Informed setzt bei seiner Journalismus-App auf den Barack-Obama-Effekt

Florian Rinke10.11.2022

Das Startup baut eine News-Plattform auf und konnte dafür Top-Medienmarken gewinnen

Martin Kaelble, Benjamin Mateev und Axel Bard Bringéus (von links) haben Informed gegründet. Foto: Informed
Martin Kaelble, Benjamin Mateev und Axel Bard Bringéus (von links) haben Informed gegründet. Foto: Informed
Inhalt
  1. Viele haben sich am „Spotify für Journalismus“ versucht – und sind gescheitert
  2. Was Informed anders macht als andere Startups
  3. Sechs Millionen Euro Wagniskapital von 468 Capital und Co.
  4. Informed setzt auf Influencer-Strategie

An einer Plattform für journalistische Inhalte haben sich schon viele Startups versucht. Wirklich erfolgreich war keins von ihnen. Ein Berliner Trio wagt nun mit der App Informed einen weiteren Versuch – und konnte mit New York Times, Economist und Co. immerhin eine Reihe starker Partner gewinnen. Ein „Spotify für Journalismus“, wie sich viele Vorgänger bezeichneten, will man dennoch nicht sein. Und dafür gibt es gute Gründe.

Natürlich hat Martin Kaelble mit der Frage gerechnet. Sie liegt auch irgendwie nahe, wenn man eine App baut, bei der Nutzer*innen Zugriff auf eine große Zahl verschiedener Medien bekommen. Dennoch betont der Gründer schnell: Nein, Informed ist kein Spotify für Journalismus. Nein, das Modell funktioniert ganz anders. Nein, Informed ist auch kein Netflix für Journalismus oder ein Urban Sports Club für News. Martin Kaelble sagt: „Unser Ziel ist im Grunde, eine eigene Kategorie zu prägen“. Doch als der erste Artikel zum Start der neuen App online geht, sind all seine Pläne vorerst Makulatur: „Spotify für Journalismus: News-App Informed geht an den Start“ titelt T3N.

Es gibt einen Satz, der beschreibt die Situation von Martin Kaelble und seinen beiden Mitgründern Benjamin Mateev und Axel Bard Bringéus besser: Mut ist, den Möglichkeiten mehr Glauben zu schenken als dem Erlebten. Im Fall von Informed bedeutet das: Obwohl schon zig Modelle gescheitert sind, eine medienübergreifende Plattform für Journalismus aufzubauen, wagt das Berliner Startup es trotzdem. 2021 haben die drei Informed gegründet. Über die App können Nutzer*innen Artikel verschiedener Medienmarken lesen ohne an deren Paywalls jeweils ein Abo abschließen zu müssen. Informed kuratiert stattdessen Inhalte von New York Times, Wall Street Journal und Co. und stellt sie seinen Nutzer*innen per App für 7,99 Euro im Monat zur Verfügung. Ein Abo für alles – also eigentlich so wie Spotify. Aber eben nur fast.

Viele haben sich am „Spotify für Journalismus“ versucht – und sind gescheitert

Während einige schon darüber spekulieren, ob Twitter vielleicht demnächst dank bezahlter blauer Verifzierungshäckchen zum „Spotify für Journalismus“ wird, sind Martin Kaelble und seine Mitgründer eher skeptisch, dass es irgendwann mal eine Plattform für alle Medieninhalte geben wird. Denn natürlich haben auch sie die zahlreichen Versuche gesehen, die in den vergangenen Jahren alle mehr oder weniger gescheitert sind. Blendle aus den Niederlanden lockte mit großem Angebot und Cent-Beträgen pro einzelnem Artikel – und sorgte in vielen Redaktionen für lange Gesichter, weil teilweise nur einstellige Euro-Beträge bei ihnen ankamen. Readly aus Schweden wirbt mit unbegrenztem Zugang zu mehr als 6000 Magazinen und Zeitschriften – hat aber zehn Jahre nach dem Start trotz Verfügbarkeit in rund 50 Ländern zuletzt nur knapp 450.000 Abonnent*innen und macht weiter Verluste. Und selbst Apple News+ konnte sich weltweit noch nicht durchsetzen.

Bislang hat kein Unternehmen eine Möglichkeit gefunden, ein Plattform-Modell zu etablieren, wie man es von Filmen (Netflix), Musik (Spotify) oder sogar Fitnessstudios (Urban Sports Club) kennt. Dennoch setzen sich Gründer*innen immer wieder mit der Frage auseinander, wie man Bezahlinhalte im Journalismus weiterentwickeln kann. Das Startup Snaque will durch die Einbindung von Werbung Bezahlschranken durchlässiger machen (hier stellen wir Snaque vor). Das 2021 in Karlsruhe gegründete Articlett hingegen arbeitet an einem anderen Ansatz: Das Startup bietet eine Art Mobilfunkvertrag-Lösung an, bei der man perspektivisch bestimmte „Datenpakete“ buchen können soll – nur dass es statt Freiminuten eine bestimmte Anzahl an Wörtern gibt, die man monatlich lesen kann. Das Startup bekommt inzwischen Fördergelder von der Bundesregierung, doch die wirklich großen Medienmarken sucht man auf dem Portal vergeblich.

