Dieses kaum bekannte deutsche Startup baut Chat Bots für große US-Publisher
- Spectrm bringt Business Insider, Mic und NowThis in den Facebook Messenger
- Von Whatsapp zum Facebook Messenger
- Auf einer Slide mit Wall Street Journal und Unicef
- Auch in den USA zählt Spectrm zu den Vorreitern
- Personalisierung und Machine Learning
- Was können Marketer mit Spectrm anstellen?
Spectrm bringt Business Insider, Mic und NowThis in den Facebook Messenger
Chat Bots und die Nutzung von Messengern für Marketing und Publishing sind gerade äußerst angesagte Themen. Spectrm aus Berlin ist bei dem Thema ganz vorne mit dabei und hilft namhaften US-Online-Medien wie Business Insider, NowThis, Mic und Thrillist dabei, ihre Inhalte über den Facebook Messenger, Slack oder Telegram zu verbreiten. Wir haben uns von den drei jungen Gründern unter anderem erzählen lassen, wie es ihnen als kleines deutsches Startup gelungen ist, von Facebook zum Launchpartner vom Messenger-Publishing-Programm erwählt zu werden.
„Eigentlich dachten wir, dass der Online Journalismus kaputt ist. Dann aber haben wir festgestellt, dass der Online-Journalismus nicht am Ende, sondern dass die Distribution das Problem ist“, sagt der Co-Gründer von Spectrm Max Koziolek im Gespräch mit Online Marketing Rockstars. Er hat das Unternehmen gemeinsam mit Manfred Stellenberg und Jendrik Höft 2015 gegründet. Koziolek und Höft kennen sich noch aus der Schule und Stellenberg kam bei einem Schnaps auf einer Party in Berlin dazu. Stellenberg hatte vorher über zehn Jahre lang den Service Ubimet aufgebaut. Das Unternehmen aus Österreich liefert weltweit zielgerichtete Wetterprognosen, unter anderem für die Formel 1.
Die drei machen sich im letzten Jahr also daran, die Distribution im Online-Journalismus zu verbessern. Das Ziel: Genau den Content für den Nutzer verfügbar machen, den er mag und ihn damit dort erreichen, wo er ist. Und mit derzeit 900 Millionen aktiven Nutzern weltweit drängt sich der Facebook Messenger als Plattform fast auf.
Von Whatsapp zum Facebook Messenger
Angefangen haben die Jungs im Juni 2015 mit einem Whatsapp-Client. In einem Testlauf konnten Nutzer Links zu den Artikeln ihrer Lieblingsautoren empfangen. Doch schon früh nach dem Start wurde klar, dass Whatsapp nicht der beste Messenger für Content-Distribution ist – trotz der vielen Nutzer in Deutschland. Facebook selbst machte sich Ende 2015 daran, Whatsapp-Newsletter-Anbieter als Spam zu markieren und deren Nummern zu sperren.
„WhatsApp hat bei uns ohne offene Schnittstelle keine Zukunft. Facebook schiebt in Zukunft seine Spam-Algorithmen zu WhatsApp – und das sind die besten der Welt“, erklärt Koziolek. Der Mutterkonzern sieht den Messenger als die offene Plattform mit Chat Bots, Unternehmensaccounts und Bezahlservice. Whatsapp scheint zwar zu planen, Business Accounts für Banken, Fluggesellschaften und andere Unternehmen einzurichten, insgesamt agiert hier Facebook aber viel zurückhaltender. Auch deshalb macht für Marketer derzeit eher der Blick auf den Messenger Sinn.
Auf einer Slide mit Wall Street Journal und Unicef
Während die drei Gründer sechs Monate beim Next Media Accelerator in Hamburg Kontakte knüpfen und an der Technologie arbeiten, sprechen sie das erste Mal mit Bild.de über ein gemeinsames Projekt. Für die Teilnahme am Accelerator bekommen sie ein Investment über 50.000 Euro für zehn Prozent des Unternehmens und ein halbes Jahr Bürofläche in Hamburg. Facebook wird kurz nach dem ersten Kontakt zu Bild.de auf Spectrm aufmerksam. „Wir hatten die Technik und den Fokus auf Publisher. Danach hat Facebook gesucht“, sagt Max Koziolek. Als Teil des Partnerschaftsprogramms für den Messenger lädt Facebook das Spectrm-Team zur F8 2016 ein, der großen Entwicklerkonferenz des Konzerns im Silicon Valley. Bei seinem Vortrag zeigt Messenger-Chef David Marcus dann die Slide mit den wichtigen Partnern – darunter Bild, CNN, Wall Street Journal, Unicef, Booking.com und eben Spectrm. Das junge deutsche Startup ist also, was die Aufmerksamkeit innerhalb des Facebook-Kosmos angeht, ganz oben angekommen.
