Wie der deutsche Werber Adrian Bianco mit Sabukaru gerade das Highsnobiety für Japan baut
Japanische Subkulturen sind Adrian Biancos Leidenschaft – große Brands wollen jetzt von Sabukaru profitieren
- Vom Jura-Studium in die deutsche Agentur-Szene
- Alles auf eine Karte
- Ein Magazin als Visitenkarte für die Agentur
- Sabukaru: Wachstum ohne Kommerzialisierung
- Ja zu Instagram, nein zu Titkok
- Werber, Verleger, Nerd
Er schien auf dem besten Weg, eine große Nummer in Deutschlands Werbebranche zu werden, zuletzt leitete er ein achtköpfiges Team bei der Vice-Agentur Virtue. Trotzdem setzt Adrian Bianco vor drei Jahren alles auf eine Karte, kündigt Job sowie Wohnung und zieht nach Japan. Die auf drei Quadratmetern in Tokio gegründete Agentur Bianco Bianco entwickelt sich heute zur Anlaufstelle für westliche Brands, die in Japan Fuß fassen wollen. Und mit Sabukaru baut er einen Publisher für Fashion, Kunst, Mangas und verschiedenste Subkulturen. OMR hat mit dem Macher von „Japans Highsnobiety“ gesprochen.
„Mir ist wichtig, dass es nicht heißt, ich wüsste alles über Japan und will jetzt zeigen, wie es geht“, sagt Adrian Bianco. „Ich bin nur der Kurator. Japan-Experte? Bloß nicht.“ Trotzdem klopfen gerade globale Brands beim 35-Jährigen an, die genau das von ihm erwarten. Adidas, Nike, BMW, Ikea – alle wollen entweder den japanischen Markt für sich erschließen oder ihre Position stärken. Und in beiden Fällen führt dieser Weg offenbar über Adrian Bianco.
Er sei schon immer ein Fan von Japan und seinen zahlreichen, ganz eigenen Subkulturen gewesen. Die eine große Leidenschaft war es aber nie. „Ich war nie ein richtiger Nerd. Trotzdem hat mir irgendetwas immer gesagt, dass ich da mal hin muss“, erzählt Adrian Bianco.
Vom Jura-Studium in die deutsche Agentur-Szene
Bis es soweit war, geht er aber noch den für einen Kreativen fast schon typischen Weg. Bianco, so etwas wie sein Künstlername, bricht ein Jura-Studium ab und jobbt anschließend unter anderem für einen Sneaker-Store. Instagram wird in Deutschland zu dem Zeitpunkt gerade groß, also baut er einen Kanal für den Store auf. „Das ging soweit, dass ich Stores beraten und Social-Media-Konzepte erstellt habe“, sagt er. „Dadurch habe ich immer mehr Einblicke hinter die Kulissen der Branche erhalten.“
Es folgt ein kurzes Praktikum bei Dojo und der Start bei Virtue, der Agentur von Vice. „Da habe ich dann den Adidas-Account betreut, ein Magazin und Content mit jungen Kreativen gemacht. Schon zu dem Zeitpunkt haben wir Kultur mit Business und Marketing vereint“, erzählt Bianco. Er baut außerdem den Snapchat Discover Channel von Vice auf. Mit dem ersten richtigen Gehalt fliegt er nach Japan und merkt sofort, dass er da hinziehen muss. Bei den nächsten 16 Aufenthalten dreht sich trotzdem noch alles um Jobs: Video-Shootings für Vice, Marktforschung für eine Agentur aus London im Auftrag für Adidas, Consumer Interviews. „Um herauszufinden, wie der japanische Markt eigentlich tickt“, sagt er.
