Alibi-Preisvergleiche & Kickbacks: Die kuriosen Folgen der EU-Strafe gegen Google Shopping

Martin Gardt8.10.2018

Mit einem Guthaben-Programm will Google den Wettbewerb um Google Shopping ankurbeln

Google Shopping CSS
Google Shopping CSS
Inhalt
  1. Google Shopping auslagern, um weiteren Strafen aus dem Weg zu gehen
  2. Mit Incentives zu mehr Wettbewerb
  3. Wozu überhaupt Bonus für Wettbewerber?
  4. Nur Marketing-Kanal statt Konkurrenz-Helfer?
  5. Agenturen und Schrott-Preisvergleiche steigen ein
  6. Update (10. Oktober 2018)

Agento24, Shoparade, Preistip.de – es sind merkwürdige, teilweise offenbar nur rudimentär funktionierende Preissuchmaschinen, die seit Kurzem innerhalb von Googles Shopping Ads auftauchen. Der Grund: Nachdem die EU gegen Google eine Rekordstrafe von 2,42 Milliarden Euro Bußgeld verhängt hat, muss der Konzern aus Mountain View seine Shopping-Suche für andere Produktsuchen und Preisvergleiche öffnen. OMR erläutert die Hintergründe sowie ihre Konsequenzen für den Markt und zeigt, welche kuriosen Blüten die Entwicklung treibt.

Die Meldung sorgte im Juni 2017 für Aufsehen: Die EU-Kommission verdonnert Google zu einem Rekord-Bußgeld von 2,42 Milliarden Euro. Die EU-Kommissarin für Wettbewerb Margrethe Vestager sagte damals: „Google hat (…) seine marktbeherrschende Stellung als Suchmaschinenbetreiber missbraucht und seinen eigenen Preisvergleichsdienst in seinen Suchergebnissen ganz oben platziert und Vergleichsdienste der Konkurrenz herabgestuft.“ Google sollte in der Folge seine Shopping-Suche umstellen, um keine weiteren Strafen zu riskieren.

Google Shopping erlaubt es Händlern, ihre Produkte mit Foto, Preis und Link prominent in der Shopping-Suche, aber auch in der normalen Google-Suche zu platzieren. Bis zur Strafe durch die EU-Kommission mussten Händler diese Anzeigen direkt bei Google buchen. Vor allem Preissuchmaschinen sehen ihr Geschäftsmodell durch die Funktion in Gefahr. Seit Oktober 2017 können nun auch Preisvergleiche für die Händler, mit denen sie zusammenarbeiten, Google-Shopping-Anzeigen schalten. Aber löst das wirklich das Problem dieser Services?

Google Shopping Ads

Typische Google-Shopping-Ads. Externe Anbieter sind unter der Energieklasse vermerkt.

Google Shopping auslagern, um weiteren Strafen aus dem Weg zu gehen

Seit 2013 versucht Google bei der Gestaltung des Shopping-Services einen Kompromiss mit der EU Kommission zu finden. Insgesamt drei Vorschläge, die zu mehr Wettbewerb bei Google Shopping beitragen sollten, wurden von der Kommission abgelehnt, dann folgte die Rekord-Strafe. Jetzt will Google im vierten Versuch alles richtig machen. Dazu lagert der Konzern Google Shopping aus und lässt die Abteilung selbst an den Auktionen um die Werbeplätze im Shopping-Bereich teilnehmen – auf Augenhöhe mit Preisvergleichsseiten (CSS – Comparison Shopping Sites), die als Partner an Bord sind (u.a. Guenstiger.de, Billiger.de und Shopping24). Schließlich war einer der EU-Kritikpunkte, dass Google Wettbewerbern nicht die Chance gab, auf die Ad-Platzierungen zu bieten. Als Google-Statement aus den USA bekam OMR dazu diesen Satz: „Google Shopping complies with the European Commission’s order – we give comparison shopping services the same opportunity to show ads from merchants on Google’s Search results page as we give to Google shopping.“

Laut EU-Kommissarin Margrethe Vestager habe es in den vergangenen Monaten einen gleichmäßigen Anstieg von Konkurrenz-Anzeigen bei Google Shopping gegeben. Im März 2018 seien 15 Prozent der Anzeigen von Dritten gekommen, im Juni läge die Zahl bei über einem Drittel. Die Zahl der Klicks auf die Ads der Konkurrenz sei von 2,5 Prozent im Februar auf 6,1 Prozent gestiegen. Insgesamt sei es noch zu früh, um sagen zu können, ob die Maßnahmen von Google ausreichen, um weitere Strafen zu vermeiden. Damit in naher Zukunft sicher gestellt ist, dass kein weiteres Bußgeld folgt, kurbelt Google den Wettbewerb jetzt mit einem Guthaben-Programm für Preisvergleichsseiten an.

