MunichWristBusters: Zwei Ehrenmänner gegen die Fake-Rolex-Flexer

Zwei Instagrammer enthüllen, welche Promis gefälschte Uhren tragen und erreichen damit bis zu 500.000 Menschen wöchentlich

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Ein von einem 19- und einem 20-Jährigen betriebener Instagram-Account deckt auf, welche Influencer, Promis, Business-Coaches und Rapper gefakte Luxusuhren tragen – und zieht damit eine enorme Aufmerksamkeit auf sich. 236.000 Menschen folgen den „Munich Wrist Busters“ auf Instagram, doch die wahre Reichweite des Accounts ist noch viel höher – auch, weil Promis wie Oliver Pocher und Farid Bang ihn pushen. Gegenüber OMR haben die beiden „Wrist Busters“ ihre Reichweitenzahlen offengelegt, erklärt, wie sie ihren Account mit Affiliate Marketing monetarisieren und über Zukunftspläne mit einer eigenen Schmuckmarke gesprochen.

„Die echte liegt im Safe.“ Die Standard-Ausrede erwischter Träger von gefakten Luxusuhren ist längst zum Meme geworden. Kein Post der MunichWristBusters (MWB), unter dem nicht irgendwer diesen Satz in die Kommentare schreibt. Und in wirklich jedem Beitrag auf Instagram oder Clip bei Youtube über deutschsprachige Rapper, Influencer oder „Business-Coaches“, in denen eine Uhr zu sehen ist, werden die MWB inzwischen getaggt. In elf Monaten sind der 20-Jährige Leon Schelske und der 19-jährige Robin Haas – neben Influencer-Juwelier Mark Gebauer – zur Instanz auf Instagram geworden, wenn es um die Echtheit von Luxusuhren geht. Nicht schlecht für einen Kanal, der ursprünglich gegründet wurde, um anonym die Fake-Flexer im eigenen Münchener Bekanntenkreis vorzuführen.

Genervt von Fakes bei Freunden

Für jemanden, der gerade sein Abi gemacht hat, sind Luxusuhren ein eher exotisches Hobby. Doch Leon Schelske sagt: „Wenn die Eltern solche Uhren haben, dann interessiert man sich dafür.“ Seit er 16 ist, begeistert er sich für die unterschiedlichen Modelle, deren Spezifikationen und Komplikationen, verfolgt Produktneuheiten, vertieft sich in die Feinheiten der Haute Horologie. Und natürlich will er eine eigene Sammlung. Die 3.890 Euro für seine erste Vintage Rolex Datejust hat er mit einem Job an der Kasse verdient.

Schelske und sein Buddy Haas sind nicht die einzigen Teenager, die mit Uhren von Luxusmarken wie Rolex, Breitling oder Audemars Piguet durch München laufen. Doch wenige haben so viel Ahnung von der Materie. Und darum erkannten sie schnell, wer in ihrem „größeren Bekanntenkreis“, wie Schelske es nennt, mit einer Fake-Watch unterwegs war und Fotos davon auf Instagram postete. „Da kam die Idee, lass mal eine Seite machen“, erinnert sich Schelske an die Ursprünge von MWB. Im Oktober 2019 begannen sie unter @MunichWristBusters nüchtern im Ton, bestimmt in der Sache und im Schutz der Anonymität Postings mit gefälschten Uhren zu sezieren und auf verräterische Abweichungen vom Original hinzuweisen.

Attacke auf die Business-Blender

Es geht den MWB-Machern nicht darum, Personen bloßzustellen. Schelske und Haas haben ein Problem damit, dass Fake-Uhren sich wie eine Epidemie ausbreiten. Darum beschließen sie vor ein paar Monaten, die Sache grundsätzlicher anzugehen und bei den Leuten mit hoher Reichweite anzusetzen, die auf den Hype um die Luxus-Uhren auf Instagram befeuern. Sie löschen alle Posts von Gebusteten mit weniger als 10.000 Followern – und dann haben sie Glück.

Einer ihrer ersten Posts über Influencer mit größerer Reichweite befasst sich mit Dominic Harrison. Sie veröffentlichen ihn in dem Moment, als der Entertainer Oliver Pocher sich gerade am Influencer-Ehepaar Sarah und Dominic Harrison abarbeitet. MWB hat damals bescheidene 800 Follower. „Warum auch immer hat der Pocher das innerhalb von zwei Minuten gesehen“, erinnert sich Schelske. Der Comedian featured MWB in seinem Podcast und mehreren Instagram-Storys.

Prominente Rapper lassen ihre Uhren „verifizieren“

„Da ist das Ganze komplett eskaliert“, sagt Schelske. Pocher habe viele Prominente unter seinen Followern; die seien dadurch auf MWB aufmerksam geworden. Auf einmal packte dann Rapper Farid Bang Rapper mit 2,2 Millionen Abonnenten die Münchner in seine Story. „Wir hatten damals beim Handy noch jede Benachrichtigung an, wir waren komplett überfordert“, sagt Schelske. Innerhalb von zehn Minuten hätten sie 99+ Anfragen gehabt.

