Dieser 22-Jährige erklärt, wie man virale Beats für Tiktok baut und so Millionen erreicht

Torben Lux16.10.2020

Ricky Desktop veröffentlicht seit April Beats auf Tiktok, jetzt hat er monatlich 1,5 Millionen Zuhörende auf Spotify

Ricky Desktop Virale Tiktok Beats
Inhalt
  1. Tiktok dank Gary Vee
  2. Die Geheimformel für viralen Erfolg auf Tiktok?
  3. Schlechte Soundqualität als Erfolgsrezept?
  4. Wie verdient ein Beat-Produzent auf Tiktok Geld?
  5. Die Musikindustrie und Tiktok

Seine großen Hits sind „The Chicken Wing Beat“, „The Dice Beat“, „The Boar Beat“ und „The Banjo Beat“. Keiner dieser kurzen Songs hat es in die Charts geschafft, trotzdem ist der Macher, der sich Ricky Desktop nennt, ein kleiner Star. Denn die Beats des 22-Jährigen wurden in über 20 Millionen Tiktok-Videos genutzt und er hat bis heute Millionen Plays auf Spotify. OMR stellt Tiktoks Beat-König und seine Viral-Geheimnisse vor.

Seit er 14 Jahre alt ist spielt er verschiedene Musikinstrumente und hat sich an unterschiedlichsten Dingen ausprobiert. Kurze Raps über Plattformen wie Linkedin und Wikipedia zum Beispiel, wie er im Gespräch mit The Verge erzählt. Klingt absurd – und war laut Ricky Desktop dann auch komplett erfolglos. 

Seit Anfang des Jahres nennt sich der 22-Jährige erst so, seit der zehnten Klasse hätte er verschiedene Namen aufgeschrieben und sich schließlich für diesen entschieden. Dass er im April dieses Jahres damit anfängt, kurze, für Tiktok optimierte Beats zu produzieren, habe er Gary Vaynerchuk zu verdanken. Der „Online-Marketing-Guru“, der zuletzt 2017 auf einer OMR-Bühne stand, hätte in einem Video mal sinngemäß gesagt: Wenn man als Musiker nicht auf Tiktok unterwegs ist, mache man etwas falsch. 

Tiktok dank Gary Vee

Und das hat sich Ricky Desktop dann auch zu Herzen genommen. 20 Beats habe er in diesem Jahr bereits speziell für die Plattform Tiktok produziert, eine Handvoll soll es zu viralen Hits gebracht haben. Der erste gelang ihm April dieses Jahres mit „The Sharkboy Beat“. „Das war, als die erste Quarantäne losging“, erinnert sich Ricky Desktop. Der Beat bedient sich bei einem Kinderlied aus dem Film „The Adventures of Sharkboy and Lavagirl“ von 2005, in dem Taylor Lautner, der einige Jahre später seinen Durchbruch mit der Twilight-Reihe haben sollte, Sharkboy spielte.

Hier macht sich Ricky Desktop neben der Produktion recht simpler, eingängiger Beats mit vorhersehbaren Drops noch ein weiteres Reichweiten-Phänomen zu Nutze: Nostalgie. Content, zum Beispiel Film-Melodien aus der Kindheit, werden von heute Erwachsenen offenbar gerne geteilt. Auf diesem Prinzip baut unter anderem auch die Millionenreichweite und das Geschäftsmodell des Social Publishers wisstihrnoch.de auf. Kinder, die damals die Abenteuer von Sharkboy und Lavagirl gemocht haben, dürften heute im sehr guten Tiktok-Alter sein – und sich freuen, eine „coole, moderne“ Version des Kinderliedes zuhören. 

Was sind die Zutaten für einen Beat, damit er auf Tiktok oft genutzt wird oder sogar viral geht? Ricky Desktop sagt, er habe da eine ganz klare Herangehensweise. Es käme vor allem auf Soundelemente an, die in Tänzen visualisiert werden können. „Wenn man versucht, einen viralen Beat zu produzieren, dann muss es zu einem viralen Tanz passen“, so der Produzent gegenüber The Verge

Die Geheimformel für viralen Erfolg auf Tiktok?

Und Ricky wird noch konkreter. Am Beispiel von „The Dice Beat“ betont er, wie kalkuliert seine Beats seien. Der Sound einer Flöte? Klar, dazu werden Tiktok-User so tun, als würden sie eine Flöte spielen. Das Geräusch, wenn Würfel geschüttelt werden und anschließend auf dem Tisch landen? Na klar, auch das ist einfach nachzumachen. Er würde die Beats immer mit einem passenden Tanz im Hinterkopf produzieren. Ein weiteres Soundelement, das er intensiv nutzt, sei ein dreifacher Bass-Drop („triple woah“). Schon zum einfachen Woah-Sound habe sich auf Tiktok eine beliebte Tanzbewegung etabliert. Ricky Desktop hätte den Sound lediglich verdreifacht. „Super kalkuliert, so dass Tänzer drei statt nur einer Bewegung machen“, wie er verrät. 

