Social-Media-Gold: Das sind die viralen Champions der Olympischen Spiele in Paris

Ein norwegischer Schwimmer mit Schoko-Muffin-Hieper, ein Rettungsschwimmer in bunter Badehose und Superman am Pauschenpferd sorgen für virale Momente am Fließband

Paris wird während der Olympischen Spiele von der "Stadt der Liebe" zur "Stadt der Selfies". (Foto: Instagram-Account IOC)
Paris wird während der Olympischen Spiele von der "Stadt der Liebe" zur "Stadt der Selfies". (Foto: Instagram-Account IOC)
Inhalt
  1. Superman am Pauschenpferd
  2. Der Normalo mit der Luftpistole
  3. "Swimmer by day, muffin man by night"
  4. Funny-Frisch und Aldi snacken mit Simone Biles
  5. Samsung beschenkt Athlet*innen mit goldenen Smartphones
  6. "Frozen period": IOC schränkt individuelle Vermarktung ein
  7. Ein Surfer-Foto fürs Louvre?
  8. Snoop Dogg und "Bob the Cap Catcher"

Schon zur Halbzeit scheint eines unumkehrbar festzustehen: Die Olympischen Spiele 2024 gehen viraler als alle bisherigen Ausgaben. Athlet*innen verlängern die sportliche Bühne gekonnt auf Tiktok, während Instagram Paris von der "Stadt der Liebe" zur "Stadt der Selfies" verwandelt. OMR hat die kuriosesten Momente zusammengetragen.

Superman am Pauschenpferd

In letztere Kategorie fällt zum Beispiel Stephen Nedoroscik. Der US-Amerikaner ist ein aufs Pauschenpferd spezialisierter Turner, in Paris holte er im Team-Wettbewerb Bronze für die Vereinigten Staaten. Der Name Nedoroscik ist in der Turnwelt zwar ein bekannter, dürfte bis dahin darüber hinaus aber nur eingefleischten Sportfans ein Begriff gewesen sein. Doch das hat sich durch seinen Auftritt in Paris schlagartig geändert. In der internationalen Netz-Community wird er in Anlehnung an sein Turngerät längst als "Pommel Horse Guy" gefeiert – und zwar nicht nur aufgrund seiner sportlichen Leistung.

Der 25-Jährige aus Massachusetts wurde einzig für die Spezialdisziplin am Pauschenpferd ins fünfköpfige Team der US-Turner berufen. Die entsprechende Übung dauert weniger als eine Minute. Und den Rest der Zeit? Den schaut Nedoroscik seinen Teamkollegen beim Wettkampf zu. Stundenlang sitzt er also an der Seite und wartet, lehnt ab und an seinen Kopf an die Wand und macht auch mal die Augen zu. Was Nedoroscik zu dem Zeitpunkt nicht weiß: Seine natürliche Gelassenheit macht ihn, während er sich da ganz entspannt mit Brille auf dem Kopf seine Gedanken macht, zum Social-Media-Hit. Ein beispielhafter Post bei X gibt einen Eindruck von dem entstandenen Hype, er wird über 15 Millionen Mal gesehen, auch bei Tiktok kursieren alsbald zig Videos.

Wahlweise wird der Pommel Horse Guy Stephen Nedoroscik auch zu Clark Kent, viele Nutzer*innen sehen in ihm Parallelen zum berühmten Superman-Filmcharakter. Kein Wunder: Kurz bevor sich der Amerikaner zu seinen heldenhaften Taten am Pauschenpferd aufschwingt, legt er – genau wie Clark Kent – seine Brille beiseite. Rund 40 Sekunden später sichert Nedoroscik den US-Turnern mit seiner Performance die erste Olympische Medaille seit 16 Jahren.

Der Normalo mit der Luftpistole

Genauso wie Nedoroscik hat Paris 2024 Yusuf Dikec quasi über Nacht zur Internet-Sensation gemacht, nachdem der 51-Jährige die Türkei im Olympia-Finale mit der Luftpistole zu Silber schießt. Auch bei ihm geht es aber vor allem um die Art und Weise, die für unglaubliches Aufsehen sorgt.

Normalerweise tragen die Sportschütz*innen beispielsweise größere Kopfhörer als Geräuschschutz und eine spezielle Schießbrille mit einer Linse, die das zielen erleichtern soll. Und Dikec? Steht einfach da, wie man entspannter nicht da stehen könnte – mit einer Hand in der Hosentasche und einer herkömmlichen Brille auf der Nase. Immerhin ein Paar Ohropax hat auch er sich gegönnt. Ein sensationeller Anblick, vor allem, wenn man daneben den hochprofessionell ausgestatteten serbischen Kontrahenten Damir Mikec sieht. Das findet auch die Social-Media-Community der einschlägigen Plattformen. Allein dieser Post bei X wird 98 Millionen Mal gesehen – und auch sonst ist das Internet voll von Geschichten über den für einen Olympischen Wettkampf ungewöhnlich normal wirkenden pensionierten Unteroffizier der türkischen Gendarmerie.

