Online-Coaching: Das ist der deutsche Star der E-Learning-Plattform Udemy

Christian Cohrs16.11.2023

Tagsüber arbeitet Sebastian Glöckner für einen Telco-Konzern. Nach Feierabend hat er sich im Online-Kurs-Business nach ganz oben gehustled

Freizeit-Coach: Sebastian Glöckner erstellt seit neun Jahren neben dem Job Online-Kurs-Business – inzwischen sind es schon 100 Stück
Inhalt
  1. Taschengeld dank Affiliate-Provisionen
  2. "Boah, das ist genial"
  3. Für ein Hobby ziemlich lukrativ
  4. Kund*innen sind angestellt wie er selbst 
  5. Portfolio-Strategie und Paretoprinzip
  6. Glöckner hat Udemy durchgespielt
  7. 1000 Experimente und eine Erkenntnis
  8. Der Aufbau seiner Personal Brand

Sebastian Glöckner gehörte zu den ersten Deutschen auf der E-Learning-Plattform Udemy – und ist dort seitdem der wohl erfolgreichste Crator mit deutschsprachigem Content. Der Bonner verkauft 96 Online-Kurse. Fast 250.000 Menschen haben in den vergangenen zehn Jahren ein Produkt von Glöckner gebucht. OMR hat mit dem Informatiker, der im Hauptjob für einen großen Telekommunikations-Konzern arbeitet, darüber gesprochen, wie es zu seinem Moonshine-Hustle kam, wie viel man in dem Business verdienen kann und wodurch er sich innerhalb einer von Scharlatanen und Schaumschlägern geprägten Szene absetzt. 

"So ein bisschen" habe er es wohl, "das Entrepreneur-Gen", sagt Sebastian Glöckner. Ganz sicher ist er keiner von diesen Vollzeit-Hustlern, die sich nach dem Schulabbruch mit Bentley-oder-Nichts-Mindset in die Selbständigkeit stürzen. Glöckner schätzt seine unbefristete Festanstellung und die staatliche Rentenversicherung, wie er sagt. Doch Unternehmertum habe ihn seit der Jungend gereizt. "Als Hobby, mit dem man Geld verdienen kann." 

Taschengeld dank Affiliate-Provisionen

Schon immer sei er sehr Internet-affin gewesen, so Glöckner. Während des Informatik-Studiums Anfang der Nullerjahre kam er dadurch zu seinem ersten Nebenerwerb. Nachdem er das Affiliate-Netzwerk Zanox entdeckt und herausgefunden hatte, dass ein Händler für Gold- und Silbermünzen dort 3,50 Euro Provision für die erfolgreiche Vermittlung von Käufer*innen von 10-Euro-Münzen zahlte, habe er etwas herum experimentiert und dann die "simpelste Website überhaupt, selbst getippt mit HTML", zusammengebaut. 

Die Links zu seinem "Kracher der Woche" postete Glöckner in einschlägige Foren. Als einer der Ersten in Deutschland legte er ein Google-Adwords-Konto an, steckte über einige Monate mehrere Tausend Euro in Werbung. Insgesamt habe er dem Münzhändler mehr als eine halbe Million Euro Umsatz zugeschoben, so Glöckner. Und selbst – für studentische Verhältnisse – "sehr viel Geld verdient". Zugleich erlag der Affiliate-Glücksritter aber nicht der Illusion, dass es ewig so weitergehen würde.

"Boah, das ist genial"

"Mir war immer klar, dass das für mich kein nachhaltiges Business ist", sagt Glöckner. Tatsächlich meldet sich eines Tages jemand vom Münzhändler bei ihm. Das könne er so nicht machen. Die Hälfte des Affiliate-Budgets fließe mittlerweile an ihn. Viele Neukund*innen bringe er aber nicht, beschwerte sich der Münzhändler bei Glöckner. "Und irgendwann hat der Partner das Affiliate-Programm dann meinetwegen eingestellt."