Mittlerweile bekommen sie über Instagram täglich eine dreistellige Zahl an Direktnachrichten, so Schelske. Darunter viele Tipps, wen sie mal anschauen sollten. Aber auch Messages wie die der Frau, die MWC bittet, anhand der mitgeschickten Schnappschüsse mal die Echtheit der Uhr ihres Dinner-Dates zu checken. Und Social-Media-Promis schreiben die Jungs an. Sie wollen Debatten um vermeintliche Fakes am Handgelenk mittels MWB-Ritterschlag beenden. Pietro Lombardi zeigt in einem Video seine Rolex – und landet anschließend in den „Verified“-Highlights von MWB. Wie auch unter anderem die Rapper Fler, Kollegah, Bonez MC, Manuellsen, Veysel und auch Twitch-Star Knossi. Das Verified-„Siegel“ sei eine extrem wichtige Hilfe gewesen, das Netzwerk auszubauen, so Schelske. Mit vielen der Prominenten würden sie regelmäßig schreiben.

Werbung ja, aber „nicht für jeden Rotz“

Durch den Push prominenter Accounts ist die Zahl der MWB-Abonnenten inzwischen auf 235.000 gewachsen. Ihr Profil kommt aktuell, wie ein OMR vorliegender Screenshot zeigt, auf 284.000 erreichte Instagram-Konten und 6,3 Millionen Impressions. Nach Angaben von Schelske soll MWB in den besten Wochen (bei besonders prominenten „Busts“) sogar bis 500.000 erreichte Instagram-Accounts und zehn Millionen Impressions verzeichnen. Zum Vergleich: Ebner Uhrenmedien, laut Selbstauffassung „der führende Special-Interest-Publisher für hochwertige mechanische Uhren“ und Betreiber u.a. des Portals Watchtime.net, erreicht nach eigenen Angaben über all seine Websites hinweg 250.000 Nutzer – im Monat.

MWB Instagram Statistiken

Ein Einblick in die Instagram-Nutzungsstatistiken von Munich Wrist Busters

Wenig erstaunlich also, dass die Munich Wrist Busters bald die ersten Kooperationsanfragen bekamen. „Wir wussten aber, dass wir nicht für jeden Rotz Werbung machen können“, so Schelske. Darum lehnten sie Angebote ab, Werbung für Uhren aus Holz oder Klamotten zu machen, und fanden schließlich im Luxusuhren-Marktplatz Chronext (Gründer Philipp Man hier im OMR Podcast) einen passenden Partner. Dort war das Social-Media-Team auf MWB aufmerksam geworden, als die Abonnentenzahl noch im mittleren fünfstelligen Bereich lag. Laurens Mauquoi, CMO des Luxusuhren-Marktplatzes, der gebrauchte Uhren vor dem Verkauf in einem aufwendigen Prozess auf Echtheit prüft und zertifiziert, erkannte den Fit: „Ich sehe hier eine Botschaft, die sehr gut zu Chronext passt: Sei kein Wannabe, kauf bei uns.“

Vierstellige Monatseinnahmen mit Affiliate-Marketing?

So sieht der Shop von MWB auf Instagram aus

Im Rahmen der Partnerschaft mit Chronext erhalten die beiden „Wrist Busters“ eine Provision, wenn sie dem Uhren-Marktplatz einen Käufer zuführen. Um das Ganze zu tracken, hat Chronext u.a. „MWB“ als Rabattcode auf der Plattform angelegt, mit dem die Käufer je nach Preis der Uhr einen fixen Nachlass erhalten. Darüber hinaus haben Schelske und Haas auf ihrem Instagram-Account einen eigenen Shop angelegt, mit 28 auf Chronext verfügbaren Uhrenmodellen. Das günstigste kostet 7.250 Euro; bei den meisten liegt der Preis aber im fünfstelligen Euro-Bereich. Das teuerste Modell ist eine Patek Philipp Chronograph Date zum Preis von 165.000 Euro. Aktuell führen die MWB gemeinsam mit Chronext auch ein Gewinnspiel durch.

Im Partnerprogrammverzeichnis auf Affiliate-Marketing.de ist zu lesen, dass Affiliate-Partner von Chronext bis zu zwei Prozent des Sales als Provision erhalten; der durchschnittliche Warenkorbwert liege bei 11.500 Euro. Die Konditionen, die Schelske und Haas erhalten, sollen nach eigenen Angaben über dem Standard von Chronext liegen. Nach eigener Darstellung könnten beide theoretisch – sollte das derzeitige Wachstum des Accounts stabil bleiben – in einigen Wochen von den aus der Partnerschaft generierten Einnahmen leben.

