PrettyLittleThing: Dank Influencer-Superstars zur Fast-Fashion-Brand mit 600 Mio. Umsatz
Mit cleverer Social- und SEO-Strategie ist das britische Unternehmen zum globalen Fashion-Player geworden
- Günstig die neuesten Trends abgreifen
- Mega-Influencer als Sprungbrett auf der ganzen Welt
- Der direkte Weg von Social auf die Produktseite
- Mit Google Trends erkennen
Trotz vieler Nachhaltigkeitstrends sind Fast-Fashion-Brands während der Pandemie noch einmal explodiert. Shein, Fashion Nova, Nasty Gal – teilweise haben solche Online-Player ihre Umsätze zuletzt verdoppelt. Zumindest in Europa fliegt PrettyLittleThing noch etwas unter dem Radar. Wir zeigen, wie der Shop aus UK weltweit mit Mega-Influencern wächst, mit findigen Social-Ideen Nutzende direkt zu den Produkten führt und Google Trends clever für die Produktentwicklung einsetzt.
PrettyLittleThing (kurz: PLT) ist ein großer Teil einer echten britischen Fast-Fashion-Dynastie. 2012 gründen die Brüder Umar und Adam Kamani den Online-Shop in Manchester – und verkaufen zuerst nur Accessoires. Die beiden sind die Söhne von Mahmud Kamani, der 2006 mit Carol Kane Boohoo gegründet hatte. Auch das ist ein britischer Fast-Fashion-Player. 2017 beteiligt sich Papa Kamani erst am Unternehmen der Söhne, heute gehört PrettyLittleThing komplett zur Boohoo-Gruppe – genau wie Nasty Gal und weitere Marken. Heute macht das Konglomerat einen Jahresumsatz von knapp zwei Milliarden Euro. PrettyLittleThing trägt dazu über 600 Millionen Euro bei, macht fast mehr Umsatz als die Hauptmarke Boohoo.
Günstig die neuesten Trends abgreifen
Den Großteil seiner Millionen macht PrettyLittleThing mit seiner Kernzielgruppe: junge Frauen im Alter von 16 bis 24 Jahren. Und denen will das Unternehmen offenbar ständig etwas neues bieten und nimmt deshalb die Bezeichnung Fast Fashion extrem ernst. Das Team lässt sich von Fashion-Shows und Influencer-Styles inspirieren und baut diese schnellstmöglich nach – die Strategie nutzen auch etablierte Konzerne wie Zara oder H&M. „Wir platzieren große Bestellungen vom Start weg. Aber wir generieren nie riesige Inventare einzelner Produkte“, so Gründer Umar Kamani gegenüber Fashion Network. 250 neue Produkte würden so jede Woche im Online-Shop landen, insgesamt umfasse das Angebot 20.000 Kleider, Shirts, Jeans, Schuhe, Accessoires.
Die Strategie, immer wieder neue Produkte in nicht so großen Stückzahlen Richtung Kund:innen zu schieben, erlaube es PrettyLittleThing, genau zu testen, was wirklich ankommt. „Wenn ein Produkt erfolgreich ist, produzieren wir erst mehr davon. Andernfalls probieren wir das nächste aus“, so Gründer Kamani. Gleichzeitig sind die Produkte extrem günstig. Ganze Kleider kosten zum Teil zwischen 30 und 40 Euro, Tops und Shirts gibt’s ab 15 Euro und Jeans ab 30 Euro. Wie so viele Fast-Fashion-Anbieter lockt das Unternehmen auf der eigenen Seite mit Streichpreisen – und 70-Prozent-Rabattaktionen ziehen sich durch das komplette Jahr.
Mit so einer Strategie muss sich PrettyLittleThing natürlich Fragen zur Nachhaltigkeit gefallen lassen. Laut eigener Angaben produziere die Brand bereits 40 Prozent der Produkte in Großbritannien, weitere 40 Prozent aber in China. Der Rest komme aus der Türkei, Pakistan, Indien und weiteren Ländern. So richtig einsichtig, dass Fast Fashion als einer der größten Klimakiller der Welt gilt, scheint Umar Kamani aber nicht zu sein. „Ich stimme nicht damit überein, dass Fast Fashion Wegwerf-Mode ist, nur wegen des günstigen Preises“, sagt er gegenüber CEO Magazine. „Durch prominente Features auf unseren Seiten und Social-Media-Accounts ermutigen wir unsere Kund:innen aktiv, neue Wege zu finden, ihre gekauften Klamotten zu tragen, um noch mehr Wert rauszuziehen.“
Mega-Influencer als Sprungbrett auf der ganzen Welt
Der Zielgruppe scheinen die Probleme in Sachen Nachhaltigkeit bisher aber egal zu sein. Denn die erreicht PrettyLittleThing nicht mit Posts über recycelte Klamotten, sondern über die Zusammenarbeit mit einigen der größten Influencer des Planeten – die oftmals gleichzeitig Reality-TV-Stars sind. 2015 startet das Unternehmen noch auf kleiner Flamme mit einer gemeinsamen Kollektion mit Lucy Mecklenburgh, einem TV-Sternchen aus Großbritannien.
Schon zuvor hatte PrettyLittleThing klassisches Influencer Marketing eingesetzt. Die gemeinsame Kollektion scheint aber so gut zu funktionieren, dass solche intensiveren Co-Produktionen mit Stars mittlerweile zur DNA der Marke gehören. Seitdem folgen nämlich Kollektionen mit Ex-Miss-USA Olivia Culpo, Reality-TV-Star Kourtney Kardashian, dem Plus-Size-Model Ashley Graham oder Model und Influencerin Hailey Bieber (die Frau von Justin Bieber).
