Wie ein T-Shirt-Startup fünfstellige Umsätze mit einer einzigen Mail generiert haben will

Ravi Deient25.1.2018

Cleverste Kaltakquise der Geschichte oder einfach nur Spam?

Ramp T-Shirt
Inhalt
  1. Personalisierte Bilder in Sales-Mails
  2. Suche nach einem Weg, den Prozess zu vereinfachen und skalieren zu können
  3. Automatisierung und Skalierung des gesamten Prozesses
  4. Rechtlich auf wackligen Beinen
  5. Reaktionen der potenziellen Kunden und CEO als Model
  6. Ergebnisse und Learnings
  7. Personalisierter, smarter Spam?

Was tun, wenn man als Startup-Gründer von seinem Produkt überzeugt ist, aber noch kaum Kunden hat? Neil Cocker, Gründer einer walisischen Firma, die T-Shirts bedruckt, hat einfach die Gründer und Geschäftsführer anderer Unternehmen angemailt – mit einem Foto von sich in einem T-Shirt, versehen mit dem Logo der Firma der Empfänger. 50.000 Mails dieser Art hat er verschickt – und damit angeblich fünfstellige Umsätze erzielt. OMR hat mit Cocker gesprochen und erklärt, wie genau ihm das gelungen ist.

„Das ist die Geschichte, wie wir 50.000 Unternehmen mit der ‚besten Cold-E-Mail ever’ angeschrieben und ihnen unseren Service angeboten haben“, startet Neil Cocker seinen Blog-Beitrag. Der 43-Jährige ist CEO von Ramp T-Shirts, einem T-Shirt-Druck-Unternehmen mit Büros in Bulgarien und UK. Das Besondere an dieser Mail, mit der er angeblich einen fünfstelligen Umsatz generiert haben will: Er schickt sie an Unternehmer und integriert in jede E-Mail ein Foto von sich, wie er ein T-Shirt mit dem jeweiligen Brand-Logo des Unternehmens trägt. Auch die Betreffzeile lässt bereits erahnen, worum es in der Mail geht: „I’m wearing a [COMPANY NAME] t-shirt!“. Problematisch ist allerdings, dass es beispielsweise nach deutschem Recht – auch bei der B2B Kaltakquise – nicht gestattet ist, potentiell interessierten Kunden Sales-Mails zu senden.

Personalisierte Bilder in Sales-Mails

Neil Cocker will im vergangenen Jahr sein T-Shirt-Startup Ramp T-Shirts auf die nächste Stufe heben. Also kommt er auf die Idee mit den personalisierten Fotos. Für einen ersten Testballon nimmt er das Bild eines Stock-Foto-Models, das ein weißes T-Shirt trägt, und photoshoppt nacheinander händisch die Logos von 50 verschiedenen Unternehmen darauf. Anschließend sendet er das Bild per Mail an die Firmen und pitcht sein Produkt.

„Es hat uns vier Stunden gekostet, die Bilder zu kreieren, alle E-Mail-Adressen zu finden und dann die personalisierten Mails zu erstellen. Über die Copy haben wir uns zu diesem Zeitpunkt gar nicht viele Gedanken gemacht. Wir wollten einfach testen, wie die Leute auf das Bild und die Mail reagieren“, so Cocker. Laut dem CEO war die Idee ein Hit – die Öffnungsrate der Kampagne habe bei 50 Prozent gelegen, außerdem hätten sie einige Rückmeldungen erhalten. An diesem Punkt wurde dem Team klar, dass aus dieser Idee etwas Größeres entstehen könnte – egal ob Spam oder nicht.

