So funktioniert die Marketing-Maschine Tour de France

In Deutschland ist die Tour von früheren Reichweiten-Rekorden entfernt. Weltweit ist das anders.

Die zweite Etappe der Tour de France führte 2022 in Dänemark von Roskilde nach Nybord. Foto: Tour de France
Die zweite Etappe der Tour de France führte 2022 in Dänemark von Roskilde nach Nybord. Foto: Tour de France
Inhalt
  1. Netflix plant eine Serie über die Tour
  2. Düsseldorf kostete die Tour de France Millionen
  3. Rick Zabel ist für die ARD im Einsatz
  4. 200 Millionen Euro Umsatz mit der Tour?

Die Tour de France zählt zu den größten Sport-Spektakeln der Welt. In Deutschland war davon in den vergangenen Jahren weniger zu sehen. Teile der Fans und der Öffentlichkeit hatten sich nach Doping-Skandalen abgewendet. Doch einige deutsche Unternehmen nutzen die Tour weiterhin als Werbeumfeld – und auch das Interesse könnte wieder steigen. Dank Netflix.

Es gab eine Zeit, da war die Tour de France in Deutschland ein Fernsehereignis. Da konnte man stundenlang Helikopteraufnahmen französischer Landschaften sehen, durch die eine rasend schnelle Wolke Radfahrer sauste. Man konnte mitfiebern, wenn Rennfahrer Jens Voigt mal wieder einen Ausreißversuch startete, Erik Zabel auf den letzten Metern zum Sprint ansetzte oder Jan Ulrich sich mit gequältem Blick die Berge hinauf wuchtete. Doch dann ging es schneller bergab als vom Col de la Madeleine.

„Dickes Blut“ lautete die Titelgeschichte des Spiegel, in dem systematisches Doping im Team Telekom enthüllt wurde. Ulle, Klödi, Zabel – die Volkshelden von einst wurden plötzlich mit anderen Augen gesehen. Rund zwölf Millionen Euro soll das Radsport-Team die Telekom jährlich gekostet haben. Doch 2007 war Schluss, nachdem erneut Dopingfälle bekannt wurden. Erst stieg die Telekom aus, dann auch die Fernsehsender ARD und ZDF. Die Radrennfahrer fuhren weiter, aber der deutsche Zuschauer war nicht mehr dabei.

Netflix plant eine Serie über die Tour

Doch nun rollt die Marketing-Maschine wieder. Demnächst offenbar sogar bei Netflix. Ein Filmteam begleitet die aktuelle Tour jedenfalls, um im Stile der Formel-1-Doku „Drive to survive“ auch den Radrennsport für eine neue Zielgruppe attraktiv zu machen. Auch die deutschen Sponsoren sind längst wieder zurück, nachdem sich vor Jahren die Telekom und später dann auch der Mineralwasser-Produzent Gerolsteiner zurückgezogen hatten. Die Bielefelder Dr. Wolff-Gruppe sponsert mit ihrer Marke Alpecin einen Rennstall – was angesichts der Vergangenheit der Tour und der Alpecin-Werbebotschaft „Doping für die Haare“ unfreiwillig komisch wirkt. Und auch der Armaturen-Hersteller Hansgrohe mischt inzwischen mit.

Der Netflix-Push könnte dafür sorgen, dass die Tour auch in Deutschland wieder stärker wahrgenommen wird. Außerhalb der Bundesrepublik zählt sie noch immer zu den größten Sportspektakeln der Welt. Doch in Deutschland ist das Interesse noch deutlich von den Hochzeiten entfernt. Ein Star mit der Strahlkraft eines Jan Ulrichs fehlt. Während dessen Tour-Sieg sich in diesem Jahr zum 25. Mal jährt und Anlass gibt für eine Podcast-Serie und eine Dokumentation, sind die Namen der heutigen deutschen Tour-Teilnehmer den meisten Deutschen unbekannt. Nur neun deutsche Fahrer sind dieses Mal dabei, so wenige wie zuletzt vor 20 Jahren.

Düsseldorf kostete die Tour de France Millionen

Dennoch ist die Tour immer noch ein Marketing-Spektakel. Längst haben die Tour-Verantwortlichen damit begonnen, das französische Radrennen zu internationalisieren. In diesem Jahr fand der Start der Tour, der Grand Départ, im dänischen Kopenhagen statt – so weit nördlich wie nie zuvor. Für die Städte ist die Ausrichtung ein Minus-Geschäft, doch mancher Bürgermeister schielt offenbar auf mediale Aufmerksamkeit für sich und seine Stadt. Allein Düsseldorf kostete die Ausrichtung des Grand Départ 2017 knapp 16 Millionen Euro, wobei nach Abzug aller Einnahmen ein Verlust von knapp acht Millionen Euro blieb. Ein Grund war, dass sich weniger Unternehmen engagiert hatten, als anfangs erhofft.

