Luca Pay: Wie die Kontaktverfolgungs-App den Neustart trotz Rabattschlacht verpatzt

Die Luca-Macher wollten ihre App zu einem Bezahldienst umbauen, 30 Millionen Euro gab es dafür von Investoren

Luca Pay
Luca wird in einem Berliner Restaurant mit Aufstellern beworben (Foto: FFWD)
Inhalt
  1. 100 Millionen Euro Umsatz seien greifbar
  2. Krasser Gegensatz zur Realität
  3. 150 Restaurants statt 9.200

In der Anfangszeit der Covid-Pandemie sollte die Anwendung maßgeblich zur Nachverfolgung von Infektionen beitragen. Dann wollten die Luca-Macher ihre Kontaktverfolgungs-App zu einem Bezahldienst umbauen, 30 Millionen Euro gab es dafür von Investoren. Bislang macht das Finanz-Startup jedoch vor allem mit aggressiven Rabatten auf die Payment-App aufmerksam – und ist hinter seinem Plan zurückgeblieben.

Mitte Oktober in dem gehobenen Berliner Restaurant „Gärtnerei“. Auf der Karte stehen Gerichte wie „Getrüffeltes Selleriesüppchen“ für zwölf Euro oder eine Riesengarnele für 34 Euro – kein günstiges Essen. Doch seit einigen Monaten gibt es zumindest die Möglichkeit, einen ansehnlichen Rabatt zu bekommen. Zwischen zehn und 20 Prozent lassen sich sparen, wenn man eine neue Fintech-App zum Bezahlen verwendet. Rund 40 Prozent der Gäste würden das Angebot nutzen, sagt eine Kellnerin auf Nachfrage. Tausende Euro dürfte die Rabattaktion Luca kosten – pro Abend.

Dieser Artikel erschien zuerst bei Finance Forward. Auf dem Schwesterportal von OMR dreht sich alles rund um die Themen Fintechs, Kryptowährungen und Digital-Banking.

Längst hat sich in Berlin herumgesprochen, dass die Luca App mit aggressiven Rabatten für ihr neues Bezahlangebot wirbt. Eine App, die in der Pandemie ein rasantes Wachstum hinlegte, weil sie für die Kontaktverfolgung von Corona-Erkrankten Verträge mit den Kommunen abschloss. Rapper Smudo investierte in das Startup und tourte durch Fernseh-Shows, um die neue App zu bewerben. 40 Millionen Nutzerinnen und Nutzer sollen sich registriert haben, rund die Hälfte habe die App einmal pro Monat verwendet, hieß es in internen Präsentationen. Es war die Erfolgsstory in Deutschland im sonst so finsteren Corona-Jahr 2021.

100 Millionen Euro Umsatz seien greifbar

Doch es dauerte nicht lang, bis die ersten Zweifel am Sinn und Nutzen der Luca-App aufkamen. So häufig nutzten viele Ämter die Daten gar nicht, überhaupt hielt sich Kritik am Datenschutz hartnäckig. Schließlich kündigten die meisten Kommunen ihre Verträge mit Luca wieder, die App verlor ihre Funktionen. Das Ende eines One-Trick-Ponys?

Patrick Hennig, Gründer der Luca-App, machte weiter: Er überzeugte Geldgeber wie den umstrittenen Geldgeber Target Global und die Fintech-Gründer Ramin Niroumand und Julian Teicke, insgesamt 30 Millionen Euro zu investieren.

Die Idee für Luca 2.0. lag nahe: Mit dem altbekannten QR-Code sollten Restaurantbesucher künftig nicht nur einchecken, sondern auch das Menü abrufen, Rechnungen teilen und direkt per App bezahlen können. Für Gastronomen würden dank Luca die Paymentgebühren sinken und die Bedienungen hätten mehr Zeit für ihre Gäste, so das Verkaufsargument. Das Startup verdient an den Gebühren.