Alles auf eine Karte
Vor etwa drei Jahren, Adrian Bianco ist da gerade 32 Jahre alt, macht es dann Klick. „Das war ein Jetzt-Oder-Nie-Moment. Ich habe alles stehen und liegen lassen und bin mit einem Touristen-Visum nach Japan gegangen.“ Um seinen Aufenthaltsstatus zu ändern und ein Business-Management-Visum zu erhalten, gründet er direkt seine Agentur Bianco Bianco. „Auf drei Quadratmetern“, so Bianco. Parallel verpasst er seinem persönlichen Blog, auf dem er bereits einige Jahre parallel über Jugendkulturen, Subkulturen und unter anderem auch Japan geschrieben hatte, einen Relaunch. Der neue Name: Sabukaru, das japanische Pendant für Subkultur.
Während der drei Jahre sind aus den drei Quadratmetern und einer zwischenzeitlich zum Büro umfunktionierten Wohnung 80 Quadratmeter Bürofläche geworden. „Ich habe jetzt sechs Festangestellte und mindestens genauso viele Freelancer. Das ist ein guter Mix aus Amerika, Europa und mittlerweile auch Japan“, sagt Adrian Bianco. Das Team mache inzwischen Consulting für Fashionbrands, berate Marken wie BMW und arbeite viel mit Highsnobiety zusammen. „Zuletzt haben wir Shootings für Ikea und Mini gemacht. Nike und Adidas waren schon da. Also so langsam fängt es an, zu scheppern“, so Bianco.
Ein Magazin als Visitenkarte für die Agentur
Während Bianco Bianco die klassischen Agentur-Aufgaben übernimmt, erscheinen auf Sabukaru.Online losgelöst vom Daily Business Geschichten über japanische Subkulturen. Eine Nagelkünstlerin, ein Cyberpunk-Manga, japanische Gorpcore-Mode, der Einfluss eines japanisch-koreanischen Rap-Tracks, ein über 30 Jahre altes Rollenspiel von Nintendo – alles wird auf dem Blog besprochen. „Es ist die kulturelle Tiefe, die Japan so besonders macht“, sagt Adrian Bianco. „Wenn Leute hier Hobbys haben, ist das um ein vielfaches intensiver, als anderswo.“
Den Großteil der Artikel und Inhalte schreiben zwei Halbjapaner aus Biancos Team; meistens auf Englisch, hin und wieder zusätzlich auch auf Japanisch. „Man muss sagen, dass die Englisch-Kenntnisse in Japan sehr schlecht sind“, erklärt Adrian Bianco. Sabukaru setze auch deshalb auf viele große visuelle Elemente. Und trotzdem erscheinen auf dem Blog immer wieder fast schon überlange Interviews, das Gegenteil vom visuellen Ansatz. „Ich weiß, wie es um die Aufmerksamkeit heutzutage steht, aber das ist mir egal“, sagt Bianco.
Der japanische Designer Verdy mit US-Künstler Kid Cudi.Diese Überzeugung, das tiefe Eintauchen in Subkulturen auch in die Länge von Texten zu übertragen, sorge für eine gewisse Glaubwürdigkeit – und für Möglichkeiten, mit denen der Gründer nicht gerechnet hätte. Im September erscheint auf Sabukaru ein langes Interview mit Verdy, dem aktuell vielleicht bekanntesten und angesagtesten Designer Japans. „Der macht die ganz großen Collabos und ist mittlerweile vielleicht der wichtigste Name in Japan“, schwärmt Adrian Bianco. „Er liebt Sabukaru und hat uns eingeladen. Der Link zum Interview war lange in seiner Instagram Bio. Das war schon ein Ritterschlag.“
Sabukaru: Wachstum ohne Kommerzialisierung
Seitdem folgten Sabukaru immer mehr große Künstler*innen, alle seien Adrian Bianco und seinem Team sehr freundlich gestimmt. „Wir haben es echt geschafft, Teil der Szene in Tokio zu werden“, sagt der Werber. „Ich glaube, die merken, dass wir viel Leidenschaft reinstecken und mit den Inhalten nicht direkt Geld verdienen wollen.“ Diese Bekanntheit und Akzeptanz in verschiedensten Subkulturen weckt gleichzeitig auch das Begehren von Brands, im Sabukaru-Umfeld stattzufinden. „Ich habe bei Vice und für andere Magazine gearbeitet und gesehen, was passiert, wenn man ein Magazin zu schnell oder überhaupt monetarisiert“, sagt Bianco. Wenn Geld das Ziel eines Magazins sei, könne der Content nie „erste Liga“ sein.
