Fitvia: Dieser deutsche Hidden Champion macht achtstellige Umsätze mit Detox-Tee

Martin Gardt21.8.2018

Das Wiesbadener Unternehmen arbeitet dank Influencer Marketing schon seit 2014 profitabel

Fitvia Tee
Fitvia Tee
Inhalt
  1. Tee für eine neue Zielgruppe
  2. First Mover mit Influencern
  3. Heute umkämpfter Influencer-Markt
  4. Jeden Monat neue Produkte
  5. Inkubator für Social-Media-Unternehmen

In den USA machen Startups, die teure Detox-Tees verkaufen, Millionen-Umsätze – in die Köpfe der Kunden kommen sie größtenteils durch Influencer Marketing. Ein deutsches Unternehmen, das bisher ohne große Aufmerksamkeit agiert, spielt in der Branche schon seit 2014 mit. Wir zeigen, wie Fitvia von Wiesbaden aus zur größten Social-Media-Marke im Healthy-Living-Bereich werden will und warum Influencer Marketing dabei auf Jahre eine zentrale Rolle spielen soll.

FitTea, SkinnyMint, Flat Tummy Tea, TinyTea Teatox, Naked Me Tea, Beatea, ShowGirlSlim, Lyfe Tea, My Beauty Tea, Skinny Bunny Tea, Teatox: Die Liste an Tee-Startups, die versprechen, dass ihre Produkte beim Abnehmen oder Entschlacken helfen, ist lang. Die meisten kommen aus den USA und machen mit den großen Influencern dieser Welt (z.B. Kylie Jenner) Geschäfte. Wir hatten schon 2016 beschrieben, wie eine ganz neue Branche mit bekannten Gesichtern große Reichweiten aufbaut und Millionen verdient. Denn meist kosten die Tees deutlich mehr, als das typische Produkt im Supermarkt. Der Detox-Trend hat Tee zu einem Lifestyle-Produkt gemacht. In Europa spielt ein bisher wenig beachtetes deutsches Unternehmen dabei ganz vorne mit.

Tee für eine neue Zielgruppe

Sebastian Merkhoffer

Fitvia-Gründer Sebastian Merkhoffer

„Es gab 2014 einfach keine coolen Tee-Marken für junge Leute im Supermarkt. Und Teetrinken hatte den Ruf, nur etwas für Alte und Ökos zu sein“, sagt Fitvia-Gründer Sebastian Merkhoffer gegenüber OMR. Nach seinem Studium hatte er nach Themen für ein eigenes Unternehmen gesucht und als Teetrinker bemerkt, wie angestaubt die ganze Branche agierte. Vor allem hätten etablierte Player die Wirkung von Tee an eine Gesundheits-bewusste Zielgruppe zu wenig vermarktet. „Ich habe mir dann 500 Euro von meinem Vater geliehen und Tee nach Hause bestellt. Ich habe die ersten Packungen dann im Wohnzimmer gepackt und das ganze Haus roch nach Tee“, so der Fitvia-Gründer. Damals hätten ihn seine Eltern noch für verrückt erklärt.

Wie die Wettbewerber aus den USA verkauft Fitvia Tee in ansprechender (man will sagen „hipper“) Verpackung. Inhaltsstoffe sind zum Beispiel Ingwer, Beeren, Brennessel oder Lemongras, typische Wirkungen sind „Leichtigkeit“, „Harmonie“ oder „Hydration“. 100 Gramm der meisten Tees kosten 25 Euro, bei einigen Sorten sind es etwa 20 Euro. Es gehört also einige Überzeugungsarbeit dazu, Tee für solche Preise im großen Stil zu verkaufen. „Ich habe die verschiedensten Marketing-Kanäle getestet: Facebook, Google, Performance. Keiner hat so richtig funktioniert“, sagt Merkhoffer. Erst mit einer zur Anfangszeit des Unternehmens 2014 noch kaum genutzten Strategie kommt die Wende für Fitvia.

Fitvia-Shop

Fitvia-Produkte

First Mover mit Influencern

„Ich war privat auf Instagram unterwegs und dachte: Da haben Mädels große Reichweiten, was zahle ich eigentlich für 20.000 Kontakte?“, so Sebastian Merkhoffer. „2014 war Influencer Marketing eigentlich noch nicht existent und deshalb habe ich die Mädels einfach auf Instagram angeschrieben.“ Gleichzeitig habe er den Instagram-Account des Unternehmens gegründet, der heute 112.000 Abonnenten hat. Immer, wenn eine Influencerin ein Produkt vorstellte, seien extrem viele Bestellungen reingekommen.

„Seit den ersten Erfolgen ist Influencer und Social Marketing das Steckenpferd. Bis heute haben wir das auch über Kanäle wie Youtube und Facebook immer weiter skaliert“, sagt der Fitvia-Gründer. Zu Beginn des Influencer-Hypes habe Fitvia Influencern mit um die 20.000 Followern einfach kostenlos Produkte zur Verfügung gestellt, um ein paar Posts als Gegenleistung zu bekommen. Das Geschäft läuft mittlerweile bekanntlich ganz anders.

Heute umkämpfter Influencer-Markt

„2014 reichten noch kostenlose Produkte als Influencer-Bezahlung, heute bemerken wir fast jedes Quartal Preisanstiege“, sagt Fitvia-Gründer Merkhoffer. In den vergangenen Jahren hat das Team zwar weiterhin mit kleineren und mittelgroßen Influencern (Reichweite 10.000 bis 50.000 Follower) zusammengearbeitet, sich aber mehr und mehr auf bekannte Gesichter konzentriert. Dazu zählen Reality-TV-Stars der RTL-II-Show „Berlin – Tag und Nacht“, Darsteller von „Gute Zeiten, Schlechte Zeiten“ oder „Deutschland sucht den Superstar“-Teilnehmer. Derzeit sei zum Beispiel Sarah Lombardi (knapp 890.000 Instagram-Abonnenten) ein typischer Fitvia-Influencer.

