Prohibited: Wie die Klamotten-Marke dank Tiktok-First-Ansatz einen achtstelligen Umsatz anpeilt
Die Berliner Brand wächst vor allem dank Tiktok. Uns haben die Gründer erzählt, warum die Reichweite des eigenen Accounts gar nicht so entscheidend ist
Viele Marken fragen sich immer noch, wie sie auf Tiktok so agieren können, dass Bekanntheit und im besten Falle auch Umsätze steigen, die über die Plattform generiert werden. Selbst Reichweite aufbauen? Creator engagieren? Ads schalten? Die Berliner Klamotten-Marke Prohibited hat seine Brand zu großen Teilen über Tiktok aufgebaut und hat Antworten auf diese Fragen.
"Wir haben schon mit etwa 500 Creatorn auf Tiktok gearbeitet – ohne großes Budget", erklärt Prohibited-Gründer Patrick Reimann gegenüber OMR. "Wir gehen da ein wenig mit der Gießkannen-Strategie vor: Wir testen viele Creator aus, schicken ihnen unsere Sachen, lassen sie machen. Der Content muss am Ende vom Look her einfach passen." Reimann gründet das Berliner Streetwear-Label 2021 mit seinem besten Kumpel Philip Krause.
Gemeinsam machen sie ihre Marke vor allem auf Tiktok bekannt und machen jetzt schon Millionenumsätze. "Wir haben unseren Umsatz 2023 im Vergleich zum Vorjahr verfünffacht und werden ihn dieses Jahr nochmals mehr als verdoppeln", so Krause. Wir werden dieses Jahr dann einen mittleren siebenstelligen Betrag umsetzen. Im nächsten Jahr wird das achtstellig." Das Unternehmen sei bis heute bootstrapped. Die Gründer arbeiten mit dem erwirtschafteten Geld und Bankdarlehen.
Von Shell und der Deutschen Bank zum Streetwear-Label
Dabei sind die beiden Gründer klassische Quereinsteiger. "Wir haben uns bei einem dualen Studium kennengelernt. Ich war bei Shell, Patrick bei der Deutschen Bank. Wir sind dann 2018 nebenbei mit einem Shop bei Amazon gestartet und haben Blut geleckt", erzählt Philip Krause. "Während Corona losging haben wir dann unsere Firma gegründet und erstmal Auftragsarbeiten als E-Commerce-Dienstleister gemacht, um in die Fashion-Branche zu kommen." Damit hätten sich dem Banker und dem Tankstellen-Manager überhaupt erst Türen geöffnet, beide lernen zu der Zeit viel über das Modegeschäft. "Im November 2021 sind wir mit Prohibited an den Start gegangen. Mit einfachen Basics, weißen und schwarzen Shirts, Hoodies. Wir haben schnell gemerkt, dass da viel Musik dahinter ist", so Krause.
Die Basics-Strategie hat dabei einen kleinen Haken. Wie kann sich eine junge Marke durchsetzen, wenn sie auf den Klamotten kaum erkennbar ist? Schließlich weist nur ein kleines Schild an der Seite der Shirts und Hoodies auf Prohibited hin. "Gerade weil wir nur Basics gemacht haben, waren Qualität und Passform entscheidend für den Erfolg zum Start. Als wir gemerkt haben, dass wir uns mit einem weißen T-Shirt am Markt etablieren können, wussten wir, dass das klappen kann mit der Marke", sagt Patrick Reimann. Er kümmert sich um das Design der Klamotten, Marketing, den Direktverkauf über die eigene Webseite. Philip ist der Mann für den Handel und die Finanzen.
Wachstum durch Tiktok first
Qualität und Passform okay, aber dafür müssen potenzielle Kund*innen erstmal auf die Produkte aufmerksam gemacht werden. "Wir sind so richtig ins Marketing direkt mit Tiktok gestartet vor zwei Jahren", so Reimann. "Instagram war schon saturiert und wir haben auf Tiktok sehr schnell viel Aufmerksamkeit generiert. Das lief vor allem über Creator und Paid Ads." Das Prohibited-Team habe vor allem mit sogenannten Spark Ads Erfolg gehabt.
