Famous Brands: Shakes, Memes und zweistellige Millionenumsätze

Çagla Mothes erklärt die Marketing-Strategie hinter ihren Brands Offset Nutrition und Gamers Only

Koch-Influencerin Seyda Taygur wirbt für Offset Nutrition
Koch-Influencerin Seyda Taygur wirbt für Offset Nutrition. (Screencast: Famous Brands)
Inhalt
  1. Novel Foods als Hobby
  2. Konzepte landeten in der Schublade
  3. Slimfast für das Instagram-Zeitalter
  4. Verspielt und highly instagramable
  5. Celebrities und Mikro-Influencer:innen
  6. Nicht abhängig von fremden Reichweiten werden
  7. Der Ansatz von Famous Brands: Community first
  8. Mittlerweile 800 physische Verkaufsstellen

Colafantasprite, das war früher die Auswahl im Getränkeregal. Heute tummeln sich allein im Subsegment der Performance-Drinks Dutzende Anbieter. Wie setzt man sich hier als Newcomer durch? Çagla Mothes, Mitgründerin des Kölner Startups Famous Brands, sagt: indem man Erlebniswelten schafft, mit denen sich die Kund:innen identifizieren. Wie gut dieser Community-zentrierte Ansatz funktioniert, zeigen ihre beiden Marken „Offset Nutrition“ und „Gamers Only“. Im vergangenen Jahr generierten die zusammen einen achtstelligen Umsatz – nur ein Jahr nach Gründung von Famous Brands. OMR hat mit Mothes darüber gesprochen, wie sie mit Memes Marken aufbaut, wo die Fallen des Influencer Marketings stecken und wie die Community ihren DTC-Brands beim Sprung vom Webshop in den Supermarkt geholfen hat. 

Novel Foods als Hobby

Menschen unternehmen im Urlaub die merkwürdigsten Dinge. Çagla Mothes und ihr Ehemann Patrick etwa schlenderten früher gerne durch pharmazeutische Fachgeschäfte. „Wenn wir im Ausland waren, sind wir immer in Apotheken und Drogerien reingelaufen und haben geguckt, was es dort für spannende Supplements gibt“, sagt Mothes. 

Schon immer hätten die beiden sich für sogenannte Novel Foods interessiert – Nahrungsergänzungsmittel, die in Deutschland noch nicht oder nur in geringen Dosen verkauft werden dürfen. Später habe sie dann zu den Fundstücken recherchiert. „Ich habe dann nachts immer alles zu Ende gegoogelt“, sagt Mothes. Dabei sei es ihr allerdings nie um Selbstoptimierung gegangen. Sondern um die Faszination, dass man eine Substanz zu sich nimmt und was die dann im Körper auslöst.

Konzepte landeten in der Schublade

Ihr Geld verdient Mothes damals – zehn Jahre ist das ungefähr her – bei einer Agentur für Markenentwicklung. Sie war Mitarbeiterin Nummer zwei am neu eröffneten Kölner Standort und bekommt darum früh viel Verantwortung. Mit Anfang 20 sitzt sie Leuten gegenüber, die bei großen Konzernen seit Jahrzehnten dieselbe Position inne haben. Denen soll sie erzählen, wie sie ihren Job besser machen können, sprich: digitaler. Viele ihrer Kund:innen seien sogar recht offen gegenüber ihren Ideen gewesen, sagt Mothes. Doch Freigabeschleifen, die sich über Monate hinziehen, die Entwicklung immer neuer Konzepte, die am Ende doch nur in der Schublade verschwinden – irgendwann hat sie keinen Nerv mehr.

„Ideen kosten nichts“, sagt Mothes, „erst mit der Realisierung werden sie etwas wert.“ Also wagt sie den Sprung in die Selbständigkeit und wird freie Beraterin. An ihrem grundsätzlichen Problem ändert das allerdings wenig. Die Kunden sind begeistert von ihren Ideen, aber zögerlich bei der Umsetzung. Mothes Schublade füllt sich weiter. 

Slimfast für das Instagram-Zeitalter

2016 hält sie es dann nicht mehr aus und gründet ihre erste Firma: Shape World. Im Hintergrund mit dabei: ihr Mann, der schon in jungen Jahren von seinem Vater in die Geschäftsführung von dessen Pharma-Unternehmen geholt worden war und der darum über die entsprechende Expertise bei der Produktentwicklung verfügt. Und ein Freund, der beim Gutscheinportal Groupon das Marketing-Handwerk gelernt hatte. 