Suche nach einem Weg, den Prozess zu vereinfachen und skalieren zu können

Allerdings sei der Prozess zu diesem Zeitpunkt noch sehr arbeitsintensiv und nicht besonders gut skalierbar gewesen. „Wir mussten nach einer automatisierbaren Lösung suchen. Das war technisch nicht ganz einfach, aber auf jeden Fall nicht unmöglich“, sagt Cocker. Das Startup kombiniert verschiedene Tools. Am Anfang verwenden sie Placeit.net, um Bilder von Models mit den Logos der Unternehmen zu erstellen. „Die Bilder waren von guter Qualität und sahen professionell aus“, so Cocker. Auch Videos, die später zu GIFs umgewandelt werden, erstellen Neil Cocker und sein Team auf Placeit und führen einen A/B-Test durch. Die GIFs schneiden in der Praxis allerdings schlechter ab, als die statischen Bilder.

Placeit-Model mit Ramp-Logo-Shirt.

Placeit-Model mit Ramp-Logo. Quelle: ramptshirts.com

Automatisierung und Skalierung des gesamten Prozesses

„Wir besprachen mit unserem CTO, dass wir ein System brauchen, das Unternehmens-E-Mail-Adressen und –Logos einsammeln und eine Vorschau für jede Firma generieren können muss“, so Neil Cocker. Die ersten zwei Aufgaben kann Ramp T-Shirts durch eine Kombination von Hunter, Clearbit und Zapier lösen. „Die dritte erforderte ein wenig Bildverarbeitungs-Magie unseres Tech-Teams. Das größte Problem war nun noch das Zusammenspiel der einzelnen Komponenten.“

Gegenüber OMR erklärt Neil Cocker sein automatisiertes System: „Kurzgesagt haben wir ein System gebaut, das mehrere Dinge tut. Es erwartet einen Input in Form einer Liste an Domains. Diese Domains haben wir beispielsweise aus Verzeichnissen oder sie wurden manuell gesammelt. Anschließend werden die E-Mail-Adressen gesucht, die mit diesen Domains in Zusammenhang stehen. Dies geschieht größtenteils über die Hunter API. Danach werden alle irrelevanten oder generischen Mail-Adressen wie support@ oder info@ aussortiert.“

Rechtlich auf wackligen Beinen

Im Anschluss finde dieses System nun die mit den Domains verbundenen Unternehmenslogos, was großteils über die Clearbit API vonstattengehe. Abschließend wird das Logo durch eine eigens entwickelte Technologie verarbeitet und ein Mock-Up mit Cocker als Model generiert. „Für jede Domainliste, die wir in das System laden, erhalten wir eine exportierbare CSV-Datei, in der die E-Mail-Adressen, Unternehmensnamen und eine einbettbare Bild-URL enthalten sind. Diese CSV-Datei laden wir auf die E-Mail-Plattform – wir haben hauptsächlich Autopilot und SendInBlue verwendet.“

Auch wenn der Ansatz im ersten Augenblick interessant und clever wirkt, steht Cocker nach deutschem Recht gesehen auf wackligen Beinen. Nicht nur, dass man sich in die Riege der Spammer einreiht. Auch für die Reputation des versendenden Unternehmens ist dies nicht gerade förderlich. Rechtlich betrachtet ist es schlicht und ergreifend nicht zulässig, im B2B ohne Einwilligung des Empfängers Werbemails und Newsletter zu versenden.

Ramp T-Shirt Gründer Neil Cocker trägt ein OMR-T-Shirt.

Neil Cocker mit OMR-T-Shirt

Reaktionen der potenziellen Kunden und CEO als Model

„Nachdem wir nun unser eigenes, maßgeschneidertes System entworfen haben, brauchen wir nur noch das Bild einer Person, die ein weißes T-Shirt trägt.“ Trotz anfänglicher Skepsis wird Cocker selbst zum Shirt-Model. „Das ist meiner Einschätzung nach das ultimative Zeichen für Vertrauen und Zuverlässigkeit“, so der Gründer. Der ganze Prozess, angefangen von der Idee, über das Testen, bis hin zum Roll-Out des vollautomatisierten Systems habe sechs Wochen gedauert. Nun verschickt Cocker die E-Mails nach und nach – in Batches von ein paar Hundert bis hin zu mehreren Tausend täglich – an die potentiellen Kunden.