Ricky Desktop Tiktok The Dice Beat

In 1,6 Millionen Tiktok-Videos wurde „The Dice Beat Pt. 1“ von Ricky Desktop genutzt.

Insgesamt wolle es Ricky Desktop Tiktok-Usern so einfach wie möglich machen, zu seinen Beats zu tanzen. Ein weiteres Soundelement sei dabei das Geräusch eines Wassertropfens, das der Produzent einfügt, bevor der Bass einsetzt. Ob er das nun wirklich, wie er behauptet, erfunden und groß gemacht hat, sei mal dahingestellt. Was aber feststeht: Er hat auf jeden Fall verstanden, solche Elemente clever und gezielt in seinen eingängigen Beats einzusetzen. 

Schlechte Soundqualität als Erfolgsrezept?

Beim Abspielen der meisten von Ricky Desktop auf Tiktok veröffentlichten Beats dürfte eines recht schnell auffallen: Der Bass übersteuert, wirkt teilweise nicht professionell produziert. Aber auch das, so der Produzent, sei ganz bewusst so. Der Bass habe eine sehr hohe Frequenz, damit er auch auf Smartphones richtig zur Geltung komme. Schließlich würde ein Großteil der User Tiktok auf Handys nutzen. 

Ricky Desktop habe nie reichweitenstarke Influencer dafür bezahlt, seine Beats zu nutzen oder seine Videos zu teilen. Er will lediglich beim Posten neuer Produktionen gefragt haben, wer ihm jetzt dabei helfen kann, den Beat viral zu bekommen. Ob das wirklich schon reicht, Millionen von Views zu bekommen? Zumindest seien solche und andere Aufforderungen, also Calls to Action, laut Ricky sehr hilfreich: „Das ist wichtig, weil es den User was zu tun gibt.“ Die Viralität selber sei für ihn aber nicht das Entscheidende; am Ende käme es darauf an, wie häufig über einen längeren Zeitraum seine Produktionen für Videos genutzt würden. 

Wie verdient ein Beat-Produzent auf Tiktok Geld?

Und diese Nutzung hat immerhin auch dazu geführt, dass Ricky Desktop nach nur wenigen Monaten auf über 1,5 Millionen Monthly Listeners auf Spotify kommt. Die Zahlen, die Spotify an Künstler und Rechteinhaber pro Stream auszahlt, können variieren und sind unter anderem von Faktoren wie dem Land, in dem gestreamt wurde und den dort erzielten Werbeeinnahmen abhängig. Der Beat-Produzent dürfte monatlich so aktuell etwa 3.000 bis 3.500 Euro über Spotify generieren. Weitere Einnahmequellen seien Käufe auf Plattformen wie iTunes – und Produktionen für Marken und Rapper. Welche das waren oder sind, nennt er allerdings nicht. 

Gleichzeitig versucht Ricky Desktop, seinen Erfolg auf Tiktok auch auf andere Plattformen zu übertragen und eine Personal Brand aufzubauen – was allerdings noch einigermaßen schleppend läuft. Sein Instagram-Account hat noch keine 9.000 Abos, der Mitte April 2020 gestartete Youtube-Account bringt es aktuell immerhin auf fast 37.000 Subscriber. Der Schritt, schon jetzt auf einem Shopify-Shop eigenes Merchandising anzubieten, wirkt etwas voreilig.

Die Musikindustrie und Tiktok

Konzentrieren sollte er sich vermutlich auf die von ihm angedeuteten Auftragsproduktionen für Künstler. Seit Monaten zeigt sich immer klarer, wie groß das Potenzial von Tiktok für die Musikindustrie ist. Seit dem ersten globalen „Tiktok-Hit“, „Old Town Road“ vom Rapper Lil Nas X wurde dank Memes auf Tiktok ein Welterfolg, versuchen Künstler immer häufiger, gezielt die Community auf Tiktok anzusprechen und so von den enormen Reichweitenpotenzialen zu profitieren. 

Im April hatte es die Schweizer Rapperin Loredana mit dem Song „Du bist mein“ dank einer cleveren Tiktok-Strategie – sie veröffentlichte unter anderem vorab Hörproben auf der Plattform – direkt auf Platz 1 der Deutschen Singlecharts geschafft. Lucas Teuchner, der gemeinsam mit Rapper Bausa Loredanas Management Twosides leitet, hatte zuletzt im OMR Podcast bestätigt, wie relevant Tiktok schon jetzt für sein Künstler-Portfolio sei. Und Warner Music hatte erst im August dieses Jahres für 85 Millionen US-Dollar die Meme-Account-Firma „IMGN Media“ übernommen. Ziemlich gute Vorzeichen also für die künftige Auftragslage eines Tiktok-Beat-Creators mit dem Track Record eines Ricky Desktop.

Musik-MarketingTikTok
Torben Lux
Autor*In
Torben Lux

Torben ist seit Juni 2014 Redakteur bei OMR. Er schreibt Artikel und Newsletter, plant das Bühnenprogramm des OMR Festivals, arbeitet an der "State of the German Internet"-Keynote, betreut den OMR Podcast und vieles mehr.

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