Spotifys „Lärmproblem“: 35 Millionen Euro im Jahr für Podcasts, in denen es nur rauscht

Der Streaming-Dienst versucht offenbar, "White Noise"- und andere Geräusch-Podcasts einzudämmen

Geräusche hören, um einschlafen zu können: Genau dieses Bedürfnis befriedigen "White Noise"-Podcaster auf Spotify
Geräusche hören, um einschlafen zu können: Genau dieses Bedürfnis befriedigen "White Noise"-Podcaster auf Spotify
Inhalt
  1. Ein „White Noise“-Podcast gleichauf mit der New York Times
  2. „White Noise“ klickt auf Youtube und im App Store
  3. Sind Podcasts viermal so gut bezahlt wie Musik?
  4. Limitiert Spotify die Auffindbarkeit, um Kosten zu sparen?

Stell Dir vor, Du lädst Audio-Dateien, die nur aus Rauschen bestehen, auf eine digitale Plattform hoch und nimmst damit im Monat fünfstellige Summen ein. Genau das gelingt so genannten „White Noise“-Podcaster*innen auf Spotify: Weil Menschen auf der Plattform nach beruhigenden Klängen suchen, werden auf Spotify drei Millionen Stunden Geräusch- und Ambient-Podcasts abgerufen – pro Tag. Die Macher*innen der Podcasts erhalten durch die vorgeschaltete Werbung beträchtliche Summen von der Plattform. Das Unternehmen würde sich dieses Geld nun offenbar gerne einsparen.

Sie heißen „White Noise and Sleep Sounds (12 Hours)“, „Relaxing White Noise“ oder „Sleepy Sounds“: Podcasts, die den Hörer*innen dabei helfen wollen, einzuschlafen oder ruhiger zu werden. Der Markt dafür ist offensichtlich groß. Menschen mit Tinnitus, Eltern, die ihre Kinder, oder Hundehalter*innen, die ihr Tier zum Einschlafen bringen wollen – viele von ihnen greifen dafür auf „White“, „Pink“ oder „Brown Noise“ oder Geräusche von Föhnen oder Staubsaugern zurück.

Ein „White Noise“-Podcast gleichauf mit der New York Times

„Fans von White Noise sind enorm loyal“, so Brandon Reed, der hinter dem Podcast „12 Hour Sound Machines (no loops and fades)“ steht, im vergangenen Jahr gegenüber Bloomberg (wir hatten den Bericht schon damals hier aufgegriffen). Sein Podcast verzeichnet zum damaligen Zeitpunkt nach eigenen Angaben rund 100.000 Hörer*innen am Tag; zwischenzeitlich erreicht er die Top 15 der US Podcasts Charts auf Spotify und steht dort neben Produktionen der New York Times.

Er und viele andere profitieren damals offenbar von Spotifys Podcast-Offensive. Nachdem der Streaming-Konzern für insgesamt eine Milliarde US-Dollar diverse Unternehmen aus dem Podcast-Bereich aufgekauft hat, pushen Spotify und der Algorithmus der Plattform zwischenzeitlich Podcasts extrem; verschaffen ihnen Sichtbarkeit und ein riesiges Publikum.

„White Noise“ klickt auf Youtube und im App Store

„White Noise“ ist zu diesem Zeitpunkt schon seit vielen Jahren ein großes Phänomen im Netz: Bereits vor mehr als zehn Jahren haben Föhn-Videos auf Youtube Millionen-Abrufe generiert (hier dazu ein OMR-Artikel aus dem Jahr 2014); mittlerweile gibt es auf Youtube „White Noise“-Kanäle mit Abrufzahlen im Milliardenbereich. Fürs Handy gibt es unzählige Geräusche-Apps, von denen manche ebenfalls mehrere Millionen Downloads verzeichnen. Und bei Amazons Sprach-Assistentin Alexa samt zugehörigen Smartspeakern waren die meistgenutzten „Skills“ von Anfang an solche, mit denen die Nutzer*innen Rauschen- oder beruhigende Naturklänge abrufen konnten.

Doch Spotify hängt in Sachen Monetarisierungspotenzial von „White Noise Audio“ offenbar alle anderen digitalen Plattformen ab. Ted Moore erklärt im vergangenen Jahr gegenüber Bloomberg, dass er mit einer „White Noise“-App gestartet sei, heute aber den größten Teil seiner Einkünfte mit seinem Podcast „White Noise Sleep Sounds by Tmsoft“ erziele. Fünf Mitarbeitende beschäftigt das Unternehmen zum damaligen Zeitpunkt.

Sind Podcasts viermal so gut bezahlt wie Musik?

Nach eigenen Angaben generiert der „White Noise“-Unternehmer zum damaligen Zeitpunkt 12,25 US-Dollar pro Tausend Abrufen einer Podcast-Folge, der jeweils ein von Spotify verkaufter Werbe-Spot vorgeschaltet ist. Das ist pikanterweise ein Mehrfaches dessen, was Musiker*innen von Spotify für ihre Streams bekommen. Bei Musik soll der Betrag übereinstimmenden Stimmen aus der Branche zufolge zwischen drei und fünf US-Dollar pro Tausend Abrufe liegen. Ein Grund dafür mag sein, dass Podcasts durch die Möglichkeit der Einbettung von Werbung innerhalb einer Folge über eine weitere Einnahmequelle verfügen.

Mittlerweile ist bei Spotify offenbar in Sachen Podcasts ein wenig Ernüchterung eingekehrt – und die Geräusch-Podcasts dem Unternehmen ein Dorn im Auge. Laut Unterlagen, die Bloomberg vorliegen sollen, hat der Streaming-Dienst kurzzeitig darüber nachgedacht, die „White Noise“-Podcasts aus den Feeds zu entfernen, künftige Uploads solcher Inhalte als Podcasts zu unterbinden und Nutzer*innen zu Inhalten zu leiten, die für Spotify günstiger sind – mutmaßlich „White Noise“-Uploads, die als „Musik“ gekennzeichnet sind. Dadurch könne das Unternehmen seinen Brutto-Gewinn um 35 Millionen Euro anheben, heißt es in dem Dokument.

Limitiert Spotify die Auffindbarkeit, um Kosten zu sparen?

„Der betreffende Vorschlag wurde nicht verwirklicht“, so eine Spotify-Sprecherin gegenüber Bloomberg. Doch gegenüber dem Wirtschaftsmedium erklärte ein „White Noise“-Podcaster anonym, dass seine Folgen bereits zweifach für einen längeren Zeitraum von der Plattform verschwunden seien. Auf Reddit berichtet ein*e weiter*e Podcaster*in von einer ähnlichen Erfahrung. „Zu spezifischen Episoden können wir nichts sagen“, so die Sprecherin. „Wir führen routinemäßig Tests durch und stehen von Fall zu Fall mit den Urhebern in Kontakt.“

 

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Roland Eisenbrand
Autor*In
Roland Eisenbrand

Roland ist seit mehr als zehn Jahren als Journalist in der Digitalbranche aktiv. Seit 2014 verantwortet er als Head of Content (und zweiter Mitarbeiter) alle inhaltlichen Komponenten von OMR, darunter vor allem den OMR Blog und redaktionelle Arbeit rund um das OMR Festival.

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