Was Informed anders macht als andere Startups

Informed soll in zentralen Punkten anders funktionieren als beispielsweise Spotify. Denn aus Sicht der Gründer ist das Nachrichtengeschäft nicht mit dem Musik-Business vergleichbar. Bei Spotify gebe es sehr viel Evergreen-Content, sagt Martin Kaelble. Die Songs der Beatles, Rolling Stones oder von Madonna werden auch heute noch gehört und sind vergleichsweise zeitlos. Auch deswegen pumpen Investoren inzwischen Millionen in den Markt, um alte Musikrechte zu kaufen (Details dazu gibt es auch hier in unserer Keynote „State of the German Internet 2022“). Dieses extrem stark genutzte Inventar gibt es im Nachrichtenbereich logischerweise nicht. Zwar gibt es in Medienhäusern auch Archive. Doch deren Inhalte interessieren weitaus weniger Menschen als die täglich neu veröffentlichten Artikel. Frei nach dem Motto: Nichts ist älter als die Zeitung von gestern.

Auch beim Angebot unterscheidet sich das Konzept von Informed laut Martin Kaelble. „Spotify bietet den gesamten Musikkatalog von Plattenfirmen an, wir tun das nicht“, sagt der Journalist, der früher unter anderem für das Wirtschaftsmagazin Capital gearbeitet hat. Informed hat stattdessen immer nur eine Auswahl von Artikeln der jeweiligen Medienmarken. Wer das Komplettangebot möchte, muss weiterhin beim jeweiligen Medium Abonnent*in werden. „Wir sind im Zweifel eher ein Funnel für Publisher“, sagt Kaelble.

Sechs Millionen Euro Wagniskapital von 468 Capital und Co.

Das ist auch ein Grund, warum bislang nur englischsprachige Medien auf der Plattform zu finden sind. Denn einerseits kann Informed damit einen größeren Markt adressieren, als dies mit deutschsprachigen Inhalten möglich wäre. Andererseits haben Marken wie die New York Times oder auch die Financial Times bereits vor mehr als zehn Jahren eine Bezahlschranke eingeführt. Heute wachsen sie bei den Abonnenten-Zahlen in ihren Kernmärkten längst nicht mehr so stark wie in der Vergangenheit. Für Medienmarken wie die New York Times ist es daher attraktiver, beim internationalen Wachstum in Europa (wo Informed startet) auf weitere Vertriebskanäle für die eigenen Inhalte zu setzen, als für etliche deutsche Medien, die noch dabei sind, ihre Leser*innen an die Bezahlschranken zu gewöhnen.

Investoren glauben jedenfalls an die Idee – und an das Gründerteam. Neben Journalist Kaelble wird das mit Benjamin Mateev und Axel Bard Bringéus auch noch von einem Ex-Microsoft- bzw. Spotify-Manager gebildet. Rund sechs Millionen Euro haben die Risikokapitalgeber 468 Capital und HV Capital sowie Business-Angels in das Startup investiert. Dazu gehört unter anderem auch der Mitgründer der Reiseerlebnis-Plattform Getyourguide, Tao Tao. „Wir haben genug Kapital, um mit unserem Produkt an den Start zu gehen und in Ruhe daran weiterzuarbeiten“, sagt Informed-CEO Benjamin Mateev. Das Team arbeitet in der Entwicklung viel mit A/B-Tests und hat bereits in den vergangenen Monaten immer wieder Dinge angepasst. Anfangs experimentierten die Gründer beispielsweise mit kurzen Zusammenfassungen der Artikel. Das habe man aber auf ein Minimum reduziert, sagt Martin Kaelble. Man sähe sich als Plattform und nicht als Produzent.

Informed setzt auf Influencer-Strategie

Möglichst viel soll bei Informed automatisiert laufen. In einigen Bereichen setzt man aber ganz bewusst auf Menschen. Innerhalb der App werden immer wieder Artikel von Expert*innen empfohlen. Da teilt dann HV-Capital-Partner Jan Miczaika einen Artikel über Venture Capital mit den Leser*innen. Oder der frühere Herausgeber der Financial Times, Lionel Barber, kuratiert mehrere Artikel, in denen die Russland-Politik Deutschlands und die daraus entstandenen Probleme beleuchtet werden. „Wir haben uns da ein bisschen von der Bücherliste von Barack Obama inspirieren lassen“, beschreibt Martin Kaelble die Influencer*innen-Strategie innerhalb der Informed-App. Der frühere US-Präsident veröffentlicht seit Jahren Bücherlisten mit Lese-Empfehlungen, die medial viel beachtet werden.

Mit diesem Angebot zielt Informed zunächst auf eine eher spitze Zielgruppe. Doch Martin Kaelble sagt: „Wie viele andere Startups auch, haben wir eine klare Strategie, um aus der Nische herauszuwachsen“. Denn langfristig setzen die Macher darauf, dass noch mehr Menschen für journalistische Inhalte im Netz bezahlen. Dies tut momentan nur eine Minderheit. „Es wären aber viel mehr Leute dazu bereit – und dieses Potenzial wollen wir heben“, sagt Martin Kaelble.

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Florian Rinke
Autor*In
Florian Rinke

Florian Rinke ist Host des Podcast "OMR Rabbit Hole" und verantwortet in der OMR-Redaktion den "OMR Podcast". Vor seinem Wechsel Anfang 2022 zu OMR berichtete er mehr als sieben Jahre lang für die Rheinische Post über Start-ups und Digitalpolitik und baute die Rubrik „RP-Gründerzeit“ auf. 2020 erschien sein Buch „Silicon Rheinland".

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