KGO statt SEO: Auf dem Weg zum "Oliver Kahn" der Saugroboter-Tester

Um als kleiner Publisher auch im Zeitalter der KI-Suche relevant zu bleiben, sneaken sich die Macher*innen der Vergleichsplattform Home & Smart in Googles Knowledge Graph

Inhalt
  1. Sistrix-Absturz nach Google-Update
  2. PR-Offensive, um die eigene Reputation zu steigern
  3. Eine Autorenseite auf der Google-Suchseite
  4. Zugewinn an Sichtbarkeit von 100 Prozent
  5. Das Ende von Googles Such-Monopol

Die Furcht ist spürbar: Je häufiger potenzielle Kund*innen auf der Suche nach einem Produkt statt zu googeln ihren KI-Chatbot befragen, desto wertloser werden die bisherigen SEO-Strategien der Vergleichsplattformen, Ratgeberseiten und Online-Händer. Längst tingelt ein Heer selbsterklärter AI-Search-Expert*innen durch die sozialen Netzwerke, um einer nervösen Branche Tipps zu verkaufen, wie sie auch im Post-Suchschlitz-Zeitalter noch gefunden werden. Oder man macht es wie die Vergleichsplattform Home & Smart. Die hat beinahe aus Versehen einen Weg gefunden, ihre Chance zu steigern, in Antworten künftiger Chatbots aufzutauchen. OMR hat mit Home-&-Smart-Geschäftsführer David Wulf darüber gesprochen, wie sich auch kleine Player im E-Commerce-Business in Sachen Sichtbarkeit in der KI-Suche besser aufstellen können.

Zunächst ging es gar nicht um KI-Bots. Der eigentliche Anlass, warum man sich bei Home & Smart auf die Suche nach einer Alternative – oder zumindest Ergänzung – zur klassischen SEO-Strategie machte, war ein Google Update. Im September 2023 hatte die Suchmaschine mal wieder an ihrem Algorithmus geschraubt. Als Ergebnis verzeichnete Home & Smart wie einige andere Vergleichs- und Ratgeber-Plattformen auch einen drastischen Abstieg im Ranking der Suchergebnisse. 

Sistrix-Absturz nach Google-Update

Zu Beginn des Jahres 2023 erreichte die Site von Home & Smart noch einen Sistrix-Sichtbarkeitsindex von zehn. Zwölf Monate später war der Wert auf vier gefallen – ein Minus von 60 Prozent. Als Grund vermutet Wulf das von Google im Herbst ausgerollte "Helpful Content"-Update. Mit dem wollte die Suchmaschine oberflächliche – und womöglich KI-generierte – SEO-Texte gegenüber von Expert*innen oder Fans mit tiefgehender Expertise kreiertem Content abwerten.    

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David Wulf ist CEO von Home & Smart, einem B2C-Portal für Smart Home, E-Mobilität und IoT. Außerdem arbeitet er als SEO-Experte und -Coach. Foto: David Wulf

Natürlich stand für Wulf und sein Team außer Frage, dass es sich bei den Testberichten, Hintergrundartikeln und Kauftipps auf der Website von Home & Smart um hilfreiche Inhalte handelt. Doch auf welchem Weg sollte der vergleichsweise kleine Publisher das Google mitteilen? Als Hebel dafür identifizierten Wulf und seine Leute die Reputation der Website und ihrer Autor*innen. "Wir wollten Google zeigen, dass unser Content wirklich von Menschen geschrieben wird und dass es die Home & Smart GmbH wirklich gibt", sagt Wulf. 

Es wurde das Ziel ausgegeben, dass möglichst jede*r Autor*in von Home & Smart einen Eintrag in Googles Knowledge Graph erhält. In dieser Datenbank speichert die Suchmaschine Fakten über Personen, Orte und Dinge, um sie direkt neben oder über den Suchergebnissen anzeigen zu können. Googelt man beispielsweise nach der Rapperin Shirin David bekommt man neben Fotos auch ihren Geburtstag, eine Preview ihres aktuellen Hits "Bauch, Beine, Po" sowie Infos zu ihren Social-Profilen angezeigt. 