Deshalb befinde sich Sabukaru, für Bianco so etwas wie die Online-Visitenkarte seiner Agentur, aktuell in einer spannenden Phase: Man wolle weiter wachsen, müsse aber die Kommerzialisierung bremsen. „Wir sagen eine Menge Advertorial-Anfragen ab. Wir sind auf Culture aufgebaut und dürfen uns einfach nicht verkaufen“, sagt er. „Ich glaube, wir haben es geschafft, mit der Kombination aus Agentur und Magazin ein Anknüpfungspunkt zu sein. Was aber auch klar ist: Wir sind immer noch ein Startup.“
Ja zu Instagram, nein zu Titkok
Das zeigt sich auch in den Reichweiten, die Sabukaru generiert. Knapp 160.000 Menschen folgen dem Account des Magazins auf Instagram, Adrian Bianco kommt mit seinem persönlichen Profil auf rund 32.000 Follower. Das Analyse-Tool Similarweb weist für Sabukaru.Online etwa 180.000 Visits im vergangenen November aus. „Instagram und Website sind schon am wichtigsten“, sagt Adrian Bianco. Auf Instagram erreiche die Medienmarke pro Monat bis zu zwei Millionen einzelne Accounts, ein relevanter Teil des Traffics generiere die Seite über Google.
Auf Tiktok ist Sabukaru nach einer Testphase hingegen nicht mehr aktiv. „Ich verstehe, wie die Plattform funktioniert und weiß, was man machen müsste“, so Bianco. „Wir haben uns trotzdem entschieden, dass das nicht zu uns passt.“ Insgesamt sei der gesamte Social-Media-Bereich in Japan noch nicht so weit, wie in Europa oder den USA. „In Sachen Professionalität und Kommerzialisierung hängen wir hinterher. Instagram ist trotzdem eines der wichtigsten Tools“, sagt Adrian Bianco. Print hingegen hat in Japan einen noch deutlich größeren Stellenwert. Das will Bianco nutzen – und irgendwann auch eine Sabukaru-Printausgabe produzieren.
Werber, Verleger, Nerd
Bis es soweit ist, setzt der Werber aber weiter auf die Anziehungskraft seiner Plattform. Der Publisher probiert sich an kleineren Events wie Ausstellungen oder Club Nights aus, um das Standing in der Szene zu stärken. Für Januar und Juni plant Sabukaru einen Showroom in Paris, Bianco wolle langsam einen kulturellen Event rund um die Fashion Week aufbauen. Nach und nach würden sich neben westlichen Brands auch immer mehr Marken aus Japan melden. Und vor drei Monaten hat das Team einen chinesischen Ableger von Sabukaru gelauncht. „Für viele europäische Brands ist das einfach nur ein Absatzmarkt, dabei sind auch da viele Leute mit Hobbys und viel Kultur“, erklärt Adrian Bianco den Schritt.
Trotz der steigenden Nachfrage, Aufträgen globaler Brands und Rückenwind aus der japanische Szene scheinen die Kombination aus Bianco Bianco und Sabukaru.Online alles andere als ein Selbstläufer zu sein. Der Auswanderer Adrian Bianco erstelle bis heute jeden Post für Instagram selber. Und wenn in Japan eigentlich der Feierabend beginnt, geht es für ihn häufig weiter mit Calls mit europäischen oder amerikanischen Kunden und Partnern. „Der zehn bis zwölf Stunden lange Tag wird in den kommen zwei Jahren recht sicher die Realität bleiben. Aber ich hatte noch nie in meinem Leben so viel Spaß, zur Arbeit zu gehen.“