Gaming Spotify: Wie Stars, Cover-Musiker und Keyword Spammer beim Streaming tricksen
Spotify wird zur Plattform – und damit immer häufiger manipuliert
- Viele Songs für mehr Streams
- Song-Titeln nachahmen und Cover einsingen
- Lückenfüller für Streaming-Hasser
- Der Happy-Birthday-Trick
- Gleiche Songs auf verschiedenen Alben
- Stille als Marketing-Kniff
Spotify hat 140 Millionen monatlich aktive Nutzer, die aus über 30 Millionen Tracks wählen können. Wer auf der Plattform oft gespielt wird, kann nicht nur mit einer Provision für die Streamings rechnen, sondern landet auch weit oben in den Charts. Wir zeigen, mit welchen Tricks Spammer und auch bekannte Künstler mittlerweile Spotify clever nutzen, um richtig Kohle zu machen.
Auch in der Musik setzt sich die Plattform-Ökonomie durch. Wer etwas in dem Business erreichen will, muss auf Spotify erfolgreich sein. Und deshalb wird hier kräftig getrickst. Wir hatten ja schon über Matt Farley geschrieben, einen Spotify Spammer, der mit Songs zu bestimmten Keywords wie „poop“, „puke“ und „pee“ knapp 30.000 US-Dollar im Jahr verdient. Aber die Kollegen von Vulture haben noch ganz andere Spamming-Ansätze entdeckt – und auch, dass selbst recht erfolgreiche Künstler wie Chris Brown oder Drake mit Tricks arbeiten, um so viele Streams wie möglich bei Spotify abzugreifen – und so die Charts zu stürmen. Besonders begehrt sind Plätze in Playlists, die mittlerweile der wichtigste Hebel im Musikmarketing sind.
Viele Songs für mehr Streams
Wer aktuell in den Charts landen will, braucht viele Plays bei Spotify. Daher arbeiten mittlerweile selbst die bekanntesten Künstler mit speziellen Tricks, um die Plattform optimal zu bespielen. Da wäre zum Beispiel Chris Brown, dessen neuestes Album „Heartbreak on a Full Moon“ mit 40 Songs daher kommt. Ihm geht es – anders als den kleineren Spammern – nicht um wenige Zehntausend Dollar von Spotify, sondern um eine bessere Chartplatzierung. In den USA bedeuten 1.500 Streams der Lieder eines Albums einen „Verkauf“. Mehr Songs pro Album erhöhen also die Chance mehr „Albenverkäufe“ zugeschrieben zu bekommen. Eine hohe Chartplatzierung bedeutet schließlich wiederum Aufmerksamkeit und damit potenziell weitere Verkäufe.
Und auch die Wiederverwertung alter Songs zahlt sich auch für bekannte Künstler aus. Der kanadische Rapper Drake feierte 2016 mit „Hotline Bling“ und dem dazugehörigen Video riesige Erfolge auf den Streaming-Plattformen. Der Song war aber nicht als Single für ein spezielles Album geplant. Zehn Monate nach Veröffentlichung des Liedes packte er es aber trotzdem als Bonus Track auf sein Album Views – um mit jedem Stream seines Erfolgssongs näher an ein „verkauftes“ Album ranzukommen.
Song-Titeln nachahmen und Cover einsingen
Wer bei Spotify nach solchen großen Künstlern sucht, kann schon mal verzweifeln, wenn er den echten Titel des Liedes nicht kennt. Denn einige Sänger haben sich darauf spezialisiert die zentrale Textzeile bekannter Songs als Titel für das eigene Lied zu verwenden. So dürften die über 410.000 Hörer des Jennifer Henderson-Songs „Hello From The Other Side“ eher nach Adeles Erfolgs-Nummer „Hello“ gesucht haben. Henderson singt aber immerhin eine Cover-Version des Originals. Gleiches gilt für „Humble“ von US-Rapper Kendrick Lamar, das auf Spotify über 400 Millionen Mal gestreamt wurde. Die billige Kopie „Bitch, sit down be humble“ von King Stitch kommt auf über 670.000 Streams – es ist der einzige Song des Künstlers auf der Plattform.
Aber auch ganz normale Cover-Versionen, wie man sie seit Jahren kennt, erleben durch Spotify einen weiteren Aufschwung. Verschiedene Youtuber, die mit Cover-Versionen erfolgreicher Lieder bekannt geworden sind, sehen Spotify als weiteren Monetarisierungsweg. Alex Goot (2,9 Millionen Abonnenten bei Youtube) sucht sich immer wieder die gerade am besten laufenden Songs bei Spotify aus und singt ein Cover ein. So kommt er mit dem Katy-Perry-Song „Roar“ auf über 12,5 Millionen Streams. Allerdings müssen Cover-Musiker wie Goot Tantiemen an die Original-Künstler zahlen, was die Einnahmen beträchtlich schmälern dürfte.
