Deutsche Huff Post vor dem Aus: „Das war für viele Linkhändler wie eine Gelddruckmaschine“
Mit den Backlinks der Seite wurde jahrelang reger Handel getrieben
- „Top 14“ statt Top 5
- Andere Burda-Portale müssen Besucher zuliefern
- Mit Schmuddel-Inhalten zu (unzureichender) Google-Sichtbarkeit
- Ist der Facebook-Traffic eingebrochen?
- Zukunftsmodell: Inhalte, ohne für deren Produktion zahlen zu müssen
- Link-Verkauf – das größte Monetarisierungspotenzial der Huff Post?
- „Die Agenturen konnten da quasi jeden Kunden unterbringen“
- „Mit Huffington-Post-Links konnte ich mich selbstständig machen“
- Nischenseitenbetreiber kaufen gerne
Mit viel Tamtam war die deutschsprachige Version der Huffington Post (heute „Huff Post“) vor gut fünf Jahren gestartet. Nun kündigte Burda, der deutsche Lizenznehmer der US-Medienmarke, die Einstellung der Website zu Ende März an. Offensichtlich war die wirtschaftliche Perspektive der Huff Post Deutschland für Burda nicht mehr attraktiv genug für eine Fortführung. Relevanten Gewinn mit der Huff Post haben in Deutschland in den vergangenen Jahren wohl vor allem andere gemacht: Suchmaschinenoptimierer. OMR analysiert das Scheitern.
Die Pläne waren ambitioniert: Schon in fünf Jahren sollte die Huffington Post zur Top 5 der Nachrichtenportale gehören und einen operativen Gewinn im Millionenbereich erwirtschaften. Dieses Ziel formulierte Christoph Schuh, damaliger Vorstandschef von Burdas Digitaltochter Tomorrow Focus (heute Holidaycheck Group), im September 2013, kurz vor dem Launch der deutschen Seite, gegenüber der FAZ. Im Oktober 2018 feierte die deutsche Huff Post fünfjähriges Jubiläum. Ein halbes Jahr später, also vor wenigen Tagen, verkündete Burda das Aus des Mediums – ohne wirkliche Gründe für die Einstellung zu nennen.
„Top 14“ statt Top 5
Klar ist: In die Top 5 der deutschen General-Interest-Portale hat es die Huffington Post nicht geschafft. „Die deutsche Huff Post hat gezeigt, dass man innerhalb kürzester Zeit ein neues Nachrichtenangebot in die Top 10 führen kann“, so die deutsche Geschäftsführerin Tanja zu Waldeck in der Pressemitteilung zur Einstellung. In den aktuell noch auf der Website des Digitalvermarkters Burda Forward verfügbaren Mediadaten der Huff Post wird das Medium in der „Top 14“ der deutschen Nachrichtenportale eingeordnet – auf Platz 14.
Das verfehlte Reichweitenziel dürfte sich auch auf die Wirtschaftlichkeit der Medienmarke ausgewirkt haben. Laut IVW-Auswertung hat die deutsche Huff Post im vergangenen Jahr über Desktop- und Mobile hinweg im Durchschnitt rund 26,34 Millionen Page Impressions monatlich generieren können. Ein von OMR befragter Online-Vermarktungsexperte hält es für möglich, dass das Medienhaus mit der Website der Huff Post möglicherweise einen seitenübergreifenden effektiven Tausender-Kontakt-Preis (eTKP) von zehn Euro realisieren konnte – also je Tausend Seitenaufrufe theoretisch zehn Euro hätte umsetzen können. Bei einer Auslastung des Werbeinventars von 70 Prozent ergäbe dies rein spekulativ monatliche Umsätze von rund 184.000 Euro und einen Jahresumsatz von 2,2 Millionen Euro. Davon abgezogen werden müssen Lizenzkosten für die Marke, Personalkosten (die Huff Post soll zuletzt 13 Mitarbeiter beschäftigt haben), Technologie-Kosten und Traffic-Akquisitionskosten.
Andere Burda-Portale müssen Besucher zuliefern
Möglicherweise hat sich die deutsche Huff Post bei der kosteneffizienten Generierung von Traffic schwer getan. Um Klicks für die Huff Post zu generieren, hat Burda offenbar viele Besucher anderer hauseigener Portale zur Huff Post weitergeschoben. Nach Schätzungen des Traffic Tools Similar Web lag der Anteil des „Referral Traffics“ am Gesamtbesucheraufkommen der deutschen Huff Post im zurückliegenden Dezember bei 50 Prozent. Ein Großteil davon stammt von den Burda-eigenen Portalen Focus und Chip.