Nach dem Studium geht der Informatiker in die Beratung, arbeitet als Projektmanager. Doch etwas fehlt ihm im Angestelltendasein. Im Jahr 2014 entscheidet Glöckner sich, in die Programmierung von Apps einzusteigen. Er sucht sich einen Online-Kurs zu Apples Entwicklungsumgebung Xcode – und hat den größten Aha-Moment seiner Sidehustler-Laufbahn: "Das sind zwei normale Typen, die für 69 Dollar einen Kurs verkaufen", habe er sich damals gedacht. "Boah, das ist genial."

Für ein Hobby ziemlich lukrativ

Inzwischen weiß Glöckner, dass man als Creator deutlich weniger verdient, als die Endkundenpreise auf den Plattformen suggerieren. Doch für ein Hobby ist die Sache ziemlich lukrativ. Ende 2014 startete er als einer der ersten Creator aus Deutschland auf Udemy.

Die 2010 in den USA gegründete E-Learning-Plattform ist heute Marktführerin und bietet nach eigenen Angaben 210.000 Kurse in 75 Sprachen und hat 64 Millionen Kund*innen. Unter anderem Volkswagen, Samsung und Cisco nutzen die Plattform, um ihre Mitarbeitenden fortzubilden.

Kund*innen sind angestellt wie er selbst 

Glöckner beginnt seine Karriere auf Udemy mit zwei deutschsprachigen Kursen zu Excel und Projektmanagement – die er damals noch für je zehn Dollar anbietet. Seine Zielgruppe vom Start weg vor allem Young Professionals. "Leute wie ich, Angestellte, die aus dem echten Leben lernen wollen", sagt Glöckner. Nur, dass er denen 15 Jahre Praxiserfahrung beispielsweise in Sachen Automatisierung bei Excel voraus hat. 

In den vergangenen zehn Jahren hat Glöckner allein oder mit Partnern rund 100 Kurse entwickelt, von denen die allermeisten noch immer live sind. Die Bandbreite reicht von seinem 62 Stunden umfassenden Excel-Deepdive – "mein umfangreichster Kurs" – oder seinem Projektmanagement-Kurs – "fünf Jahre auf der Startseite Platz eins" –, bis zu "nischigen, aber praktischen" Angeboten wie How-to-Guides für Split-Tests im Online-Marketing.

Portfolio-Strategie und Paretoprinzip

80 Prozent des Umsatzes stammten von 20 Prozent seiner Kurse, so Glöckner. Man wisse vorher nur nicht welche erfolgreich sind, daher verfolge er eine Plattform-Strategie. Wobei die Breite seine Portfolios zu ganz praktischen Herausforderungen führt: Regelmäßige Updates sind essentiell, um bei Udemy auf den vorderen Plätzen zu einem Thema gefeatured zu werden.

Wirklich disruptive Neuerungen seien allerdings selten, so Glöckner. Ein wirkliches Problem stelle ein Redesign eines Tools dar. Auch wenn sich in Sachen Funktionalität wenig getan haben sollte – ein Kurs sehe dann auf den ersten Blick veraltet aus. Der Aufwand für Updates, die Glöckner auf seine wichtigsten Kurse beschränkt, ist auf jeden Fall so immens, dass er im Jahr 2023 damit so ausgelastet war, dass kein neuer Kurs von ihm bei Udemy live ging.

Glöckner hat Udemy durchgespielt

Wobei fraglich ist, ob er sich künftig nicht ohnehin auf das Housekeeping des Portfolios beschränkt. Er habe eine Art gläserne Decke von Udemy erreicht, so Glöckner. Mittlerweile wisse er sehr genau, was sich die Nutzer*innen wünschen und wie man seine Kurse anteasern muss. Er kenne die Kniffe, wie man eine Bewertung von einer 4,6 auf eine 4,8 schraubt – was für den Verkauf einen riesigen Unterschied mache. Zwar stünden nicht alle seine Kurse auf den vordersten Plätzen, aber doch viele. 