Seit Januar 2016 bietet Bild.de seinen Bundesliga Transferticker über den Facebook Messenger an. Das ist der Testlauf für Spectrm. Das Startup stellt die Technologie. Fußball-Fans bekommen in der Wechselperiode aktuelle Infos über auf das Smartphone geschickt und erfahren so immer Gerüchte und anstehende Transfers. Ähnlich funktionierte kurze Zeit später der Dschungelticker mit aktuellen News aus der RTL-Sendung „Ich bin ein Star – Holt mich hier raus“. Bild.de ist zu diesem Zeitpunkt der erste Publisher weltweit, der auf den Facebook Messenger setzt.
Die Nutzer können sich auf Bild.de über ein kleines Fenster (iFrame-Einbindung) direkt für den Ticker anmelden, indem sie einen kurzen Text an die Facebook-Seite des Transfertickers schicken. Die Bild-Redakteure kuratieren einen Newsfeed, der den angemeldeten Nutzern über den Tag geschickt wird. Über den Erfolg vom Transferticker und dem funktionsgleichen Dschungelticker schweigen sowohl Bild.de als auch Spectrm. Julian Reichelt sagt, dass die Tests gut funktioniert hätten, Reichweiten-, Nutzer- oder Klickzahlen nennen weder er noch Koziolek. Der Gründer sei aber sehr zufrieden mit der Click-Through-Rate (CTR) und der Sharerate der Testläufe.
Spectrm selbst ist ein Software As A Service-Modell (SAAS), der Publisher bezahlt einen Festpreis für die Nutzung von Spectrm. Wie der Publisher den Service einbindet, hänge davon ab, wie er die Daten verarbeitet, so Koziolek. Möglich sei nahezu alles, wie etwa das Versenden der Nachrichten über einen RSS-Feed oder ein WordPress-Plugin.
Auch in den USA zählt Spectrm zu den Vorreitern
Seitdem Facebook den Messenger für Publisher geöffnet hat, ist ein regelrechter Run gestartet – vor allem in den USA. Und auch dort spielt Spectrm eine entscheidende Rolle. Das Startup arbeitet auch mit Business Insider zusammen und hat den Chat Bot Business Insider Update entwickelt. Der soll bald schon live gehen und die angemeldeten Nutzer mit den Top-Stories des Tages versorgen – natürlich in Echtzeit. „Die neue Funktionalität ist ein idealer Weg, unsere Nutzer sofort und direkt dort zu erreichen, wo sie sind“, sagt Business Insiders SVP Of Product John Ore. Leser sollten laut Ore über den Messenger wie in einem Gespräch angesprochen werden, um nicht einfach den Newsfeed von Facebook zu kopieren.
Und auch Mic.com setzt auf Spectrm. Der US-Publisher richtet sich vor allem an junge Leser und kommt laut Analyse-Tool Similar Web auf 16 Millionen Visits im Monat. Gemeinsam mit dem deutschen Startup bringt Mic den Bot „Check Yourself“ an den Start, der nur eine Top-Story pro Tag über den Messenger verschickt. Zusätzlich wird es eine „Später lesen“-Funktion geben, bei der die Nutzer sich den Text per E-Mail schicken lassen können. Außerdem soll es ein Tool namens „choose your own adventure“ geben, mit dem Leser die Storys aus verschiedenen Gesichtspunkten oder nur über Fotos erzählt, erleben können. Wie das genau aussieht, wird man aber erst zum Start des Chat Bots sehen. Gemeinsam mit Mic arbeitet Spectrm daran, die Anmeldung zu den Bots noch einfacher zu machen. So soll es zum Start von Check Yourself statt einer iFrame-Einbindung wie bei Bild.de einen Button geben, mit dem die Anmeldung per Klick funktioniert – solange der Nutzer gleichzeitig bei Facebook eingeloggt ist.
Spectrm will sich in den kommenden Monaten stark auf die großen Partner in den USA konzentrieren, zu denen neben Business Insider und Mic auch NowThis und das Männerportal „The Thrillist“ gehören. „In den USA ist die Adoptionsgeschwindigkeit und die Messenger-Verbreitung einfach höher als in Deutschland“, erklärt Spectrm-Gründer Koziolek. Aber natürlich laufen weitere Projekte mit Bild.de und t3n. Für das Technikportal hat Spectrm einen Bot für das Produktivitätstool Slack entwickelt. Auch hier bekommen die Nutzer aktuelle Artikel in Echtzeit geschickt.