Und das ist nur ein Teil der Kooperationen, die PrettyLittleThing seit 2015 eingegangen ist. Allein 2019 habe die Marke über 8.000 Influencer-Kampagnen geschaltet und damit 9,5 Milliarden Social-Reaktionen erzeugt. Vor allem die Zusammenarbeit mit dem Kardashian-Klan bringt die Marke weltweit und besonders in den USA in die Köpfe der Zielgruppe (Kylie Jenner, ebenfalls Teil der Familie, hatte die US-Launch-Party der Brand in LA geschmissen). Und weil all die Instagram-Stars, mit denen PLT über die Jahre Kollektionen baut, kräftig trommeln, kommt der Instagram-Account der Marke mittlerweile auf fast 15 Millionen Abonnent:innen – extrem stark für ein Unternehmen. Auf Tiktok sind 1,5 Millionen Follower dabei.
Der direkte Weg von Social auf die Produktseite
Ein anderer Faktor, um Follower zuzulegen: Neben einfachen Posts von PrettyLittleThing-Klamotten veranstaltet die Marke unzählige Gewinnspiele. Bei solchen sogenannten Loop Giveaways müssen Nutzende oftmals mehreren Accounts folgen, den jeweiligen Post liken und Bekannte in den Kommentaren markieren (wir haben das Prinzip hier genauer erklärt). Zuletzt verlost PLT im April auf Instagram eine Reise in die Karibik – und verzeichnet auf den Post über 42.000 Likes und 17.000 Kommentare. Nur in der Woche des Gewinnspiels gewinnt der Account über 1,2 Millionen Abonnent:innen dazu.
Was man der Marke aber lassen muss: Sie versucht sich als echter Content Creator in der Social-Welt. Immer wieder mischen sich Bekenntnisse zu Vielfalt und Toleranz unter die Posts. Berühmten Persönlichkeiten, die zur Zielgruppe passen, wird zur Hochzeit und zum Geburtstag gratuliert. So entsteht ein bunter Inhalte-Mix auf dem Instagram-Kanal des Unternehmens. „Wir wollen die besten Freunde dieser Frauen sein“, sagt PLT-Gründer Umar Kamani etwas pathetisch mit Blick auf seine Zielgruppe. „Wir müssen mit der jungen Generation Schritt halten und ihnen zuhören. Wir sind die Brand, die Trends zuerst erkennt und kreiert.“
Diesen Eindruck will der Gründer auch mit einem eigenen Podcast verstärken, der mittlerweile seine siebte Staffel hinter sich hat. Das Format „Behind Closed Doors“ habe schon in der ersten Staffel in einzelnen Folgen über 30.000 Hörer:innen verzeichnet. Der Zusammenhang zur Marke entsteht übrigens dadurch, dass Host Nat O’Leary in jeder Ausgabe mit einer Persönlichkeit aus dem PLT-Kosmos spricht – über Klamotten, Alltagsprobleme, das Leben. Über solche Branding-Strategien hinaus versucht PrettyLittleThing auch auf Instagram, Nutzer:innen direkt in den Shop zu leiten – mit einem Kniff. In der Beschreibung der Beiträge, auf denen ein PLT-Produkt zu sehen ist, verzeichnet die Marke kryptische Codes wie „CMQ7421“ oder „CMS3838“ und schreibt einfach drüber: „Sucht den Code, um zu shoppen“. Wer also so eine Buchstaben- und Zahlenkombination in die Google-Suche kopiert, landet direkt organisch auf der Produktseite im PrettyLittleThing-Shop.
Mit Google Trends erkennen
Aber trotz solcher Social-Tricks kommt der Traffic der Seite größtenteils über direkte Aufrufe und die organische Suche. Laut dem Analyse-Tool Similarweb sorgen beide Kanäle zusammen für derzeit über 90 Prozent des Shop-Traffics. Dabei baut auch das sicherlich auf den Social-Kampagnen auf, die den Namen der Brand überhaupt erst bekannt gemacht haben. Aber auch darüber hinaus scheint das SEO-Team des Unternehmens zumindest bis zum März 2020 alles richtig zu machen. Laut dem Analyse-Tool Sistrix wächst die Sichtbarkeit der URL im Kernmarkt Großbritannien bis dahin kontinuierlich. 2019 zeigt eine Statistik aus UK, wie sehr die Suchanfragen nach PrettyLittleThing steigen.
Mit dem Google Core Update im März 2020 sackt die Sichtbarkeit dann aber stark ab. Woran das genau liegt, ist allerdings schwer zu sagen. Beim Blick auf Suchvolumina kann sich die Marke aber wohl langfristig auf den starken Namen verlassen. Allein nach PrettyLittleThing wird in Großbritannien pro Monat laut Sistrix an die fünf Millionen Mal gesucht – was dann zu Millionen Klicks führt. Aber auch auf sehr anlassbezogene Keywords wie „festival outfits“ oder „dresses for party“ rankt das Unternehmen auf dem Heimatmarkt ganz oben.
Und dieser Bezug zu bestimmten Anlässen bei den Suchbegriffen ist durchaus gewollt und funktioniert in beide Richtungen. Im Shop sind Kleider nicht nur nach Farben und Styles, sondern zum Teil auch nach Anlässen sortiert – was für immer neue Keywords sorgt. Auf der anderen Seite wertet das Unternehmen auch Google Trends und Suchanfragen aus und baut darauf seine Kategorie-Einteilung auf. Das macht es Nutzenden nicht nur einfacher, für den richtigen Anlass das richtige Teil zu finden – PrettyLittleThing kann gleichzeitig Kleidungstrends schnell erkennen und seiner Zuschreibung als wahnsinnig schnelle Fashion-Brand gerecht werden.