OMR Live-Podcast mit Project-A-Partner Florian Heinemann

Christian Cohrs16.10.2023

Der Investor über den Gen-AI-Hype, E-Commerce-Player unter Druck und die Plattform Deutschland

Philipp Westermeyer bei der OMR Podcast Live-Aufnahme mit Florian Heinemann, Foto: Ania Berak/Project A
Inhalt
  1. "Wir sind ein Hit-getriebenes Business"
  2. KI als Mittel gegen den Fachkräftemangel
  3. Krypto-Regulierung dank SBF
  4. Warum Zalando Shein kopieren sollte
  5. BWLer als Weltverbesserungshelfer*innen

"Vielleicht muss es einfach noch ein bisschen beschissener laufen, damit es besser wird." Wenn der Investor und Projekt-A-Partner Florian Heinemann im Gespräch mit Philipp Westermeyer auf die aktuelle Wettbewerbsfähigkeit der "Plattform Deutschland" kommt, klingt er nicht eben optimistisch. Doch als jemand der immer bemüht sei, die Dinge ideologiefrei zu betrachten, lägen die Probleme auf der Hand: Für dringend benötigte Fachkräfte sei Deutschland "kein wahnsinnig populärer Standort", zumal im Angesicht der jüngsten Wahlerfolge der AfD. 

Ebenfalls wenig Mut mache ihm das Fehlen eines Staatsfonds sowie die Zurückhaltung der Regierung mutig in Zukunftstechnologien zu investieren. Andernorts passiere da weit mehr, etwa mit dem Inflation Reduction Act in den USA. Doch immerhin zeigten andere Staaten, wie man es machen könnte: Etwa wenn der französische Präsident internationale Spitzenunternehmer*innen in einem Schloss versammele. Allerdings sei Olaf Scholz eben nicht Emanuel Macron und Meseberg nicht Versailles. Heinemanns Fazit: "Es gibt jetzt nicht so wahnsinnig viele Dinge, die gerade in die richtige Richtung laufen."

"Wir sind ein Hit-getriebenes Business"

Doch trotz aller Bedenken, geht es in dieser live während der von Projekt A am 11. Oktober 2023 in Berlin ausgerichteten Knowledge Conference aufgenommenen Episode des OMR Podcasts vor allem um Chancen, die die Zukunft bereit hält und um die große Frage: Was muss passieren, damit in Deutschland und Europa die Tech-Giganten der nächsten Generation entstehen können?

Bei dieser Frage ist jemand aus der Wagniskapital-Szene, der sich also auf die großen unternehmerischen Wetten spezialisiert hat, ein idealer Ansprechpartner. Auch, oder vielmehr gerade in der aktuellen Multikrisen-Situation: "Wir sind ein Hit-getriebenes Business – und das hat sich auch nicht geändert", so Heinemann. Also geht Philipp Westermeyer mit dem Berliner Investor die aktuellen Hype-Themen einmal durch.

KI als Mittel gegen den Fachkräftemangel

Den Anfang macht – natürlich – das weite Feld der generativen KI. Heinemann macht hier einen gewissen Rückfall auf eine realistische Einschätzung der vermeintlichen Wundertechnologie aus. Die universelle Intelligenz, die alle Aufgaben komplett autonom erledigt, sieht er so bald nicht kommen, wohl aber einen massiven Rollout von "Copilots", die viele Alltags-Tasks übernehmen werden und so die Produktivität steigern. Beim Coder-Tool Github geschehe dies bereits. Und mit der angekündigten Einführung von Microsofts Copilot werde sich dieses Thema demnächst auch in den Büroetagen der Konzerne massiv bemerkbar machen. 

Befragt nach der Sichtweise des deutschen Mittelstands, mit dem Heinemann eng vernetzt ist, sagt er: "Mein Eindruck ist schon, die sind aufgeregt." Denn allen Unternehmer*innen sei klar, dass die Technologie "Effizienzthemen hebt und vielleicht auch beim Fachkräftemangel hilft", so der Investor. 

Krypto-Regulierung dank SBF

Die große Herausforderung bestehe aktuell aber – nicht nur beim Mittelstand – darin, eine "gerichtete Entwicklung in den Unternehmen" zu erreichen. Denn wenn die Mitarbeitenden die KI künftig ihre Emails vorformulieren lassen, könne das zwar einen positiven Effekt haben. "Aber", sagt Heinemann, "es wäre natürlich gut, wenn man ein stückweit top-down vorgibt." Er meint damit strategische Entscheidungen wie einen konsequenten Einsatz von KI im Customer Service, die Ersetzung von Shootings durch Bildgeneratoren wie Midjourney oder Übersetzungstools, um Produkttexte direkt in Dutzenden Sprachen zur Verfügung zu haben. 