Lückenfüller für Streaming-Hasser
Es gibt ja immer wieder bekannte Künstler, die keine Lust haben, mit ihren Songs bei Spotify aufzutauchen. So war Taylor Swift lange nicht vertreten – wie viele andere ist auch sie aber wieder eingeknickt. Die Rockband Tool hält sich allerdings noch immer von der Plattform fern und so springen andere mit dem gleichen Namen ein.
Der DJ Tool kommt mit einem seiner Songs so auf über 500.000 Streams – darunter dürften viele Fans der Band sein, die sich ein neues Lied der Gruppe erhoffen. Ähnlich lief es lange bei Bob Seger. Der Rocker war bis vor Kurzem nicht auf der Plattform vertreten. Ein Künstler mit dem Namen Bob Segar sammelte in seiner Abwesenheit 1,2 Millionen Streams für eine Coverversion eines Seger-Hits.
Der Happy-Birthday-Trick
Vor ein paar Jahren musste man seine Freunde noch selbst mit der passenden Version von Happy Birthday besingen. Dank Spotify und Spammern wie „The Birthday Crew“ hat das ein Ende. Die „Band“ veröffentlicht Happy-Birthday-Versionen zu jedem erdenklichen Namen. Der Song Happy Birthday Matthew kommt zum Beispiel auf 400.000 Aufrufe. Allein zu Namen, die mit A beginnen, finden sich 33 Songs in der Playlist von „The Birthday Group“ – darunter weniger bekannte Namen wie Anissa und Aretha.
Auch „Birthday with Bonzo“ hat mit dem Lied „Levi Happy Birthday to You“ dank über 950.000 Streams sicherlich schon ein paar Checks eingesteckt – genauso wie „Special Occasions Library“ mit „Happy Birthday Stevie“ und seinen ebenfalls über 950.000 Aufrufen. Wer auf Deutsch nach „Geburtstag“ bei Spotify sucht, findet übrigens einen „Künstler“ mit diesem Namen, der Happy Birthday in Tango-, Jazz- und Flamengo-Version anbietet. Am besten läuft gerade die „Bossa Nova“-Version mit über 80.000 Streams.
Gleiche Songs auf verschiedenen Alben
Sir Juan Mutant hat 65 Alben veröffentlicht, die meisten bestückt mit 50 Liedern. Aber er ist kein musikalisches Genie mit grenzenloser Kreativität. Bei einem Blick auf die Alben fällt auf, dass viele das gleiche Coverbild haben. Auf seinem Album „Cash the System“ (perfekter Name) findet sich der Song „Can’t Pay You“, der nur aus einem schrammeligen Gitarren-Solo besteht. Zufällig ist es das exakt gleiche Lied wie ganze vier Tracks auf dem gleichen Album, die nur unterschiedliche Namen haben. Sir Juan Mutant flutet Spotify mit hunderten Liedern – einige davon nur dem Titel nach verschieden – und erhöht so eine Chancen auf Spotify-Provision, wenn Nutzer aus Versehen ein Lied von ihm abspielen.
Eine Band, die das ebenfalls probiert, ist Why Not. Die Rock-Gruppe veröffentlicht die gleichen paar hundert Songs immer wieder in unterschiedlichen Kombinationen auf vermeintlich neuen Alben. Die Masche der Band zielt auch auf den Lokalpatriotismus einiger Nutzer. Das legen zumindest Songtitel wie „Rock Over Africa“, Rock Over Bulgaria“ und „Rock Over Pakistan“ nahe. Diese Art des Keyword-Spams unterscheidet sich nur insofern von der Herangehensweise des zuvor erwähnten Dauer-Spammers Matt Farley. Der schreibt aber zumindest für jedes Keyword einen neuen Song.
Stille als Marketing-Kniff
Die nächste Band dürfte weniger als Spammer denn als clevere Marketer durchgehen. Vulfpeck hatte zumindest schon ernst zu nehmende Musik bei Spotify veröffentlicht, fühlte sich aber unterbezahlt von der Plattform. Ihr viertes Album „Sleepify“ brachte die Band 2014 exklusiv auf der Streaming-Plattform raus. Zu hören gab es: Nichts. Die zehn 30-sekündigen Songs bestanden alle aus Stille. Das Ziel: Die Fans sollten das Album starten, wenn sie Schlafen gehen und so jedes Mal für Spotify-Provisionen sorgen.
Die Aktion sorgte für große Aufmerksamkeit in den Medien und brachte der Band laut Forbes insgesamt 20.000 US-Dollar an Spotify-Zahlungen ein, bevor die Plattform bemerkte, dass das Album gegen die Geschäftsbedingungen verstößt und es löschte. Dazu musste das Album aber in kurzer Zeit auf über 5,5 Millionen Streams kommen, von Spotify gab es pro Stream des kompletten Albums zumindest 2014 gerade einmal 0,05 US-Cent. Ein schlafender Fan, der das Album auf Repeat gestellt hatte und es acht Stunden „hörte“, konnte pro Nacht immerhin für fast fünf US-Dollar in der Kasse der Band sorgen.