„MWB sprechen eine neue Zielgruppe an“

Bei Chronext scheint man mit dem Deal zufrieden. „Es war nicht abzusehen, dass deren Botschaft, Uhrenfälschungen aufzudecken, derart populär werden würde“, sagt Mauqoui. Luxusuhren seien nach wie vor ein recht elitäres Produkt, doch „MWB machen es zu Mainstream und sprechen eine neue Zielgruppe an“. Einfluss auf die Postings nimmt Chronext nach eigener Aussage nicht. „Wir ownen die nicht. Wir sagen nicht: Bustet mal den oder den“, so Mauqoui. „Aber wir geben ihnen schon Inspiration, indem wir Marktdaten mit ihnen teilen.“ So wissen die MWB, welche Modelle gerade besonders gefragt sind – und entsprechen häufig gefälscht werden.

Wer Luxusuhren öffentlich als Fakes enttarnt, macht sich natürlich nicht nur Freunde. Im harmlosen Fall versuchten die Erwischten sich mehr oder minder kreativ aus der Affäre ziehen: „Die echte liegt im Safe“ eben. Oder durch offenherzigen Dank für die Aufklärung, verbunden mit der Ankündigung, nun mal mit dem Juwelier ein ernstes Wörtchen zu reden. Mancher verfällt wie Business-Coach-Darsteller Karl Ess in einen trotzigen Rechtfertigungsmodus:

Elf Stunden am Tag auf Instagram

Bislang hätten sie immer richtig gelegen, sagt Schelske. Das liegt auch daran, dass sie viel Zeit in die Recherche stecken. Erst wenn sie Bildmaterial finden, aus dem der Fake eindeutig hervorgeht, posten sie darüber. Bei großen Accounts ziehe man außerdem Uhrmachermeister als Experten hinzu. Elf Stunden am Tag würde er auf Instagram verbringen, so Schelske.

Ihre maximale Trefferquote dürfte daran schuld sein, dass inzwischen viele prominente Instagrammer, bei denen MWB Fakes vermutet, ihre Accounts für die Münchner geblockt haben. Außerdem, so Schelske, würden immer mehr Leute ihre Uhren auf Social-Media-Postings unscharf machen, um so eine Identifikation von Fakes zu erschweren.

Faker wollten ihre Identität enthüllen

Es gab in der Vergangenheit allerdings auch schon Drohungen gegen die Betreiber des Busting-Accounts. Einige Leute haben viel Energie aufgewendet, hinter die Anonymität der MWB-Macher zu kommen. Mit Erfolg: Seit einiger Zeit kursiere ein regelrechtes Dossier über MWB, ein sechsseitiges PDF mit ihren Namen, Anschriften und Telefonnummern, sagt Schelske. „Deswegen gehe ich mit Hallo ans Telefon.“ Einmal habe ein von ihnen als Fake-Watch-Träger Enttarnter stundenlang an der Haustür geklingelt. Anschließend habe man sich von der Polizei beraten lassen, Sicherheitsmaßnahmen am Haus seien verschärft worden.

Um allen, die mit einer Veröffentlichung des Dossiers gedroht hatten, das Druckmittel zu nehmen, haben sich Schelske und Haas vor einiger Zeit entschlossen, ihre Anonymität aufzugeben. Bislang hatten sie nur ohne Namensnennung mit Medien gesprochen und in ihren eigenen YouTube-Videos Masken getragen. Am vergangenen Sonntag haben ihre Identität allerdings öffentlich gemacht. Schelske und Haas waren Gäste in der Web-Show World Wide Wohnzimmer.

Jetzt kommt der eigene Diamantschmuck-Shop

Der Gang in der Öffentlichkeit hängt auch mit einem anderen Projekt zusammen. Parallel zum Face Reveal wollen Schelske und Haas endlich die gemeinsame Unternehmung voranbringen, die durch den Hype um MWB ins Stocken gekommen war. Bereits im Januar 2019 hatten die beiden eine UG angemeldet: SH Diamonds. Demnächst soll endlich ihr Online-Shop für sogenannte „iced-out jewelry“ launchen. Komplett mit Diamanten besetzter Schmuck wie Anhänger – Preispunkt 500 bis 2500 Euro –, Armbänder, Ketten, später auch Ringe.

Der Markt ist nischig und jung, aber wie der Bereich Luxusuhren überschwemmt von Fakes. Eine gute Ausgangsposition also für einen Anbieter, der mit klarem und vor allem glaubwürdigem No-Fake-Image an den Start geht. Mindestens ebenso wichtig: Das Netzwerk, auf das die beiden Gründer dank MWB inzwischen zugreifen können. „Reichweite ist alles“, sagt Schelske. Wie lohnend gute Verbindungen in die Deutschrap-Szene beim Aufbau einer Retail-Brand sein können, haben wir zuletzt am Beispiel des Süßigkeiten-Shops „House of Sweets“ gezeigt. Schelske weiß genau, wie entscheidend die richtigen, reichweitenstarken Leute im Rücken sind: „Das Gute ist, dass fast alle auf uns zugekommen sind. Sie feiern uns – und nicht andersrum.“

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Christian Cohrs
Autor*In
Christian Cohrs

Editor & Content Strategist bei OMR und Host des FUTURE MOVES-Podcasts. Zuvor war er Redaktionsleiter des Wirtschaftsmagazins Business Punk in Berlin, Co-Autor des Sachbuchs "Generation Selfie".

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