PR-Offensive, um die eigene Reputation zu steigern

Was bislang SEO war, könnte künftig also KGO sein – Knowledge Graph Optimization. Und diese Disziplin steht gerade erst am Anfang. Als Wulf vor einigen Monaten über eine spezielle Ansicht der Google-Suche das Profil zu seinem Namen im Knowledge Graph checkte, war dieses, nu ja, ausbaufähig. Ein Foto von ihm war hinterlegt, über den Suchergebnissen zeigte Google auf einer Kachel einen Regisseur gleichen Namens. Es galt also Googles Algorithmen mitzuteilen: David Wulf und seine Mitarbeitenden haben jede Menge Expertise zu den Themen Staubsaugerroboter, Smart Home und Balkonkraftwerke. Und darum investierte der Publisher zunächst einmal in PR.

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Der noch rudimentäre Eintrag bei Start der KGO-Maßnahmen. Screenshot: David Wulf

"Wir haben versucht, an so vielen Stellen im Web wie möglich sichtbar zu werden", sagt Wulf. Sie begannen damit, jede Interview-Anfrage von Medien anzunehmen, keine Bitte um einen Gastbeitrag auszuschlagen und Social-Media-Profile auf- und auszubauen. Von Facebook über Linkedin bis Crunchbase publizierten sie ihre Artikel so breit wie es nur ging. "Wir waren überall, wo man Content veröffentlichen kann", sagt Wulf. Und weil man nie genau weiß, wo Googles Bots nach Informationen suchen und wie die Quellen gewichtet werden, luden Wulf und seine Leute Versionen ihrer Beiträge sogar bei Slideshare hoch.

"Oft heuern wir Autoren an, die im Web keine Repräsentanz haben", sagt Wulf. Während Google für Journalist*innen, die schon länger im Job sind, irgendwann automatisch eine sogenannte Entität in seinem Knowledge Graph anlegt, sind die Newbies von Home & Smart unbeschriebene Blätter. Umso wichtiger sei es, so Wulf, der Suchmaschine Indizien vorzulegen, dass hinter den als Autor*innen auf der Website genannten Köpfen keine "gebastelten" Profile, sondern reale Personen steckten. 

Eine Autorenseite auf der Google-Suchseite

Wie gut diese Strategie im Fall von Home & Smart funktioniert hat, hat Wulf durch Screenshots dokumentiert. Zunächst umfasste der Eintrag zu seinem Namen nur Foto. Nach einiger Zeit kam dann eine Info-Box dazu. Später zeigte Google dann statt des winzigen Fotos ein größeres Porträt. Noch später wurde schließlich ein Verweis auf Wulfs Linkedin-Profil integriert. Am Umfang des Panels, auf dem Google Informationen zu einer Person innerhalb der Suchergebnisse gebündelt darstellt, könne man messen, wie gut eine Entität im Knowledge Graph repräsentiert sei, so Wulf.

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Langsam wirkt die Content-Offensive. Screeenshot: David Wulf

Dieser Prozess lässt sich aber nicht nur über eine gesteigerte Online-Präsenz und somit quasi über Bande beschleunigen. Google gibt Personen die Möglichkeit, ihre Entität zu beanspruchen. Nachdem man seine Identität nachgewiesen hat, kann man seine Google Entität – also seine eigene Repräsentanz im Knowledge Graph – um weitere Informationen erweitern. Dort lassen sich dann Social-Profile verlinken. Angaben zu Geburtsdatum oder Familienstand erhöhen die Glaubwürdigkeit des Profils weiter. Per Screenshot kann Wulf belegen, dass Google das Teilen von Informationen belohnt.

Sein erklärtes Ziel, ein Panel im Umfang von dem zu Oliver Kahn, habe er zwar noch nicht erreicht, so Wulf, aber doch schon einen entscheidenden Schritt getan, um unabhängiger von klassischen Maßnahmen zur Steigerung der Sichtbarkeit zu werden. Früher hätten SEO-Berater*innen einem Publisher als erstes geraten, Autorenseiten für ihre Mitarbeitenden anzulegen, sagt Wulf. "Ich habe jetzt zusätzlich eine Autorenseite auf der Google-Suchseite."