Mit Incentives zu mehr Wettbewerb

Google muss also zwei Aufgaben erledigen: Die Anzeigen der Wettbewerber müssen häufiger ausgespielt werden und das Auktionsverfahren um diese Plätze muss fair verlaufen. Beim ersten Punkt ist ja ein erster Schritt gemacht. Allerdings zeigt sich auch, dass Händler und Produktsuchmaschinen noch vorsichtig sind. „In erster Linie ist das ein Marketing-Kanal für Händler. In dem Sinne, dass viele Nutzer ihre Recherche bei Google beginnen und dort sehr prominente Shopanzeigen vorfinden, konkurrieren diese Anzeigenplätze auch direkt um die Aufmerksamkeit von Nutzern, die kurz vor einer Kaufentscheidung stehen“, sagt eine Guenstiger.de-Sprecherin gegenüber OMR. „Unsere Shop-Partner sollen den bestmöglichen Umsatz aus dem eingekauften Traffic erzielen. Nur darum geht es.“

Damit Google also auf ein ausgeglicheneres Verhältnis zwischen selbst (also über die Google-Shopping-Abteilung) und von Dritten geschalteten Shopping-Anzeigen erreicht, muss noch etwas passieren. Deshalb hat Google ein Guthaben-Programm namens SpendMatch ins Leben gerufen. Bis Ende Oktober 2018 können Händler, die Shopping-Anzeigen über CSS-Partner buchen, bis zu 32.000 Euro pro Monat auf ihr Ads-Konto gutgeschrieben bekommen. Ab November kann es für große Händler, die viel bei Google Shopping ausgeben, sogar bis zu 100.000 Euro als Ad-Kredit geben.

Wozu überhaupt Bonus für Wettbewerber?

Das zweite Problem für Google äußert sich in der Unsicherheit vieler Händler und Preisvergleiche. Wie soll das Bieten auf Werbeplätze gegen eine Abteilung von Google selbst überhaupt funktionieren? Normalerweise behält Google bei den Anzeigen, die von Händlern über das eigene Shopping-Produkt geschaltet werden, die komplette Marge. Bei Anzeigen, die von den CSS-Partnern gebucht werden, verbleiben 80 Prozent der Marge bei Google, 20 Prozent behält die Preissuchmaschine.

Da Google aber so oder so einen Großteil des Profits einbehält, könnte der Konzern entscheiden, einfach niedrigere Gebote abzugeben und so CSS-Partner Auktionen um die Werbeplätze öfter gewinnen lassen. Gegenüber der EU-Kommission hat Google erklärt, die eigenen Gebote zumindest bei 80 Prozent dessen zu begrenzen, was der Händler maximal bereit wäre, zu zahlen. So soll mehr Wettbewerb möglich werden. Da das aber offenbar nicht ausreicht, um schnell den Anteil an von Dritten ausgespielten Anzeigen signifikant zu erhöhen, versucht Google mit dem Guthaben-Programm stattdessen, die Gebote der CSS-Partner weiter zu erhöhen.

Nur Marketing-Kanal statt Konkurrenz-Helfer?

Für die Preissuchmaschinen gibt es aber weiterhin ein Problem: Am Ende bekommen sie weiterhin keine besonders hohe Sichtbarkeit und auch kaum Traffic über Google Shopping. „Ein Klick auf die Vermittler/Lieferanten der Anzeige bringt Nutzer zu unseren Seiten, allerdings sind das sehr wenige. Natürlich würden wir Nutzern gerne auf unsere Preisvergleichsseiten lenken und dort unser Können unter Beweis stellen: Alternative Angebote, ein echter Preisvergleich und viele Funktionen, die Mehrwert stiften“, sagt die Guenstiger.de-Sprecherin gegenüber OMR. Nur ein Klick direkt auf den Namen des CSS-Partners (z.B. Guenstiger.de) führt zum Preisvergleich. Ein Klick auf das Artikelbild, den Namen des Artikels oder den Preis führt jeweils direkt zum Shops des Händlers, der die Google-Shopping-Anzeige über den Preisvergleich gebucht hat.

Für Händler wie zum Beispiel Otto ist Google Shopping dadurch weiterhin ein extrem spannender Kanal – vor allem weil sie über den eigenen CSS noch günstiger Anzeigen schalten können. „Otto hat bereits im April mit Shopping24 [Tochter-Unternehmen von Otto, d. Red.] als CSS-Partner erste Kampagnen bei Google Shopping geschaltet – vor allem, um frühzeitig das Potenzial einschätzen zu können“, sagt Christina Volz, Online Marketing Manager PSM bei Otto, zu OMR. „Aktuell läuft immer mehr Traffic bei Google Shopping über Shopping24. Zusätzlich testen wir noch zwei weitere Partner im kleineren Rahmen.“ Ihr Kollege Nick Wübbena, ebenfalls Online Marketing Manager PSM bei Otto, fügt hinzu: „Die Kampagnen über Shopping24 laufen nach erfolgreichem Ausbau und unabhängig vom SpendMatch-Programm absolut überzeugend.“ Google Shopping wird hier einfach als weiterer Kanal gesehen. Preisvergleiche werden so zum reinen Platzierer der Anzeigen-Gebote – eher Agentur als eigener Service.