Die Pläne, die Hennig und sein Team den Investoren damals präsentierten, waren groß: Schon 2023 wollte das Team einen Umsatz von mehr als 100 Millionen Euro erreichen. Mit einem Geschäft, das Anfang dieses Jahres noch bei null Euro Umsatz war. Das belegen Unterlagen, die Finance Forward vorliegen und mit denen Luca vor der Finanzierungsrunde im April um Investoren warb. Auch von einem Sprung über die deutschen Grenzen hinaus schreibt das Startup in der Präsentation.

Krasser Gegensatz zur Realität

Viele der angekündigten Pläne sind – rund ein Jahr später – allerdings nicht aufgegangen. So warb das Unternehmen bei der Investorensuche damit, mit besonders niedrigen Marketingkosten Neukunden überzeugen zu können. Die „Nutzung der bestehenden User Base“ stellte das Startup für seine potentiellen Geldgeber als Wachstumsplan heraus. Die Werbekosten pro Neukunden würden aus diesem Grund gerade einmal bei grob 70 Cent liegen, prahlte das Unternehmen.

Die heutige Realität sieht jedoch sehr anders aus: Von den 40 Millionen Nutzerkonten war beim Neustart kein einziges mehr übrig. “Die im Rahmen der Kontaktnachverfolgung verschlüsselten User Daten waren zweckgebunden und wurden mit dem Ende der Kontaktnachverfolgung vollständig gelöscht”, bestätigte das Unternehmen auf Anfrage von Finance Forward. Hintergrund ist ein Passus in der Datenschutzgrundverordnung: Demnach dürfen Unternehmen die Daten ihrer Nutzer nur für die anfangs vereinbarten Zwecke verwenden. Ändert sich der Zweck einer App, müssen die Nutzer neu einwilligen.

So war es auch bei Luca: Wer die App nach dem Relaunch weiter nutzen wollte, musste sie zuerst mit ein paar Klicks wiederbeleben. Warum das Startup dennoch so offensiv mit seiner Reichweite warb, ließ es auf Nachfrage offen. “Wir kommentieren grundsätzlich keine internen Präsentationen, insbesondere nicht, wenn sie wie in diesem Fall offenbar in einem nicht finalen Zustand ist”, teilte eine Sprecherin mit.

Und die Rabattaktionen mit zehn bis 20 Prozent für Restaurantbesuche sind selbst für die Fintech-Szene außergewöhnlich hoch – statt mit den versprochenen 70 Cent werden die Kunden aber nun offensichtlich mit locker 15 Euro bei einer Restaurant-Rechnung geködert.

150 Restaurants statt 9.200

Auch das Wachstum bei den Restaurants lief nicht wie geplant. In der App sind rund 150 Locations zu finden. Laut Business-Plan sollte das Unternehmen bereits im Dezember bei 9.200 Restaurants sein. Gastronomen wie der Starkoch Tim Mälzer und Torsten Petersen lobten als Testimonials die Luca App in der Investorenpräsentation. Petersen, der mit seiner Enchilada Group eine der größten deutschen Systemgastronomieketten betreibt, spricht von einem „Game-Changer“, Mälzer schwärmt von einem „new level of personal experience“. In der Übersicht der Restaurants sind aber Mälzers und Petersens eigene Marken bis heute nicht zu finden. Der „Game Changer“ hat sie offenbar selbst nicht überzeugt.

Trotz der vergleichsweise niedrigen Anzahl an Restaurants dürfte Luca mit einigen Läden hohe Volumen an Zahlungen abwickeln. Man muss sich noch nicht einmal für die App anmelden, um mit Luca zu bezahlen. Nach dem Scannen des QR-Codes werden die Kundinnen und Kunden zu Bezahlangeboten wie Paypal weitergeleitet. Ob dieses Modell noch lange trägt, dürfte ziemlich fraglich sein – erst Recht, wenn Lucas Marketingkasse doch bald leer sein sollte. Denn dann könnte die Kundschaft ja wieder einfach direkt mit Kreditkarte, Girocard oder sogar Google und Apple Pay zu zahlen. Nur, leider ohne den schönen Luca-Rabatt.

Dieser Artikel erschien zuerst bei Finance Forward. Auf dem Schwesterportal von OMR dreht sich alles rund um die Themen Fintechs, Kryptowährungen und Digital-Banking.

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Redaktion Finance Forward
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