Mit diesem Format können Unternehmen organische Posts des eigenen Kanals aber auch von anderen Creatorn mit deren Einwilligung mit Budget pushen. Prohibited verschickt – wie zu Beginn des Artikels erwähnt – an viele Tiktok-Creator Klamotten raus, die vom Content-Stil zur Marke passen. Die Posts, die gut funktionieren, werden dann zusätzlich als Ads geschaltet. Das sorge für stabile Abverkäufe über den Kanal. Um die zu messen, nutzt das Prohibited-Team individuelle Rabattcodes. Typische Beitragsarten sind Hauls wie dieser (156.000 Views), Sale-Ankündigungen (108.000 Views) oder Vorstellung einzelner Kleidungsstücke mit einer persönlichen Bewertung von Look und Qualität (109.000 Views). Um die passenden Creator zu identifizieren hat Prohibited ein eigenes Social-Media-Team aufgebaut, dass auch Beiträge für den eigenen Kanal erstellt – später mehr dazu.
Wohin die Tiktok-Strategie von Prohibited führen kann, zeigt das Beispiel des amerikanischen Creators Jon Thrifts. Dem hatte Social-Media-Managerin Annika Lotta Helmers einen Prohibited-Hoodie geschickt, weil dieser immer wieder Content rund um Kaputzen-Pullover gepostet hatte. Mit einer Video-Bewertung des Prohibited-Hoodies startet Thrifts dann sein Format "Hoodie Hunt" mit dem Ziel, seinen perfekten Pullover zu finden. Seine abschließende Bewertung: 8,4 von 10 Punkten. Die Folge: Über Nacht sammelt das Video über eine Million Views. Bis heute sind es 1,8 Millionen. Gleichzeitig landen 250 Bestellungen aus den USA bei Prohibited – trotz 50 US-Dollar Versand.
Der eigene Kanal unterstützt die Tiktok-Ziele
Auch den eigenen Tiktok-Kanal hat das Team aufgebaut und mittlerweile knapp 72.000 Follower. Im Gespräch machen die Prohibited-Gründer aber klar, dass diese Zahl nicht entscheidend ist. Denn die Follower-Zahl hat auf der Plattform wenig Aussagekraft darüber, wie viel Reichweite einzelne Posts verzeichnen. Tatsächlich liegen viele Beiträge von Prohibited eher bei wenigen Hundert Views. Dafür gibt es immer wieder Ausreißer mit mehreren Hunderttausend und auch mal mehreren Millionen Aufrufen.
Eine Strategie funktioniere aber auch auf dem eigenen Kanal stabil. "Wir geben selten Rabatte, sondern veranstalten lieber drei bis vier Mal im Jahr eine Sales-Phase", so Philip Krause. "Das funktioniert richtig krass, wenn Patrick einfach im Selfie-Modus von den nächsten Rabatten erzählt." Den Gründer setzt Prohibited als das Gesicht für den Tiktok-Kanal ein. Diese Personalisierung macht die Marke auf der Plattform nahbarer – nicht unwichtig auf Tiktok. Und auch das Quick-and-Dirty-Prinzip vieler Videos orientiert sich am Look vieler Creator.
Instagram als weiterer Kanal werde ganz anders bespielt: "Instagram ist eher Hochglanz, auf Tiktok erzählen wir Geschichten. Wir machen für jede Plattform exklusiven Content und die Mischung funktioniert dann ganz gut." Trotzdem schalte das Unternehmen auch auf den Meta-Plattformen anzeigen – die zum Teil mit Blick auf Conversions genauso gut funktionieren wie Tiktok-Ads.