Fehlt noch das Produkt, an dem die Branding-Expertin Çagla Mothes das Toolkit, das in ihrer Schublade schlummert, ausprobieren kann. Das Trio entscheidet sich schließlich für das nicht eben schillernde Thema Mahlzeit-Ersatz. Die ersten Artikel von Shape World sind Gläser mit Pulver, aus dem sich die Kund:innen Drinks mixen, die ihnen beim Abnehmen helfen sollen. „Es war ein bisschen eine Challenge mit mir selber“, sagt Mothes. „Wenn du dieses Produkt sexy machen kannst, dann kannst du eigentlich alles sexy machen.“

Hier mal zwei TV-Werbeclips, um die Erinnerung aufzufrischen, wie Nahrungsersatz-Produkte ganz früher und vor gar nicht mal so langer Zeit beworben wurden

Tatsächlich hat Mothes‘ Konzept für Shape World wenig gemein mit dem Auftritt der bekannten Player. Die Produkte wirken weder trashig noch medizinisch. Statt von Kund:innen spricht das Unternehmen von Shape Babes. Mothes und ihr Team stecken viel Energie in den Aufbau einer Community um das Thema Abnehmen und Fitness. Kurze Zeit gibt es sogar eine Shape Babe Lounge in der Kölner City. „Mir war es wichtig, nicht einfach eine Dose hinzustellen, sondern was alles drum herum ist“, sagt Mothes. Shape World sollte kein Slim-Fast in jung werden, sondern eine vieldimensionale Erlebniswelt. 

Verspielt und highly instagramable

Doch nach knapp zwei Jahren kommt es zum Bruch. Ende 2018 steigen Çagla und Patrick Mothes aus. Der Investor, den man nach der Gründung reingeholt hatte, habe zu schnell skalieren wollen, sagt sie über ihre Entscheidung. Doch nicht zuletzt weil Çaglas Mutter sie fragt, woher sie denn nun ihre Shakes und den Porridge bekommen soll, entscheidet sich das Ehepaar, es gemeinsam direkt noch einmal zu versuchen. Im Januar 2019 wird Famous Brands gegründet, bald darauf die neue Marke Offset Nutrition eingetragen. 

Çagla und Patrick Mothes, Gründerehepaar hinter dem Kölner Mahlzeitersatz-Startup Famous Brands.

Çagla und Patrick Mothes, Gründerehepaar hinter dem Kölner Mahlzeitersatz-Startups Famous Brands. (Foto: Famous Brands)

Das Konzept von Offset gleicht dem von Shape World bis hin zu den „Offset Babes“. Neben dem Community-Aspekt legt Offset allerdings einen noch viel größeren Wert auf die Instagramability der Marke. Das Logo ist ein Flamingo, die Produkte kommen in poppig-bunt gestreiften Packungen daher und tragen verspielte Namen wie Pretty Little Meal (Instantpulver für Shakes) und Pretty Little Bar (Riegel). Statt „x Kilo in y Wochen“ verspricht Offset den Kund:innen Produkte, die sie auf dem Weg zum „Pretty New Me“ begleiten und eine Gemeinschaft von Offset Babes, die einander dabei unterstützt.  

„Wir verkaufen kein Wundermittel – das haben wir nie“, sagt Çagla Mothes. Es gehe darum, dass es im Kopf der Kund:innen Klick mache. Oder, wie sie es umschreibt: „Dass man die beste Freundin ist, die die Kundin an die Hand nimmt und sagt: Okay, let’s go. Du bist nicht allein, da ist die Community. Es wird Höhen und Tiefen geben, aber zusammen schaffen wir das.“

Celebrities und Mikro-Influencer:innen

Wie bei nahezu jeder DTC-Brand spielt Influencer Marketing eine zentrale Rolle beim Aufbau der Marke und dem Ausspielen von Kampagnen. Doch Mothes findet diesen Teil ihres Business eher reizlos. „Wir machen nicht viel anders als andere“, sagt sie. Bei Offset arbeitet Famous Brands mit einer Mischung aus prominenten Testimonials wie Daniela Katzenberger und Dieter Bohlen zusammen (für die eigene Subseiten auf der Offset-Website eingerichtet wurden, um bei Google direkt oben zu ranken), mit Fitness-Models wie Ivana Santacruz sowie einer Reihe von kleineren Influencer:innen. 

Worin man sich unterscheide: Es sei ihnen wichtig, dass die Kooperationspartner:innen ihre Produkte auch wirklich probieren, bevor sie sich auf einen Deal einlassen, sagt Mothes. „Natürlich gehen wir damit ein Risiko ein, gerade bei den großen Namen, mit denen wir unbedingt zusammenarbeiten wollen.“ Aber zum einen hätten sie das Selbstbewusstsein, dass ihre Produkte schmecken. Und wenn nicht, sei es ohnehin besser, es direkt zu lassen.

Nicht abhängig von fremden Reichweiten werden

Entsprechend habe man vor dem Deal mit dem Streamer Marcel Thomas Andreas Eris alias Montana Black ein wenig gezittert, ob dem die Performance-Shakes der zweiten Famous-Brands-Marke Gamers Only schmecken. Taten sie. Wobei ausschlaggebend für das Zustandekommen der Kooperation dann sei gewesen, dass Montana Black seine eigene Community befragt habe, was diese von Gamers Only halte, erzählt Mothes. „Von denen hat er dann den Input bekommen, dass das eine richtig coole, starke Marke ist. So konnten wir ihn von uns überzeugen.“ Die Sorte „Yellow Laser Lemon“ des Instant-Drinks wird nun als „Monte’s Favorit“ vermarktet.