Neil Cocker geht auf den Aufbau seiner Sales-Mail ein.

Der Aufbau der Sales-Mail; Quelle: ramptshirts.com

Dem Gründer scheint insgeheim bewusst zu sein, dass er mit dieser Vorgehensweise Spam betreibt. Direkt im ersten Abschnitt geht er darauf ein, dass sich Spam-Mails nicht gerade besonderer Beliebtheit erfreuen. Darunter packt er das Bild von sich mit dem Brand-Logo des jeweiligen Unternehmens. Den Unsubscribe-Link positioniert der Gründer direkt unter dem Bild, was seiner Aussage zufolge vertrauenswürdig erscheinen soll. Im letzten Abschnitt erklärt er sogar, dass die Mail automatisiert erstellt wird. Offenbar setzt er darauf, mit entwaffnender Ehrlichkeit Sympathiepunkte beim Empfänger sammeln zu können.

90 Prozent der Rückmeldungen seien sehr positiv ausgefallen – manche Unternehmer kaufen angeblich sofort. Die Mehrheit der restlichen Empfänger sei amüsiert und nur eine kleine Hand voll verärgert gewesen.

Neil Cocker E-Mail Marketing Antwort 1

Eine Antwort-Mail; Quelle: ramptshirts.com

Neil Cocker erhält unterhaltsame Antworten auf seine E-Mail-Marketing-Kampagne.

Manche Empfänger steigen sogar auf den Spaß ein. Quelle: ramptshirts.com

Nachdem mehrere Versionen der Kampagne versandt wurden, reduziert Ramp T-Shirts diese auf eine einzige E-Mail – vormals waren es drei. „Wir bemerkten, dass die Wirkung der ersten E-Mail ausreichend war und ich mag es nicht, Leute mit mehreren E-Mails unter Druck zu setzen“, so Neil Cocker.

Neil Cocker erhält auch negative Rückmeldungen.

Nicht alle Empfänger der Mail waren von diesem Marketing-Ansatz begeistert. Quelle: ramptshirts.com

Manche Empfänger möchten nie wieder etwas von Neil Cocker hören.

Manche Empfänger möchten nie wieder etwas von Neil Cocker hören. Quelle: ramptshirts.com

Ergebnisse und Learnings

Neil Cocker gibt im Artikel, der auf dem Firmenblog erschienen ist, auch KPIs an: Die Öffnungsrate liege bei über 50 Prozent, manche Kampagnen sollen eine Click Through Rate (CTR) von über 25 Prozent erreicht haben und der Umsatz durch diese E-Mails soll sich momentan auf Zehnausende Euro belaufen. Ramp T-Shirts habe angeblich nicht sofort mit Bestellungen gerechnet, „weil T-Shirts etwas sind, was Unternehmen nicht immer, aber immer zu gewissen Zeiten benötigen. Nichtsdestotrotz haben manche Firmen noch am selben Tag bestellt. Viele kommen auch nach und nach – sogar Monate später – zurück, um ihre Bestellung abzugeben“, so Cocker.

Personalisierter, smarter Spam?

Neil Cocker hat seinen Blog-Beitrag auch im Entrepreneur-Subreddit auf der Plattform Reddit gepostet und bislang 1.072 Upvotes erhalten. Einige Redditors sind allerdings der Meinung, dass es schlicht und ergreifend Spam sei, was Cocker hier versendet; ein anderer User ist nicht begeistert von Cockers Vorgehensweise und spekuliert, dass er die E-Mail-Adressen – wie gegenüber OMR beschrieben – gescrapet haben könnte. Wohingegen der Blog-Beitrag von einem Reddit-Nutzer als „Tagebuch eines Spammers“ betitelt wird, sehen ihn wieder andere als Beschreibung einer „genialen Idee“ an. Kritik erntet Cocker mit „Spam ist grausam. Und das ist definitiv Spam. Aber wenigstens ist es smarter Spam“ auch von einem weiteren User.

E-Mail-MarketingStartup
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Autor*In
Ravi Deient
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