Classy Streetwear und Promi-Faktor
Mittlerweile hat sich Prohibited weiterentwickelt und bietet neben den Basics zu jeder Jahreszeit eine neue Kollektion an. Das Design folge einer zentralen Philosophie: "Uns ging die Instagram-Bubble deutscher Streetwear-Brands auf die Nerven. Da muss immer alles ausverkauft sein, um alles gibt’s einen riesen Hype, alle sind so Gangster. Wir wollen zeigen, dass Streetwear auch classy sein kann", sagt Gründer Patrick Reimann. "Unser Look ist ein Mix aus Oversized-Streetwear-Teilen und klassischeren Elementen mit Old-Money-Ästhetik." Dabei sei der Wechsel hin zu Kollektionen unter jeweils einem zentralen Motto ein kräftiger Hebel gewesen: "Die Herbstkollektion 2023 war der Startschuss für unseren jetzigen Style. Wir hatten ein aufwendiges Shooting mit viel Budget und als das Video rauskam, war die Aufmerksamkeit da", so Philip Krause. "Wir haben in zwei November-Wochen dann so viel Umsatz gemacht, wie in den ersten fünf Monaten des Jahres zusammen."
Mode aus der aktuellen Prohibited-Kollektion "Savile Row" (Foto: Annika Yanura)
Gerade vor ein paar Tagen hat Prohibited seine Herbst-Winter-Kollektion unter dem Motto "Savile Row" an den Start gebracht. Die Savile Row ist eine legendäre Londoner Adresse für Herrenschneider. Dementsprechend kommt die aktuelle Kollektion in klassischen Farben, Braun- und Grüntönen daher. Die Sommerkollektion hatte sich um das Thema Italien gedreht.
Durch die Erweiterung über Basics hinaus hat sich Prohibited auch neue Zielgruppen erschlossen – und die Chance erhöht, auch von bekannten Personen entdeckt zu werden. Denn das habe auch bisher schon zum Erfolg beigetragen. "Ein riesiger Hebel für uns waren die Promis, die hier bei uns am Büro in der Münzstraße in Berlin Mitte vorbeilaufen", so Philip Krause. "Wenn wir jemand Bekannten gesehen haben, sind wir raus und haben ihnen ein Shirt geschenkt. Wenn Leute wie Nader El-Jindaoui oder Marteria dann unsere Shirts getragen haben, haben wir das auf unseren Kanälen gezeigt. Das hat super funktioniert." Natürlich zählt das Video über die Jindauis mit Prohibited-Shirts zu den erfolgreichsten Tiktok-Beiträgen des Unternehmens.
DTC ist wichtig – Multichannel wichtiger
Kaufen können Kund*innen die Klamotten im Prohibited-Online-Shop, mittlerweile aber auch bei unterschiedlichen Retailern. "Wir haben mit dem eigenen Online-Shop angefangen, dann kamen zuerst Zalando und About You dazu. Da haben wir gemerkt, was das für ein Wachstumsboost ist", sagt Gründer Krause. "Wir wollen den Kunden die Möglichkeit geben, dort zu kaufen, wo sie kaufen wollen", fügt Patrick Reimann hinzu. In diesem Jahr liege der Anteil des Umsatzes, der über den eigenen Shop generiert wird, noch bei 60 Prozent. Im kommenden Jahr werde das Verhältnis zwischen Direktverkauf und Retail bei 50-50 liegen.
Und dabei setzt Prohibited nicht nur auf Online. "Wir sind besonders in Modehäusern in mittelgroßen Städten stark – zum Beispiel L&T in Osnabrück oder Leffers in Oldenburg. Insgesamt gibt’s Prohibited in 170 Läden in Deutschland", erklärt Philip Krause. Im Oktober steht dann noch der Start bei Asos in Großbritannien an. Das soll nur der Auftakt für eine weitere Internationalisierung der Marke sein.
Und da will Prohibited durchaus etablierte Player angreifen. In UK ist das zum Beispiel Represent. Die Streetwear-Brand hatte sich zuletzt aber immer stärker dem Luxus zugewendet. Die Prohibited-Gründer wollen bei ihrer Preisgestaltung bleiben und sich im oberen Streetwear-Segment platzieren aber deutlich unter Luxus. Shirts kosten um die 40 Euro, Hoodies zwischen 60 und 80. Wenn die Preise steigen sollten, wären Prohibited-Klamotten für die Tiktok-Zielgruppe auch sicherlich nur noch halb so spannend.