Zugewinn an Sichtbarkeit von 100 Prozent

Auch mit Blick auf Home & Smart scheint die Strategie aufgegangen zu sein. Nachdem die Sichtbarkeit im März 2024 auf einen Sistrix-Index von nur noch 3,5 gefallen war, geht es inzwischen wieder bergauf. Aktuell liege man bei sieben, so Wulf. Inwiefern das ein unmittelbarer Effekt der Knowledge-Graph-Optimierung ist, kann Wulf nicht mit Sicherheit sagen. Die Indizien sprechen zumindest dafür. Auch wenn die Idee zu KGO nicht neu sei, würden nur wenige diese Möglichkeit tatsächlich konsequent nutzen, so Wulf. Und gut möglich, dass Google der eigenen Datenbank umso mehr Gewicht verleiht, je mehr KI-Content das Web flutet. 

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Ein Eintrag schon fast auf Oli-Kahn-Niveau. Screeenshot: David Wulf

Sollte KI-Suche sich zur relevanten Größe neben Google etablieren, dürfte die Bedeutung von Datenbanken mit validierten Informationen wie dem Knowledge Graph noch zunehmen. "KIs wie wir sie heute kennen, sind Erzählmaschinen", sagt Wulf. Sie operieren mit Wahrscheinlichkeiten. Ob sie Sinnzusammenhänge richtig wiedergeben, hängt am Ende davon ab, wie stark diese in den Daten vertreten waren, mit denen die KI-Modelle trainiert wurden. 

Entsprechend lautet ein häufiger Rat an Marken, dass sie alles versuchen sollen, die Präsenz ihrer Produkte im Kontext von deren USPs in potenziellen Trainingsdaten zu stärken. Dass also etwa im Fall eines besonders regenfesten Fußballschuhs das Modell immer im Zusammenhang mit dieser Eigenschaft erwähnt wird. Chefredakteur Roland Eisenbrand weist in der OMR-Keynote 2024 ebenfalls auf diese Methode hin. Google hat einen entsprechenden Deal über die Nutzung des User Generated Content auf Reddit als Trainingsdaten für seine KI-Modelle abgeschlossen. Das Problem dabei: Diese Herangehensweise ist äußerst spekulativ, aufwendig und entsprechend teuer. Damit der Ansatz wirklich Erfolg verspricht, müsse es einem gelingen, Tausende, wenn nicht Millionen von Nennungen zu generieren, so Wulf. "Das wird für kleinere Brands schwierig werden, dort repräsentiert zu sein." 

Das Ende von Googles Such-Monopol

Hinzu komme dass viele KI-Modelle zwar oft richtig liegen, für verlässliche Ergebnisse aber noch immer viel zu häufig vermeintliche Fakten zusammenhalluzinieren. Wulf denkt darum, die "nächste Evolutionsstufe ist, dass die KI-Systeme mit Wissen kombiniert werden." Als Indiz dafür sieht er die Beobachtung, dass in Googles AI Overviews – bislang nur in den USA ausgerollte von KI generierte Snippets – Personen und Firmen auftauchen würden, die auf in den obersten Einträgen des organischen Rankings vertreten seien. Hinter dieser Korrelation müsse kein kausaler Zusammenhang stecken, so Wulf. Aber er schließe daraus, "dass die KI-Suche sich bei den – in Anführungsstrichen – traditionellen Suchergebnissen bedient und diese lediglich mit KI-Technologie anders darstellt".

Dass sich der Aufwand lohnt, den Home & Smart betreibt, um die eigene Präsenz im Knowledge Graph zu stärken, davon ist Wulf auf jeden Fall überzeugt. Er geht davon aus, dass KI-Tools wie das angekündigte SearchGPT von OpenAI Googles Such-Monopol angreifen werden. "Wir werden künftig aus diversen Apps und Tools mit hohen Nutzerzahlen Eintrittspunkte zu einer Suche bekommen", sagt der Geschäftsführer von Home & Smart. Und darum könnte künftig viel breiter gelten, was heute für SEO und damit für die Google-Suche gilt: "Dort kommen Leute mit einem Bedarf zu dir", sagt Wulf, "und deshalb ist dieser Traffic so besonders wertvoll."

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Christian Cohrs
Autor*In
Christian Cohrs

Editor & Content Strategist bei OMR und Host des FUTURE MOVES-Podcasts. Zuvor war er Redaktionsleiter des Wirtschaftsmagazins Business Punk in Berlin, Co-Autor des Sachbuchs "Generation Selfie".

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