Das verwundert nicht, denn die größte Aufmerksamkeit generieren Marken natürlich weiterhin durch ihre Präsenz auf den Trikots der Fahrer – oder als Hersteller der Fahrräder. Die Bielefelder Dr. Wolff-Gruppe ist von ihrem Sponsoring offenbar so überzeugt, dass sie erst im vergangenen Herbst den Vertrag mit dem Rennstall Alpecin-Fenix um vier weitere Jahre verlängert hat. Rund um das Rennstall-Engagement hat das Unternehmen mit dem Ride-Club sogar ein Programm für Hobbyfahrer ins Leben gerufen. Und mit dem Niederländer Mathieu van der Poel hat das Team Alpecin-Fenix zudem auch einen echten Star in seinen Reihen – und das ist im Social-Media-Zeitalter mindestens so wichtig wie in anderen Sportarten.

Rick Zabel ist für die ARD im Einsatz

Van der Poel folgen alleine bei Instagram mehr als 900.000 Menschen. Dort sehen sie ihn beim Radfahren, Training, Entspannen – im Alpecin-Trikot. Doch nicht nur in Bielefeld dürfte man zufrieden sein mit der Reichweite, die Mathieu van der Poel der Marke beschert. Denn neben dem Trikot ist natürlich auch immer wieder das Fahrrad des Rennfahrers zu sehen. Und das ist von Canyon. Drei Rennställe rüstet die Koblenzer Firma bei der Tour mittlerweile aus.

Aber selbst sportlich weniger erfolgreiche Fahrer bekommen durch die sozialen Netzwerke heute eine große Reichweite. Ein Beispiel: Obwohl Rick Zabel anders als sein Vater nicht der Sprint-Star seines Teams ist, sondern zuletzt eher als Anfahrer fungierte, zählt er zu den bekannteren Namen des Radsports. Bei der Tour de France ist er nicht mal auf dem Rad, sondern für die ARD im Einsatz, dennoch folgen ihm allein bei Instagram rund 130.000 Menschen. Mit Plan Z hat er außerdem längst seinen eigenen Podcast.

200 Millionen Euro Umsatz mit der Tour?

„Viele Einzelsportler haben sich von sportlichen Erfolgen unabhängiger gemacht und sich über die eigenen digitalen Kanäle große Reichweiten aufgebaut“, sagte Felix Appelfeller von der Agentur „Jung von Matt Sports“ kürzlich im Gespräch mit der FAZ. Die Agentur berät unter anderem Unternehmen zum Thema Sponsoring. Diese Reichweite hilft den Sportlern, aber letztlich natürlich auch der Tour de France, weil die Fans so ganzjährig am Leben der Radrennfahrer teilhaben können, während sie sonst oft nur für wenige Wochen während der Tour de France in die  Radwelt eintauchen.

Das Geschäft soll jedenfalls weiter wachsen. Allein mit der Tour soll der Veranstalter, die Amaury Sport Organisation, jährlich zwischen 150 und 200 Millionen Euro Umsatz machen. Genaue Zahlen veröffentlicht die Organisation nicht. Sie gehört zum französischen Familienkonzern Amaury, der unter anderem auch die Sportzeitung „L’Equipe“ herausgibt. Speziell in Asien ist man in den vergangenen Jahren gewachsen – was natürlich gerade für Marken wie Alpecin interessant ist, die sich auf diesem Markt ebenfalls tummeln. Und auch die rund 100 Sender, die die Tour in 190 Länder ausstrahlen, sind natürlich ein gutes Argument. Knapp 7.800 Stunden Live-Übertragung weltweit – welche Sport-Art kann das schon in so kurzer Zeit bieten? Die Doping-Skandale der Vergangenheit sind jedenfalls längst vergessen. Zumindest vorerst.

Dr. WolffDüsseldorfErik ZabelGerolsteinerHansgroheJan UlrichTelekomTour de France
Florian Rinke
Autor*In
Florian Rinke

Florian Rinke ist Host des Podcast "OMR Rabbit Hole" und verantwortet in der OMR-Redaktion den "OMR Podcast". Vor seinem Wechsel Anfang 2022 zu OMR berichtete er mehr als sieben Jahre lang für die Rheinische Post über Start-ups und Digitalpolitik und baute die Rubrik „RP-Gründerzeit“ auf. 2020 erschien sein Buch „Silicon Rheinland".

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