2013 bereits die App „Share the Meal“ in den App Store gebracht, mit der Smartphone-Nutzende jede ihre Mahlzeiten symbolisch teilen können und damit jeweils 70 Euro-Cent an das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (für das Stricker zuvor selbst tätig gewesen war) spenden. Mehr als 150 Millionen Mahlzeiten sollen bislang geteilt worden sein (also mehr als 100 Millionen Euro).

Nun will Stricker mit einem größeren Team durch den Verkauf von Nussriegeln, abgefülltem Wasser, Klopapier und Shampoo die Welt verbessern. Share-Produkte waren zum Start bei Rewe und dm verfügbar. Zu den Investoren des Unternehmens gehören übereinstimmenden Medienberichten zufolge mittlerweile die Brauerei Bitburger, das Mineralwasserunternehmen Gerolsteiner sowie die Familie Mulliez, die hinter dem französischen Handelskonzern Auchan steht. Laut der „Rundschau für den Lebensmittelhandel“ soll das Startup bereits mehr als 100 Millionen Produkte verkauft haben und mittlerweile 130 Mitarbeitende beschäftigen.

„Ein Ergebnis konsequenter Markenarbeit“

Paul-Christian Brenndörfer (Foto: Jung von Matt)

Offenbar ist die Marke auch in den Köpfen der Verbraucher*innen angekommen, wie der erste Platz im „Startup Brand Ranking“ belegt. „Das macht uns sehr stolz und ist ein Ergebnis konsequenter Markenarbeit“, wird Mitgründer Ben Unterkofler im Report (hier als Download verfügbar) von Jung von Matt Start zitiert. „Gleichzeitig sind wir dankbar dafür, dass unsere wichtige Mission für eine gerechtere und soziale Welt so viel positiven Zuspruch erhält.“

Im ersten Startup Brand Ranking aus dem vergangenen Jahr war Share noch nicht vertreten. „Da waren sie uns durchgerutscht“, räumt Paul-Christian Brenndörfer, Strategy Director Lead bei Jung von Matt Start, gegenüber OMR ein. Nach einem Aufruf über Linkedin hätten sich nach dem ersten Ranking rund 100 Marken gemeldet, die beim nächsten Ranking berücksichtigt werden wollten. „Da war Share dabei“, so Brenndörfer.

Über die Deutsche Bahn in die Köpfe

Jonas Bailly (Foto: Jung von Matt)

Wie das neueste Ranking zeigt, hat Share unter den 8.060 von Appinio befragten Verbraucher*innen eine Markenbekanntheit von 33 Prozent aufgebaut. Die Werte der Marke in den Kategorien Identifikation, Sympathie, Innovation und Einzigartigkeit liegen deutlich über jenen der deutschen Top 3 Food Brands. „Das Konzept ‚Jedes Produkt ist eine soziale Spende‘, also dass jeder Kauf dazu beiträgt, die Welt ein bisschen besser zu machen, ist einfach schlau und trifft den Zeitgeist“, sagt Jonas Bailly, Geschäftsführer von Jung von Matt Havel. „Der Name und die Corporate Identity runden dann das Bild noch ab.“

Hinzu komme eine gute Media-Strategie, meint Paul-Christian Brenndörfer: „Das Unternehmen hat vermutlich von der Präsenz bei der Deutschen Bahn profitiert; zum einen mit Plakatflächen in Zügen und Bahnhöfen, aber viel mehr noch durch den Verkauf der Produkte in den Bordbistros, über den sie vermutlich mehrere Millionen Fahrgäste im Jahr erreichen, die mit ihren Werten übereinstimmen.“ Darüber hinaus habe die Zahl der Listungen in den Supermärkten stark zugenommen, wodurch die Marke noch einmal präsenter geworden sei. „Vermutlich braucht diese Marke gar nicht die cleverste Mediastrategie, weil sie im Kern prägnant und ihre Geschichte glaubwürdig ist“, so Jonas Bailly.

Trotz Branchenkrise: Schnelllieferdienste schneiden gut ab

Von den Startup-Marken auf den Plätzen zwei und drei dürften manche überrascht sein: Mit Mayd („Meds at your doorstep“, also „Medikamente an deine Türschwelle“) und Arive sind hier zwei Nischen-Schnell-Lieferdienste vertreten. Zuletzt war in den Medien mehrfach von wirtschaftlichen Problemen bei Quick-Commerce-Firmen zu lesen. US-Pionier Gopuff musste zuletzt 2.000 Mitarbeitende entlassen, sich aus Teilen Europas zurückziehen und Pläne für einen Börsengang auf Eis legen, wie Bloomberg berichtete. Der deutsche Vorreiter Gorillas steht angeblich vor einer Übernahme durch den türkischen Konkurrenten Getir, der das deutsche Startup laut Gründerszene zu einer Bewertung von maximal 590 Millionen Euro kaufen will. Noch im Sommer 2021 soll Gorillas mit 2,6 Milliarden Euro bewertet gewesen sein. Im vergangenen Jahr rangierte Gorillas noch auf Rang drei des Startup Rankings; diesmal ist die Marke nicht mehr in den Top 50 vertreten.