Agenturen und Schrott-Preisvergleiche steigen ein

Auch deshalb reagiert der bekannte Preisvergleich Guenstiger.de zurückhaltend, wenn es um die Einschätzung geht, ob Googles Maßnahmen ausreichen, um fairen Wettbewerb zu ermöglichen: „Wir kommentieren die wettbewerbsrechtliche Dimension dieser Maßnahme nicht – vor allem nicht die Frage, ob eine Teilnahme an einer bezahlten Werbeform eine ausreichende Kompensation der aufgeführten Diskriminierung der Vergangenheit sein kann“, so die Guenstiger.de-Sprecherin. Was für klassische Preisvergleiche außerdem zum Problem werden kann, ist neue Konkurrenz, die durch das Guthaben-Programm und den gut funktionierenden Google-Shopping-Kanal angezogen wird. Denn unter den 71 CSS-Partnern, die Google derzeit für Deutschland aufführt, finden sich eben nicht nur Preisvergleiche sondern vermehrt Angebote von Digital-Agenturen. Und die werben auch aggressiv – mit Werbeversprechen von 20 bis 50 Prozent Rabatt – in der Google-Suche für ihre Services.

Agenturen CSS Google Shopping

Agenturen schalten aggressiv Werbung für ihre Preisvergleich-Services.

Das nimmt dann zum Teil absurde Formen an. Denn die Agenturen müssen erst einmal einen eigenen Preisvergleich aufbauen, auf dem sie dann die Produkte der Partner-Händler platzieren können. Denn auch wenn es nur wenige Kunden gibt, die wirklich unter der Google-Shopping-Ad auf den Link zum Preisvergleich klicken, muss trotzdem eine Produktseite dahinter liegen. Diese schnell gebauten Produktsuchen sind dann jedoch kaum diesen Namen wert. Die Agentur Ad Agents hat zum Beispiel die Seite Agento24 auf den Markt geworfen. Wer hier „Fernseher“ in die Suche eingibt, bekommt zuerst ein Puppenhaus und ein Playmobil-Set angezeigt. Weitere Anbieter – vor allem aus Großbritannien haben ähnliche Alibi-Preisvergleiche gebaut.

Suchergebnis Google Shopping

Das Suchergebnis für „Fernseher“ bei der Produktsuche der Agentur Ad Agents.

Hier geht es am Ende einfach darum, Google-Shopping-Anzeigen für Händler zu buchen und nicht echte Preisvergleiche zu bieten. Viele Agenturen werben mit ihrem Service auch aggressiv in der Google-Suche. So könnte Google Shopping in seiner jetzigen Form für die echten Service-Anbieter noch weitere Auswirkungen haben, weil Preisvergleiche und Preissuchmaschinen so von vielen Nutzern gar nicht mehr wahrgenommen werden, oder eben nur noch als schrottige Produktliste. Und trotz allem spielen Anbieter wie Guenstiger.de das Spiel mit. Das Unternehmen hat mit Preis.info sogar noch ein Tochterunternehmen als CSS-Partner am Start. Dadurch könne man unterschiedliche Bidding-Strategien gegeneinander testen, so eine Sprecherin gegenüber OMR. „Wir nutzen dies zum Optimieren von Kampagnen und um schnellere Lerneffekte zu erzielen in Bezug auf die Qualität (Konversion, Cost-Of-Sale) des von Google gelieferten Traffics.“ Das ist ein weiterer Effekt der neuen Google-Shopping-Welt: Agenturen werden Preissuchmaschinen – und Preisvergleichsseiten immer mehr zur Agentur.

Update (10. Oktober 2018)

Die Agentur Ad Agents hat sich uns gegenüber noch einmal zu dem Thema geäußert. Arne Bauer aus der Kommunikationsabteilung sagt zum Thema Alibi-Preisvergleiche: „Wir möchten dieser Ansicht gar nicht widersprechen. Es ist nicht unser Anspruch, mit den großen Preisvergleichsseiten mitzuhalten. Dennoch möchten wir unseren CSS agento24 klar von unseriösen Preisvergleichen abgrenzen. Schon um zertifizierter Google CSS-Partner zu werden muss man grundlegende Vorgaben erfüllen. Als Agentur sind wir gewissermaßen gezwungen, das Spiel mitzuspielen und unseren Kunden das Schalten von Shopping Anzeigen über unseren CSS agento24 anzubieten (wie unser Geschäftsführer Wolfgang Schilling bereits unter dem Beitrag kommentierte). Denn für Werbetreibende ermöglichen CSS tatsächlich deutliche Einsparungen – zumindest aktuell noch.“

Vielen Dank an Carlo Siebert für den Hinweis auf das Thema.

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Autor*In
Martin Gardt

Martin kümmert sich vor allem um neue Artikel für OMR.com und den Social-Media-Auftritt. Nach dem Studium der Kommunikations- und Medienwissenschaft ging er zur Axel Springer Akademie, der Journalistenschule des Axel Springer Verlags. Danach arbeitete er bei der COMPUTER BILD mit Fokus auf News aus der digitalen Welt und Start-ups. Am Wochenende findet Ihr ihn auf der Gegengerade im Millerntor.

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