Beim gerade wieder zurückkommenden Thema ist Heinemann allerdings verhaltener. Zwar sehe er abseits der in seinen Augen bislang einzigen B2C-Anwendung – Kryptowährungen als Spekulationsobjekt – bereits eine Reihe von B2B-Anwendungen der Blockchain-Technologie. Aus Investorensicht allerdings sei das Thema Krypto herausfordernd. Abgesehen davon, dass er bislang keine "Killer-App" ausgemacht habe, sorge vor allem die überfällige Regulierung des Sektors für Zurückhaltung. Allerdings glaubt Heinemann, der Fall Sam Bankman-Fried und die Pleite seiner Kryptobörse werde dazu führen, dass es von den USA ausgehend zu einer stärkeren Regulierung und damit mehr Sicherheit für Investoren kommen werde.

Warum Zalando Shein kopieren sollte

Mehr Regulierung wünscht sich der Project-A-Partner auch, was die chinesischen E-Commerce-Newcomer Shein und Temu angeht. Neben den immensen Summen, die die Firmen gerade in die Eroberung des US-amerikanischen und europäischer Märkte stecken, würde ihnen auch helfen, dass die Lücken im Zollrecht ausnutzen. Den durch chinesische Unternehmen zunehmend in die Ecke gedrängten heimischen Playern wie Zalando und About You rät er allerdings vor allem dazu, sich deren Businessmodell an- und gegebenenfalls abzuschauen. 

Zum einen, weil er keinen Grund sehe, warum deren "Produkte nicht auch in höheren Preissegmenten relevant" werden sollten. Zum anderen, weil die von den chinesischen Firmen perfektionierte Verzahnung von Bestell- und Herstellungsprozess großes Potenzial bietet. Ihre Made-to-Order-Mechanik könne – im Verbund mit einer in Europa angesiedelten Fabrikation – nicht zuletzt auch helfen, die katastrophale CO2-Bilanz der durch Überproduktion gekennzeichneten Modebranche zu verbessern.

BWLer als Weltverbesserungshelfer*innen

Daneben gebe es jedoch auch noch einige strukturelle To-Dos in Europa, so Heinemann. Neben dem Bedarf an einer stärkeren VC-Szene und einer deutlichen Steigerung der Attraktivität für ausländische Talente – er verweist auf die Vielzahl der von Migrant*innen gestarteten Firmen in den USA – geht es ihm um eine Stärkung der unternehmerischen Kreativität. 

In einem Industrieland wie Deutschland bedeute dies vor allem, die ja vorhandenen Ingenieur*innen, Coder*innen und Tüftler*innen beim Start von Firmen aus dem universitären Kontext heraus zu unterstützen. Denn, so Heinemann: "BWLer können dazu beitragen, dass die Welt ein bisschen besser wird. Aber sie können es halt nicht in sich. Das muss man wahrscheinlich so nüchtern sehen."

Das sind die Themen des OMR Live-Podcasts mit Flo Heinemann:

  • (00:01:36) Themen, auf denen Fo Heinemanns Fokus liegt
  • (00:03:44) Project As Erwartungen an Wachstum und Bewertungen
  • (00:10:56) nächste Exits und Zahl aktueller Investments 
  • (00:14:13) die Mechanik hinter Birkenstocks IPO 
  • (00:21:16) sein Blick auf Elon Musk
  • (00:22:48) der Fall SBF und die Zukunft von Krypto
  • (00:24:26) wie er den aktuellen KI-Hype als VC erlebt
  • (00:28:49) wer mit KI Geld verdient und Copilot-Ansatz 
  • (00:34:37) chinesische Newcomer im E-Commerce 
  • (00:45:00) ob er noch im E-Commerce-Sektor investiert
  • ⁠(00:47:38) "Plattform Deutschland" vs. andere Staaten
  • ⁠(00:52:19) das Fehlen deutscher Big-Tech-Unternehmen

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Christian Cohrs
Autor*In
Christian Cohrs

Editor & Content Strategist bei OMR und Host des FUTURE MOVES-Podcasts. Zuvor war er Redaktionsleiter des Wirtschaftsmagazins Business Punk in Berlin, Co-Autor des Sachbuchs "Generation Selfie".

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