Das neueste Startup-Marken-Ranking legt nahe, dass das Versprechen der schnellen Lieferung beim Aufbau einer Marke trotzdem noch funktionieren kann. „Generell sehen wir, dass überall dort, wo eine tiefergreifende Transformation stattfindet, Platz für neue Marken entsteht“, so Brenndörfer. Das könne auf Werte-Ebene geschehen, wie im Fall von Share, oder auf Nutzungsebene, wie bei Mayd oder auch der Hautarzt-App Dermanostic (Rang 9, hier im OMR Porträt). „Letztere senken die Eintrittsbarrieren zu gewissen Services und das wird von den Konsument*innen extrem dankbar angenommen.“

„Purpose“ als Markenversprechen zieht

Arive (Slogan „Let everything you love arive“) bietet die Lieferung von Lifestyle- und hochpreisigen Tech-Artikeln innerhalb von 60 Minuten. Im Sommer hat sich das Startup laut Gründerszene aus zwei von fünf deutschen Großstädten, in denen der Dienst verfügbar ist, zurückgezogen und Mitarbeiter*innen entlassen. „Arive ist einfach wahnsinnig aspirativ: begehrliche Produkte innerhalb von 60 Minuten nach Hause geliefert bekommen, das ist das Shopping von Morgen. Ob das als Geschäftsmodell aktuell schon nachhaltig funktionieren kann, ist eine andere Frage“, sagt Jonas Bailly von Jung von Matt. „Aber als Marke ist das eine unheimlich starke Value Proposition. Marken müssen ja im Bauch wirken.“

Nicht nur Share auf Platz 1, sondern auch Namen wie Nevernot (Intimpflege, Platz 4) und ooia (Periodenunterwäsche, Rang 14), Blaue Helden und Everdrop (beide Hersteller von verpackungsarmen, „nachhaltigeren“ Haushaltsmitteln, auf den Plätzen 5 und 6) sowie die Solaranlagen-Anbieter Zolar (Platz 32) und Enpal (Platz 35) zeigen, dass der viel zitierte „Purpose“ als Markenversprechen nicht nur ein Trend ist, sondern auch funktionieren kann. „Egal ob Wohltätigkeit, Female Empowerment oder Nachhaltigkeit in verschiedenen Ausprägungen: In diesem Jahr haben viele Marken mit wertebasierter Positionierung stark abgeschnitten“, so Brenndörfer.

„Volatilität wegen wirtschaftlicher Unsicherheit“

Für das Startup Brand Ranking haben Jung von Matt Start und Appinio diesmal auf Basis öffentlich verfügbarer Daten eine Longlist von 208 Startup-Marken erstellt. Die Kriterien: maximal zehn Jahre alt, Hauptsitz in Deutschland, mindestens noch ein*e Gründer*in im Unternehmen, Fokus auf B2C. Nachdem diese Longlist auf Basis weiter Daten zu Traffic, Social Reach, Mitarbeiterzahl, Funding und Umsatz dann auf 183 Namen reduziert worden war, führte Marktforscher Appinio eine repräsentative Online-Befragung unter mehr als 8.000 deutschen Verbraucher*innen durch. Um den potenziellen Markenvorteil von „Grownups“ zu reduzieren, dient nicht nur die Bekanntheit als Kriterium, sondern auch Faktoren wie Identifikation und Sympathie.

Aus diesen Daten wurde dann ein Gesamt-Score errechnet. Die Gewichtung der insgesamt sieben Werte sei dabei in diesem Jahr nochmals angepasst worden, so Brenndörfer und Bailly. Zudem führte Appinio erstmals zwei Umfragen durch – im Juni und im Oktober „Bei der ersten Welle haben wir enorme starke Schwankungen und Veränderungen gesehen, mutmaßlich durch die starke wirtschaftliche Unsicherheit. Das hat sich mit der zweiten Erhebung normalisiert“, so Jonas Bailly.

Transparenz-Erklärung: Die Ramp 106 GmbH (das Unternehmen hinter OMR) ist an Appinio geringfügig beteiligt.

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Roland Eisenbrand
Autor*In
Roland Eisenbrand

Roland ist seit mehr als zehn Jahren als Journalist in der Digitalbranche aktiv. Seit 2014 verantwortet er als Head of Content (und zweiter Mitarbeiter) alle inhaltlichen Komponenten von OMR, darunter vor allem den OMR Blog und redaktionelle Arbeit rund um das OMR Festival.

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