Vier von 96: die populärsten Kurse von Glöckner bei Udemy

Glöckner will nicht sagen, er hätte Udemy durchgespielt. Er weiß inzwischen allerdings, was auf der Plattform alles nicht funktioniert: Cross-Selling zum Beispiel. Er hat diverse top bewerte Kurse im Portfolio, das heißt jedoch nicht, dass er eine Stammkundschaft entwickeln konnte. Udemy funktioniert anders, es gibt keine Möglichkeit, über die eigene Reputation das Portfolio aktiv zu vermarkten. Oder, wie Glöckner es selbst formuliert: "Ich bin hier ein Star, es bringt mir aber sonst nicht viel."

1000 Experimente und eine Erkenntnis

Auf die Frage, ob er mal überlegt habe, seine Anstellung zu kündigen und all-in zu gehen, antwortet er: Es wäre "total bescheuert", einen Job mit Expertengehalt hinzuschmeißen und einer Plattform hinterherzurennen. Vor einiger Zeit etwa habe Udemy die Provisionen für Dozent*innen spürbar gekürzt. Und sobald die Plattform einen seiner Kurse von der Startseite nimmt, würde der Umsatz um 70 Prozent einbrechen.

Das mit dem Star ist durchaus wörtlich zu nehmen. Glöckner hat mehrere Branchen-Preise gewonnen und immer wieder wird er bei Streifzügen über Marketing-Konferenzen erkannt. Was ihm bislang jedoch fehlt, ist ein Weg, seine Kurse aus eigener Kraft zu verkaufen. Er hat vieles probiert – mehr aus Spaß am Ausprobieren als aus monetärem Kalkül. Aber weder der Blog, noch sein Marketing-Podcast, die YouTube-Videos, noch sein SEO-Experiment hatten wirklich durchschlagenden Erfolg. Auch Google Adsense entpuppte sich – aufgrund der hohen Kosten für Keywords in seinem Feld – bestenfalls als Nullsummenspiel, sagt er. Auch der Verkauf seiner Kurse auf USB-Sticks für einen niedrigen dreistelligen Betrag blieb Spielerei. Am Ende verkaufte er zehn Stück.

Der Aufbau seiner Personal Brand

Darum ist Glöckner an einem Punkt angekommen, an dem mancher seiner Mitbewerber*innen startet: dem Aufbau einer Personal Brand. Den Anstoß dafür brachte unter anderem ein neuer Kurs, an dem er arbeitet: Es geht um Excel und ChatGPT. Diesen Kurs wolle er nicht unter Preis verkaufen. Das gilt auch für seine Udemy-Masterclass, in der er anderen seine Strategien auf der Plattform erklärt. Beide wird es exklusiv auf seiner eigenen Website geben, die er dafür gerade aufhübscht und demnächst auch mit Marketing pushen will. "Klar, ich widerspreche mir selbst", sagt Glöckner. Doch am Ende ist es eben ein Hobby. Und ein Hobby soll Spaß machen.

Gefragt, wie viel er mit seinen Kursen bislang verdient hat, reagiert Glöckner zögerlich. Ganz sicher nicht die Summe aus bisherigen Teilnehmer*innen multipliziert mit der Kursgebühr. Überhaupt seien die Einnahmen in dem Geschäft sehr volatil, sagt Glöckner. Sein Einkommen aus dem Verkauf seiner Online-Kurse sei sechsstellig, gibt er an einer Stelle selbst an. Den größten Profit sieht Glöckner jedoch ohnehin nicht in den Einnahmen selbst, sondern in der Erfahrung, sich Skills aneignen und das zu Geld machen zu können. Was ihm zehn Jahre im Online-Kurs-Business also selbst beigebracht haben? Vertrauen in die eigene "Selbstwirksamkeit", sagt Glöckner. "Das Gefühl, das Leben selbst steuern zu können."

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Christian Cohrs
Autor*In
Christian Cohrs

Editor & Content Strategist bei OMR und Host des FUTURE MOVES-Podcasts. Zuvor war er Redaktionsleiter des Wirtschaftsmagazins Business Punk in Berlin, Co-Autor des Sachbuchs "Generation Selfie".

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