Aber die Konkurrenz in den USA ist vor allem wegen eines Players sehr groß. Der Content-Empfehler Outbrain bietet mit Outbrain for Chat einen ganz ähnlichen Service an und wird unter anderem von CNN genutzt. Das Unternehmen hat wegen seiner engen Zusammenarbeit mit Publishern auf der ganzen Welt gute Kontakte zur Branche und will seine Content-Empfehlungen jetzt auch im Messenger anbieten.
Personalisierung und Machine Learning
Die Zusammenarbeit mit Mic weist in die Zukunft, wie die Spectrm-Macher sie sich vorstellen. Denn die Nutzer sollen nicht einfach den ganzen Tag die Top-News wie eine weitere Art Push-Nachricht angezeigt bekommen. Vielmehr will Spectrm jedem Nutzer persönliche Einstellungen erlauben. „Special Interest funktioniert und Personalisierung ist einer der Trends im Publishing“, sagt Koziolek. Deswegen sei das auch der richtige Weg für das Startup: „Jeder User soll sich in Zukunft seine Inhalte selbst zusammen stellen. So könnte man sich nur Inhalte von Bild nur zum Thema Manuel Neuer im Messenger schicken lassen.“ Vereinsnews funktionieren jetzt schon bei Bild.de über einzelne Facebook-Seiten (Bild BVB hat über 20.000 Fans, Bild Bayern FC Bayern fast genauso viele) recht gut. Ein Messenger-Bot, der in Echtzeit Neuigkeiten liefert, könnte möglicherweise ebenso Anklang finden – noch ist Spectrm aber nicht so weit.
Noch entwickelt das Startup seinen Chat Bot, der dazu lernen soll (Stichwort: Machine Learning). Bei diesem Vorhaben wird das Startup auch von Google unterstützt. Dem Team ist es gelungen, ein Funding der Digital News Initiative des Konzerns zu bekommen, mit dem Google junge Publishing-Produkte in Deutschland unterstützt. Damit ist Spectrm eins von 128 Startups, die das europaweit geschafft haben. Der lernende Publishing-Bot soll in den nächsten Monaten gelauncht werden. Er soll dem Nutzer dann empfohlene Artikel auf Grundlage seiner Interessen über den Facebook Messenger schicken und Beiträge finden, die über die aktuelle News hinaus gehen. Dabei soll der Bot auch hin und wieder abseitige Geschichten empfehlen, damit der Nutzer nicht immer mit den gleichen Themen konfrontiert wird. Auch spezielle Befehle des Nutzers versteht der Bot.
Was können Marketer mit Spectrm anstellen?
Insgesamt denkt Spectrm-Gründer Koziolek aber, dass das Bot-Thema auch überschätzt wird: „Der Bot-Hype weckt auch falsche Erwartungen. Bots werden keine Gespräche führen. Unser Bot soll zum Beispiel News-Empfehlungen geben und Dinge finden, die über die gelesenen Artikel hinaus gehen – und natürlich lernt er am Verhalten des Nutzers dazu.“
Was Marketer genau mit Chat Bots anstellen können, hat Björn Sjut vor Kurzem in einem Gastbeitrag bei uns schon geschrieben. Er unterscheidet dabei zwischen Subscription Bots (wie denen von Spectrm), Shopping Bots, Q&A-Bots, Game Bots, Service Bots und Conversational Bots. Mögliche Potenziale fürs Marketing bieten vielleicht alle davon und auch Koziolek ist nicht abgeneigt, auch mit Marken zusammen zu arbeiten: „Wenn eine Brand spannenden Content erstellt, dann reden wir gern mit ihr.“ Die erste Form der Chat Bots sollten Marketer also am ehesten als Verlängerung ihrer Content-Strategie sehen.
Ihr wollt noch mehr Insights zu Messenger Marketing und Chat Bots? Dann solltet Ihr auf unserer New Platform Advertising-Konferenz am 26. Mai im Hamburger Docks vorbei schauen. Dort erfahrt Ihr auch alles zu anderen Plattformen wie Instagram, Snapchat, Youtube & Co. Spectrm-Gründer Max Koziolek wird auch auf der Bühne stehen und neue Funktionen der Technologie zeigen. Hier gibt’s weitere Infos und Tickets.