„Die große Challenge im Influencer Marketing ist heute, zwischen all den Produktplatzierungen herauszustechen. Deshalb arbeiten wir bei der Content-Erstellung sehr eng mit den Influencern zusammen“, sagt Merkhoffer. Ein Inhouse-Team spreche die Inhalte sehr genau mit den Influencern oder ihren Agenturen ab und liefere auch selbst Ideen. Darüber hinaus versuche sich das Unternehmen durch Events und Reisen mit den Influencern abzusetzen. Zuletzt sei Fitvia mit Sarah Lombardi nach Dubai gereist, um da neuen Content zu erstellen. Wie auch bei der Auswahl der Influencer gelte für die Marketing-Ziele eine gesunde Mischung. Laut Gründer Merkhoffer ist Influencer Marketing je zur Hälfte Branding- und Performance-Kanal. Kampagnen-Erfolge messe er vor allem über Gutschein-Codes. In Zukunft seien vermehrt gemeinsame Produkte mit Influencern geplant – so könne Fitvia diese noch näher an die Brand binden.

Neben Instagram bespiele Fitvia weiterhin Youtube und Facebook intensiv und auch Snapchat sei noch ein effektiver Kanal – zumindest in manchen europäischen Ländern. Auf Instagram entscheide die gesunde Mischung aus klassischen Posts und Stories-Beiträgen über den Erfolg einer Kampagne. Stories nutze Fitvia vor allem, um neue Produkte genau zu erklären (oder von Influencern erklären zu lassen). Deutlich über 50 Prozent des Marketing-Budgets gebe das Unternehmen für Influencer Marketing aus, der Rest stecke größtenteils in Retargeting-Kampagnen über klassische Performance-Kanäle (nachdem Nutzer über Influencer auf die Fitvia-Seite gekommen sind). Retargeting sei laut Merkhoffer nötig, weil viele Nutzer sich zwar mobil über die Produkte informieren, aber nicht immer am Smartphone bestellen würden.

Jeden Monat neue Produkte

„Wir wollen die führende Social-Media-Marke im Bereich Healthy Living werden – mit der klaren Zielgruppe 18 bis 35-jährige Frauen“, sagt der Fitvia-Gründer. Zwei Strategien sollen das Unternehmen da hinführen: Ausbau der Produktpalette und Internationalisierung. „Wir führen pro Monat ein bis zwei neue Produkte ein“, so Merkhoffer. Neben Tee verkauft Fitvia Snack-Riegel, Kapseln für schönere Haut, Milchshake-Pulver, Eistee, Thermosflaschen und weiteres Zubehör. Dabei schweife der Blick gar nicht so oft in die USA und auf die Art und Weise, wie die großen Tee-Player dort ihr Sortiment weiterentwickeln. Vielmehr würden viele Follower in den Social Kanälen nach neuen Produkten fragen, die Fitvia dann auch produziert.

In Sachen Internationalisierung vertraut das Unternehmen auf die gleichen Mechanismen, die auch auf dem Heimatmarkt funktioniert haben. Ausländische Influencer werben auf ihren Kanälen für die Produkte, es gibt große Fitvia-Social-Kanäle für Frankreich (200.000 Abonnenten) und Spanien (65.000 Abonnenten), das Unternehmen verkauft darüber hinaus auch nach Polen, Großbritannien und Italien.

Inkubator für Social-Media-Unternehmen

„Seit der vierten Woche ist das Unternehmen profitabel“, sagt Merkhoffer. Er und seine 50 Mitarbeiter sitzen in Wiesbaden (das soll auch so bleiben) und verzeichnen derzeit einen achtstelligen Jahresumsatz. Bis heute sei kein Investor an Bord und alles immer aus dem Cashflow bezahlt worden. Dennoch gibt es Kontakte zu Investoren und Business Angels. Schon früh vom Social-Erfolg von Fitvia angezogen, kommen Lesara-Gründer Roman Kirsch und Serien-Gründer Pascal Zuta als beratende Business Angel dazu. Und Merkhoffer geht mit Zuta noch einen Schritt weiter. Ihre Idee: ein Inkubator für Social-Media-Brands. Sie gründen Ende 2015 gemeinsam mit Bjoern Keune das Projekt Hype Brands, das Keune und Gennadi Tschernow in Berlin operativ führen.

Hype Brands heißt heute Invincible Brands und wurde Anfang 2018 für einen hohen zweistelligen Millionenbetrag an einen englischen Private-Equity-Fonds verkauft. Bis heute hat das Unternehmen die Eigenmarken HelloBody (Naturkosmetik), Natural Mojo (Superfood) und I Am Kamu (Accessoires) aufgebaut. Der Strategie-Input von Merkhoffer ist zu spüren. Viele der Influencer, die mit Fitvia zusammen arbeiten, werben auch für diese Firmen. Nach Angaben von Invincible Brands erwirtschaftete das Unternehmen zum Zeitpunkt des Verkaufs 30 Millionen Euro. Das ist heute also mit Influencern in der Nische zu verdienen.

Influencer MarketingInstagram
MG
Autor*In
Martin Gardt

Martin kümmert sich vor allem um neue Artikel für OMR.com und den Social-Media-Auftritt. Nach dem Studium der Kommunikations- und Medienwissenschaft ging er zur Axel Springer Akademie, der Journalistenschule des Axel Springer Verlags. Danach arbeitete er bei der COMPUTER BILD mit Fokus auf News aus der digitalen Welt und Start-ups. Am Wochenende findet Ihr ihn auf der Gegengerade im Millerntor.

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