Playlist Marketing: Lassen sich Platzierungen auf Follower-starken Spotify-Listen kaufen?
Playlists sind heute wichtigster Hebel im Musikmarketing
- 390 Millionen Streams alleine auf Spotify
- Der beliebtesten Spotify-Playlist folgen fast 15 Millionen Nutzer
- Universal installiert Playlist-Marketing-Vorstand
- Ein Playlist-Platz für 10.000 US-Dollar
- Reger Handel mit Plätzen und Followern?
- Spotifys eigene Playlisten dominieren die Plays
- „Wir nehmen kein Geld für Playlist-Plätze“
- Branchenveteran will Songs platzieren können
Von 0 auf 500.000 Streamings in einer Woche – ein Platz auf einer beliebten Playlist auf Streaming-Plattformen wie Spotify kann einen zuvor unbekannten Song zum Hit machen. Den „Playlist-Effekt“ belegen neue Daten, die ein US-Label nun erstmals öffentlich gemacht hat. Aber wird mit Playlist-Platzierungen bereits Handel betreiben – möglicherweise sogar von Spotify selber? OMR ist tief in die Materie eingestiegen. Es klingt wie ein digitales Märchen: Im April 2013 nimmt der Internet-Unternehmer Sean Parker, der einst als Gründer von Napster nicht nur in der Musikbranche berühmt bis berüchtigt geworden ist, den Song „Royals“ der damals außerhalb von Neuseeland nahezu unbekannten Sängerin Lorde in seine Spotify-Playlist Hipster International auf. Der Playlist folgen mehrere Hunderttausend Nutzer – die offensichtlich an dem Stück Gefallen finden.
390 Millionen Streams alleine auf Spotify
Im Mai belegt „Royals“Platz eins der Spotify Viral-Charts, in den Wochen darauf fangen die Radiostationen an, den Song zu spielen – und die Geschichte nimmt ihren Lauf. Alleine auf Spotify ist „Royals“ bis heute mehr als 390 Millionen Mal gestreamt worden, und aus der damals 16-jährigen Neuseeländerin ist ein globaler Superstar geworden
Lorde ist das Vorzeige-, aber bei weitem nicht das einzige Beispiel dafür, dass Spotify-Playlisten Musikern zum Durchbruch und zu großen Karrieren verhelfen können. Das belegen auch Daten zu den Spotify-Abrufen von sechs Künstlern, die das Streaming-only Label Awal dem US-Blog Recode zur Verfügung gestellt hat.
Der beliebtesten Spotify-Playlist folgen fast 15 Millionen Nutzer
Die Brooklyner Elektro-Pop-Künstlerin Vérité beispielsweise dürfte Anfang März 2016 kaum jemand gekannt haben. Als ihr neuer Song „Underdressed“ in der von Spotify selbst erstellten Playlist „New Music Friday“ aufgenommen wird, sorgt dies den Awal-Daten zufolge in einer Woche für mehr als 500.000 Plays.
Weitere Playlist-Features folgen. Im September 2016 nimmt Spotify Vérités 1975-Cover „Somebody Else“ in die beliebteste Playlist auf der gesamten Plattform auf: „Today’s Top Hits“ (aktuell 14,2 Millionen Follower). Der Song wird alleine in dieser Woche 3,2 Millionen mal gestreamt. Bis heute haben ihn die Spotify-Nutzer mehr als 62 Millionen Mal abgerufen.
Universal installiert Playlist-Marketing-Vorstand
Nach Angaben von Awal sähen die Künstler des Labels Abrufsteigerungen zwischen 50 und 100 Prozent, wenn diese in Playlists von Spotify gefeatured werden. Und der Effekt ist offenbar nachhaltig: Auch nach den Features würden die Songs der Künstler 20 Prozent häufiger gestreamt.
Nicht unbedingt verwunderlich also, dass die großen Musiklabel die Kraft von Playlists als Marketinghebel schon vor einiger Zeit erkannt haben. Die Universal Music Group beispielsweise hat im August 2015 Jay Frank zum Senior Vice President of Global Streaming Marketing ernannt. Frank ist damit auf Vorstandsebene verantwortlich für die Playlist-Marketing-Strategie. Der Musikmarketingexperte hatte mit seinen Unternehmen Digsin und Digmark zuvor Playlist Marketing als Dienstleistung angeboten. Im Rahmen des Deals wurde Universal „Partner“ bei den beiden Unternehmen.
Ein Playlist-Platz für 10.000 US-Dollar
Wenige Tage nach der Bekanntgabe der Personalie sorgte ein Bericht von Billboard, dem führenden Branchenmagazin in den USA, für Aufsehen: Franks Unternehmen hätten auf Streaming-Plattformen Playlist-Plätze eingekauft, und generell hätten sich Playlists zum Geschäft entwickelt. „Playlist Promotion“ sei eine „sehr sehr große Sache“, so Daniel Glass von Glassnote Records (u.a. Mumford & Sons) laut Billboard. Und: Geschäfte nach dem „Pay for Play“-Prinzip „finden definitiv“ statt, zitiert die Zeitschrift einen namentlich nicht genannten Marketingverantwortlichen eines Major-Labels. Laut einer weiteren Billboard-Quelle könne der Preis für einen Playlist-Platz je nach der Zahl der Follower der Playlist zwischen 2.000 und 10.000 US-Dollar betragen.