Dass Schützen des Typs Dikec eher die Ausnahme sind, zeigt Kim Ye-ji in beeindruckender Manier. Die Südkoreanerin heimste im Olympischen Einzelfinale an der Luftpistole ebenfalls eine Silber-Medaille ein. Und auch sie wird hinterher im Netz gefeiert – und zwar für ihr eiskaltes Auftreten gepaart mit einem außergewöhnlichen Style, der sie aus Sicht der "GQ" schon jetzt zum "Fashion-Star dieser Olympischen Spiele" macht. Aber seht am besten selbst (PS: Das Video stammt von Weltmeisterschaften 2024 in Baku, wurde aber Ende Juli aufgrund des ungewöhnlichen Auftritts in Paris gepostet):

"Swimmer by day, muffin man by night"

Während Stephen Nedoroscik, Yusuf Dikec und Kim Ye-ji die viralen Auswüchse um ihre Person eher dem Zufall überlassen, mischen andere Athlet*innen längst aktiv im Reichweiten-Game rund um die Olympischen Spiele mit. Viele von ihnen haben beispielsweise damit begonnen, via Youtube Shorts, Instagram Reels oder Tiktok ihr Leben im Olympischen Dorf zu dokumentieren – Reality TV vom Feinsten, oftmals dabei im Mittelpunkt: das Essen.

Dass viele Sportler*innen die angebotenen Speisen im Olympischen Dorf zum Teil stark kritisieren, kann der norwegische Schwimmer Henrik Christiansen offenbar ganz und gar nicht verstehen. Besonders angetan hat es ihm der in der Kantine angebotene Schokoladen-Muffin. Er wird zu Christiansens Signature-Symbol, kaum ein Tiktok-Video geht mehr ohne. Auch der Community scheint das zu schmecken. Die jüngsten Videos des Norwegers erzielten fast ausnahmslos Aufrufe im Millionenbereich.

Dabei kann man nicht unbedingt behaupten, dass Christiansen vor den Spielen von Paris ein Social-Media-Star gewesen wäre. Der Norweger ist seit März 2022 auf Tiktok und hatte dort bis zur Eröffnungsfeier erst 26 Videos veröffentlicht, viele davon dümpeln bei den Aufrufzahlen im fünfstelligen Bereich herum.

Den Veranstaltern der Spiele gefällt die positive Presse in Sachen Essen jedenfalls wenig überraschend, sie haben Christiansen in einem eigenen News-Beitrag längst als "viral chocolate muffin connoisseur of the Olympic Village" getauft. "Swimmer by day, muffin man by night", bezeichnet sich der Norweger selbst unter einem seiner Videos. Inzwischen sind, womöglich auch durch Christiansens Muffin-Liebe, viele weitere Athlet*innen auf den (viralen) Geschmack gekommen.

Funny-Frisch und Aldi snacken mit Simone Biles

Mindestens ein Regalfach höher als Henrik Christiansens Social-Kennzahlen sind die von Simone Biles. Ganz abgesehen davon ist die US-amerikanische Bodenturnerin auch sportlich eine der beliebtesten Superstars dieser Olympischen Spiele. Bei Tiktok schnellen die Aufrufe ihrer jüngsten Videos regelmäßig in achtstellige Höhen.

Wenn auch längst nicht so ausgeprägt, geht es wie bei Christiansen auch in Biles‘ Videos immer mal wieder um das Thema Essen. In einem der Videos snackt sie beispielsweise gemeinsam mit ihren Teamkolleginnen die Goldmedaillen mit dem Verweis "taste golden". Das Video sahen bis dato schon rund 80 Millionen Menschen. Das ist auch der werbetreibenden Industrie nicht entgangen. Einer der über 50.000 Kommentare kommt etwa vom Funny-Frisch-Account. "Das ist echt ein flex", schreibt die Chipsmarke.

In einem anderen Tiktok-Video, das bereits 19 Millionen Mal angeschaut wurde, isst Simone Biles ein Schokobrötchen. Auf diesen Zug wiederum versucht der französische Account des Discounters Aldi mit einem amüsanten Französisch-Englisch-Post aufzuspringen: "Hey Simone Biles! If you enjoyed ces petites douceurs, you can venir au Aldi in Saint Ouen (next to le village olympique) and on t’offre some paquets", lautet der Kommentar, der die Starturnerin auf den Aldi um die Ecke aufmerksam macht, wo weitere Schokobrötchen auf sie warteten – probieren kann man es ja mal.

Samsung beschenkt Athlet*innen mit goldenen Smartphones

Funny-Frisch und Aldi zählen nicht zum erlauchten Kreis der weltweiten Partner, die dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC) in der laufenden Olympiade über 2,5 Milliarden US-Dollar in die Kassen spülen und dafür exklusive Werberechte bei den Spielen erhalten. Einer von ihnen ist Samsung. Der südkoreanische Elektronikkonzern erhält dabei aber nicht nur Branding gegen Cash, sondern hat sich für die Wettkämpfe in Paris etwas Besonderes für die Athlet*innen einfallen lassen. So erhalten alle der fast 17.000 teilnehmenden Olympischen und Paralympischen Sportler*innen eine exklusive goldene Edition des neuesten "Galaxy"-Smartphones, die sie im Olympischen Dorf zudem noch nach persönlichen Präferenzen veredeln lassen können.