In puncto Sichtbarkeit bei Google hat sich die deutsche Huffington Post seit dem Start aus rein handwerklicher Sicht einigermaßen respektabel entwickelt – auch wenn die Tendenz innerhalb der vergangenen anderthalb Jahre rückläufig war. Das SEO-Tool Sistrix weist der Seite aktuell inen Sichtbarkeitsindex von knapp 15 zu.
Mit Schmuddel-Inhalten zu (unzureichender) Google-Sichtbarkeit
Doch von der Google-Sichtbarkeit anderer großer deutscher General-Interest-Medienmarken ist die Huff Post nach wie vor weit entfernt. Spiegel und Focus erzielen teilweise eine um den Faktor 20 bessere Sichtbarkeit.
Und sieht man sich einmal an, zu welchen Suchbegriffen die Huff Post laut Sistrix bei Google auf den ersten Plätzen rankt, wirft das Ergebnis ein wenig schmeichelhaftes Licht auf die potenzielle Qualität der Inhalte des Mediums. Ob ein solches Umfeld für Image-sensible Werbetreibende wirklich attraktiv ist, dürfte zumindest bezweifelt werden.
Ist der Facebook-Traffic eingebrochen?
Auch mit Social Media, der zweiten großen Traffic-Quelle im Web, hat sich die deutsche Huff Post offensichtlich schwergetan. 637.000 Fans verzeichnet die Facebook-Seite – das ist deutlich weniger als Bild oder Spiegel, die beide siebenstellige Fan-Zahlen verzeichnen. Hinzu kommt, dass sich seit etwa anderthalb Jahren nahezu alle Publisher auf Facebook schwertun, weil ihre organischen Reichweiten durch Algorithmusänderungen Facebooks eingebrochen sind. Darauf deutet auch der Rückgang der Interaktionsrate der Facebook-Seite der deutschen Huff Post hin.
Eine Schätzung des Tools Similar Web zum Anteil der verschiedenen Kanäle am Gesamt-Traffic der Huff Post zeigt ebenfalls einen deutlichen Rückgang des Social-Traffics ab dem März 2017.
Zukunftsmodell: Inhalte, ohne für deren Produktion zahlen zu müssen
Dabei hatten die Huff-Post-Macher große Hoffnungen in ihr für den deutschen Markt vollkommen neuartiges Konzept gesetzt. Auf der Website sollten Inhalte von angestellten Redakteuren neben den von freien Bloggern stehen. Zunächst konnte sich jeder, der wollte, als Autor für die offene Plattform registrieren und dort (nach einem Freigabeprozess) Texte veröffentlichen. „Tausende Stimmen, die sonst nicht gehört werden würden, können so an einem globalen Austausch teilnehmen. Unser Ziel ist es, nicht nur die großen Geschichten zu erzählen, sondern auch den Menschen in Deutschland zu helfen, ihre Geschichten selbst zu erzählen. In Wort, Bild und Video“, schrieb Markenmutter Arianna Huffington in einem Grußwort zum Launch der deutschen Seite.
„Unwesentlicher“ Seitenaspekt: Die freien Blogger mussten, so sie auf der Plattform publizieren wollten, ihre Inhalte zur Verfügung stellen, ohne dafür bezahlt zu werden. Das sorgte noch vor dem Start der deutschen Huff Post für eine kleine Empörungswelle im Web, weil das deutsche Huff-Post-Team bereits aktive deutsche Blogger anschrieb, ob sie auf der Plattform veröffentlichen wollen – und ihnen lediglich „Reichweite“ und angebliche Traffic-Zuwächse für ihr eigenes Blog als Vergütung anbot. „Ich gebe Ihren Vorschlag gern an meinen Vermieter, den Lebensmittelhändler, den Tankwart und die Telekom weiter. Vielleicht kann ich in Zukunft dort ja ebenfalls ohne Bezahlung alle möglichen Dinge bekommen“, .
Link-Verkauf – das größte Monetarisierungspotenzial der Huff Post?