Bis zu diesem Zeitpunkt hatte sich Spotify offenbar um Playlist-Deals wenig geschert. Wenige Tage nach dem Billboard-Bericht nahm das Unternehmen laut Financial Times einen Passus in seine AGB auf, laut dem es ausdrücklich verboten ist, Geld oder irgendeine andere Form von Vergütung für Playlist-Plätze entgegenzunehmen.
Reger Handel mit Plätzen und Followern?
Doch auch heute noch bieten Nutzer auf der Plattform Fiverr.com Plätze auf Spotify-Playlists gegen ein geringes Entgelt an. Den dort mit abgebildeten Screenshots nach zu schließen, folgen den Playlisten, auf denen die Plätze angeboten werden, jedoch höchstens dreistellige Follower-Zahlen. Ob dahinter echte Follower stehen, ist zudem nicht verlässlich zu ermitteln. So lassen sich über Google ohne Probleme auch Seiten im Netz finden, auf denen man Follower für Spotify-Playlists kaufen kann.
Spotifys eigene Playlisten dominieren die Plays
Um der Macht der Playlists, Streaming-Plattformen und „Musik-Influencer“ zu begegnen, haben die drei größten Labels unter anderem eigene „Playlist-Brands“ etabliert, mit denen sie auf Plattformen wie Spotify und Youtube unterwegs sind. Unter dem Namen Digster beispielsweise ist Universal nicht nur auf Spotify aktiv, sondern betreibt auch einen der abrufstärksten deutschen Youtube-Kanäle: „Digster Pop“ liegt laut Socialblade mit fast einer Milliarde Views unter den hiesigen Kanälen in puncto Abrufzahlen auf Platz 19. Sony Music hat Filtr als Playlist-Marke eingeführt, Warner Music Topsify (zuvor Playlists.net). Auf Spotify weisen die Playlists der drei Marken in der Regel jedoch „nur“ vier- bis fünfstellige, selten im mittleren sechsstelligen Bereich Follower-Zahlen auf.
Im Vergleich zu den Reichweiten von Spotifys eigenen Playlisten ist das wenig: Nach „Today’s Top Hits“ mit 14 Millionen Followern ist „RapCaviar“ mit fast sechs Millionen die zweitbeliebteste. Ganze 92 Prozent der Top 200 Playlisten auf der Plattform sind nach Erhebungen des Musikmarketingexperten John Bowditch von Spotify selbst erstellt worden. Pro Woche verzeichnen die Spotify-Playlists nach Unternehmensangaben aus dem Mai 2016 mehr als eine Milliarde Streams. Dementsprechend begehrt sind in der Industrie die Plätze: Wie OMR aus der deutschen Musikbranche gehört hat, müssen die Label ihre Künstler gegenüber Spotify für die Playlists pitchen – und der Wettbewerb ist groß.
„Wir nehmen kein Geld für Playlist-Plätze“
Hinzu kommt darüber hinaus noch die wöchentlich für jeden Abonnenten personalisiert erstellte Playlist „Discover Weekly“: Bis zum vergangenen August habe dieses Format für sechs bis sieben Milliarden Streams gesorgt, so ein Spotify-Manager gegenüber Adweek. Bei 8.000 auf der Plattform vertretenen Künstler stamme mehr als die Hälfte der wöchentlichen Streams von der „Discover Weekly“-Playlist.
Sind Plätze auf den Spotify-eigenen Playlists für Label käuflich erwerbbar? Spotify selbst verneint dies. Steve Savoca, bei Spotify hauptverantwortlich für die Beziehungen zu den Labels, entgegnete bereits 2014 auf eine entsprechende Anfrage von Ars Technica, dass es zwar Werbeformate gebe, mit denen die Labels ihre Künstler und deren Musik bewerben könnte, dass Spotify aber nicht gegen Geld Musik in Playlists oder Radio-Stationen platziere.
Branchenveteran will Songs platzieren können
Auch in dieser Frage stellen andere Branchenvertreter im Netz Behauptungen auf, die auf Gegenteiliges schließen lassen. Der US-Dienstleister „Streaming Promotions“ schreibt auf seiner Website: „Wir haben die Möglichkeit, Musik auf internen Playlists innerhalb von Spotify zu platzieren. Diese sind die Playlists, die in der ‚Browse’-Sektion von Spotify angezeigt werden.“ Mitgründer von Streaming Promotions ist laut seinem LinkedIn-Profil Michael Sloane, der schon seit mehreren Jahrzehnten in der Musikindustrie tätig ist.
Vermutlich wird die Macht der Streaming-Plattformen gegenüber dem Rest der Musikindustrie noch zunehmen: Während Streaming in Deutschland im Jahr 2015 (jüngere Zahlen liegen noch nicht vor) laut dem Bundesverband der Deutschen Musikindustrie gerade einmal für 14,4 Prozent der Umsätze gesorgt hat, war es in den USA im Jahr 2016 schon die Haupteinnahmequelle. Und junge Erwachsene bevorzugen ganz offensichtlich das Streaming gegenüber dem Besitz von Musikdateien oder physikalischen Tonträgern: In der Altersgruppe der 18- bis 24-Jährigen hat in den USA im März 2016 in puncto Hördauer das Streaming erstmals vor Radio und „Owned Music“ das Feld angeführt.