Das Kalkül ist klar: Samsung hofft auf möglichst viele von Fotograf*innen festgehaltene Selfie-Momente der Athlet*innen mit dem goldenen Samsung-Smartphone in der Hand. Darüber hinaus profitiert auch der Elektronikkonzern von den Tiktok-Tagebüchern aus dem Olympischen Dorf, in denen viele Sportler*innen explizit das Handy-Präsent thematisieren – die australische Boxerin Tina Rahimi zum Beispiel: Sie widmet dem Thema gleich zwei Videos und erzielt damit in Summe über 20 Millionen Aufrufe. Das ist auch deswegen bemerkenswert, da ihre Beiträge bis auf wenige Ausnahmen normalerweise eher auf sechsstellige Aufrufe kommen. Ein ähnlicher Effekt ist auch beim neuseeländischen Schwimmer Lewis Clareburt und dessen Handy-Unboxing-Video bei Tiktok festzustellen.

"Frozen period": IOC schränkt individuelle Vermarktung ein

Während die globalen Partner die IOC-Kassen klingeln lassen, sind den an den Olympischen Spielen teilnehmenden Athlet*innen in ihrer individuellen Vermarktung weitgehend die Hände gebunden. Grund hierfür ist die in Kreisen der Sportler*innen umstrittene "Rule 40" der Olympischen Charta. Mithilfe derer will das IOC nämlich die Exklusivität seiner großen Partner in ihrer jeweiligen Produktkategorie sicherstellen und dämmt dafür die Werberechte der Athlet*innen entsprechend drastisch ein.

Auf der Kleidung der Sportler*innen dürfen sich beispielsweise mit Ausnahme der Logos der ausrüstenden Sportartikelhersteller keine weiteren Platzierungen von Werbepartnern finden. Auch in Interviews geäußerte Werbebotschaften oder werbliche Social-Media-Postings von oder mit Individualpartnern der Athlet*innen stehen speziell im Zeitraum vom 18. Juli (Eröffnung des Olympischen Dorfs) bis 13. August (zwei Tage nach der Abschlusszeremonie) auf dem Index und fallen in die sogenannte "frozen period". Ihre durch die Teilnahme an den Spielen teilweise explosionsartig steigende Bekanntheit können die Athlet*innen im Nachgang und ohne Nutzung Olympischer Symbole dennoch auch in der Vermarktung für sich nutzen können.

Ein Surfer-Foto fürs Louvre?

Die Liste von viralen Videos rund um die Olympischen Ringe ließe sich problemlos noch um einiges fortschreiben. Da wären zum Beispiel die beiden australischen Fußballspielerinnen Mackenzie Arnold und Alanna Kennedy, die mit der nur sieben Sekunden langen Anprobe ihres Olympia-Outfits über 40 Millionen Views erzielen. Oder auch die US-amerikanische Rugby-Spielerin Ilona Maher, die zuletzt in beinahe 50 Tiktoks am Stück jedes Mal die Marke von mindestens einer Million Views erreichen konnte.

Über digitale Wege und in rasender Geschwindigkeit um die Welt ging auch der unfassbare Shot des AFP-Fotografen Jerome Brouillet, der vor der Küste Tahitis die Jubelpose des brasilianisches Surfers Gabriel Medina spektakulär einfing. Eventuell kann das Wahnsinnsbild an prominenter Stelle künftig sogar auch ganz analog begutachtet werden. "Here’s THE shot… hang it in the Louvre", schlug das IOC in seinem dazugehörigen Instagram-Post vor. Eine Antwort des berühmten Pariser Kunstmuseums ließ nicht lange auf sich warten: "We are going to think about it".

Snoop Dogg und "Bob the Cap Catcher"

Nicht immer sind es übrigens die Athlet*innen, die für die viralen Momente bei den Olympischen Spielen sorgen. So gönnte sich in Paris beispielsweise auch ein ganz gewöhnlicher Rettungsschwimmer in bunter Badehose eine Einlage, die ihm nicht zuletzt dank Social Media globale Aufmerksamkeit bescherte. "That’s my guy", feierte ihn daraufhin gar der US-Rap-Star Snoop Dogg bei NBC und verpasste ihm kurzerhand den Spitznamen "Bob the Cap Catcher". Paris 2024 – höher, schneller, viraler.

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Henning Eberhardt
Autor*In
Henning Eberhardt

Henning ist bei OMR seit Anfang 2023 für Sport- und Gaming-Inhalte zuständig. Von 2010 bis 2019 pendelte er für den Sportbusiness-Verlag SPONSORs als Redakteur zwischen Fußballstadion und Formel-1-Rennstrecke. Anschließend wechselte der waschechte Insulaner zum Marketing-Medium absatzwirtschaft in die Handelsblatt-Gruppe.

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