Die versprochenen Branding- und Traffic-Effekte dürften sich bei kaum einem der Autoren wirklich eingestellt haben – so zumindest das Fazit, das drei Blogger gut ein Jahr nach dem Start zogen. Manche versuchten, mit Affiliate-Links Provisionen und damit trotzdem eine Vergütung zu generieren, andere dürften auf die Verbesserung ihrer Google-Sichtbarkeit spekuliert haben, indem sie in ihren Texten ihre eigene Website verlinkten. Und wiederum andere erkannten das möglicherweise lukrativste Einkommenspotenzial rund um die Huffington Post: den Verkauf von Links in ihren Texten auf der Seite.
Weil Google die Qualität einer Website (damals noch stärker als heute) vor allen Dingen daran misst, wie viele und welche Seiten auf sie verlinken, sind Links eine der wichtigsten Währungen in der Suchmaschinenoptimierung. Wer einen Link von einer großen Nachrichtenseite erhält, dem winkt möglicherweise eine deutliche Verbesserung der Sichtbarkeit und dementsprechend mehr Traffic. Gute Backlinks können deswegen viel Geld wert sein.
„Die Agenturen konnten da quasi jeden Kunden unterbringen“
Link-Handel ist im Online Marketing dementsprechend seit Jahren gang und gäbe. Besonders beliebt sind dabei Seiten mit großer „Domain Authority“, denen Google für das jeweilige Thema eine hohe Qualität zuweist. Bei denen ist es in der Regel nicht einfach oder nicht günstig, einen Link zu erhalten. Zumindest der erste Punkt war bei der Huffington Post anders: Weil die Blogger auf der Plattform in ihren Texten auch SEO-relevante „dofollow-Links“ platzieren konnten, gab es hier eine große Menge an Anbietern.
„Die Huffington Post war bislang als Backlink-Quelle hochattraktiv“, so Suchmaschinen-Experte Matthäus Michalik von der Berliner Agentur Claneo gegenüber OMR. „Jeder will ja Backlinks von hochwertigen Nachrichtenportalen haben. Noch dazu hat die HuffPo ein breites Themenspektrum. Das heißt, da war also Platz für Unternehmen aus allen möglichen Branchen. Das hat die Huffington Post auch für SEO-Agenturen attraktiv gemacht, weil sie deswegen dort alle möglichen unterschiedlichen Kunden unterbringen konnten.“
„Mit Huffington-Post-Links konnte ich mich selbstständig machen“
Offenbar ist sehr schnell nach dem Start der Plattform eine rege kleine Subökonomie rund um Huffington-Post-Backlinks entstanden und diese sind auf sehr vielen Listen gehandelt worden. Dabei sind die Links auch durch mehrere Hände gewandert: von Blogger zum Zwischenhändler zur Agentur zum Kunden. Jede Partei hat nochmal auf den Preis aufgeschlagen. „Das war für viele Linkbroker wie eine Gelddruckmaschine“, sagt Michalik. „Auf den Links war ja teilweise auch sehr viel Marge. Da sind Links für 200 Euro eingekauft und für 1.000 Euro weiterverkauft worden.“
„Ich habe innerhalb von 48 Stunden nach dem Start 30 Huffington-Post-Links zu jeweils 1.000 Euro verkauft“, so Martin Brosy, ein ehemaliger Linkbroker, gegenüber OMR. „Das war das Start-Budget für meine eigene Agentur.“ Später seien die Links durch das Huff-Post-Team gelöscht worden und der Broker habe einigen Kunden sein Geld zurückzahlen müssen.
Nischenseitenbetreiber kaufen gerne
Offenbar haben die Macher der Huff Post mit der Zeit versucht, die Praxis einzudämmen und den Zugang zur vorher offenen Plattformen stärker zu beschränken. Noch heute lassen sich auf der Website aber Artikel mit Links finden, die auf so genannte Nischenseiten verweisen, die von Affiliate Publishern betrieben werden – etwa zu einer Seite mit einem Zahnbürsten-Test oder einem Windel-Test.
In den USA hat die Huff Post ihre offene Blog-Plattform bereits Anfang 2018 vollständig geschlossen. 100.000 Autoren sollen angeblich bis zu diesem Zeitpunkt darüber veröffentlicht haben. Die deutsche Huff Post soll zum 31. März vollständig eingestellt werden. Ob die Seite dann auch komplett vom Netz geht oder nur einfach nicht weiter gepflegt wird, ist aktuell nicht bekannt. Am Tag der Ankündigung des Endes sollen angeblich immer noch Huff-Post-Links gehandelt worden sein.