Montana Black, einer der bekanntesten deutschsprachigen Twitch-Streamer, ist mit Famous Brands eine langfristige Partnerschaft eingegangen

Montana Black, einer der bekanntesten deutschsprachigen Twitch-Streamer, ist mit Famous Brands eine langfristige Partnerschaft eingegangen (Screencast: OMR)

Auch wenn die Kooperationen mit Celebrities und AAA-Creatorn ihren Marken massive Reichweiten- und Vertrauenszuwächse innerhalb der Zielgruppe bringen, will Mothes nie zu abhängig von diesem Hebel werden. „Für uns ist immer wichtig, eigenständig laufen zu können und nicht auf Influencer angewiesen zu sein“, sagt die Famous-Brands-Geschäftsführerin. Die Community müsse immer mehr davon haben, den Marken selbst zu folgen. Entsprechend gebe es für die eigenen Follower bessere Deals und besondere Bundles.  

Der Ansatz von Famous Brands: Community first

Natürlich baut man keine Community damit auf, dass die Kund:innen hier ein paar Prozent mehr sparen oder einen speziellen Shaker bekommen können. Bei Famous Brands betrachtet man diese darum nicht als Verkaufskanal, sondern als Basis des Unternehmens. Das beginne bei grundsätzlichen Überlegungen vor dem Beginn des Aufbaus der Community, so Mothes. Die Strategie orientiere sich am Gedanken „Okay, wir wollen unseren Freundeskreis vergrößern“. Diese Herangehensweise auf Augenhöhe setze sich im Daily Business fort. Das Startup investiere viel Zeit in den persönlichen Austausch. Man antworte auch mal in längeren DMs und mache dabei keinen Unterschied, ob es um tatsächliche und potenzielle Kund:innen geht. „Customer Care ist bei uns im Marketing integriert, damit wir nicht am Kunden vorbei konzipieren“, sagt Mothes. Dieser Austausch sei nicht die Grundlage für den Businessplan, aber er sei wichtig, um schnell zu wachsen und für mehr Leute relevant zu werden. 

Relevanz für die Zielgruppe versucht das Unternehmen auch über den Content aufzubauen, mit dem Famous Brands seine Communities bespielt. Vor allem bei Gamers Only setzen die Kölner stark auf Memes. Außerdem nutzen sie den Umstand, dass die Plattformen Early Adopter von neuen Features in der Regel mit überdurchschnittlicher Reichweite belohnen. „Dass man rausgeht und dann immer besser wird, das musste ich als Perfektionistin erst einmal lernen“, so Mothes. Doch als eigenfinanziertes Startup, dass sich in einer Branche bewegt, in der erfolgreiche Produktinnovationen von Konzernen direkt kopiert werden, sei es unerlässlich, jede Möglichkeit zu nutzen, kostengünstig an Reach zu kommen. Mothes sagt auch darum: „Eigentlich sind wir eine Marketing-Agentur mit Produkten.“

Mittlerweile 800 physische Verkaufsstellen

Zu ergänzen wäre: Eine Agentur mit Produkten und einem outgesourceten Sales-Team. Denn es waren die Fans, die dafür gesorgt haben, dass Gamers Only zunächst in einzelnen Supermärkten, inzwischen in allen Rewe-Märkten Bayerns und demnächst in sämtlichen deutschen Game-Stop-Filialen verkauft wird. „Tatsächlich hat uns die Community ein bisschen gedrängt“, sagt Çagla Mothes. Immer wieder hätten sie Anfragen bekommen, wo man die „Tubs“ genannten Dosen mit dem Getränkepulver im physischen Handel bekommt. Einige junge Mitarbeiter in Supermärkten hätten sogar ihre Chef:innen dazu gebracht, Kontakt mit Famous Brands aufzunehmen. Nun gibt es die Gamer-Shakes in eigenen Aufstellern bei rund 800 Verkaufsstellen, die von den Kölnern in der Sprache ihrer Community als „Ehrenmärkte“ gefeiert werden.

Wie gut das mit dem Aufbau einer loyalen Community funktioniert hat, das konnte Mothes neulich erst wieder erleben. Da habe sich ein Fan der Marke bei Famous Brands gemeldet – wo es Gamers Only jetzt im Supermarkt gibt, ob es ihnen da eigentlich weh tun würde, wenn er einen Tub klaut. Natürlich hatte das Customer-Care-Team eine passende Antwort parat: „Nein, klauen solltest du nicht. Sei ein Ehrenmann.“

DTCFoodMeme MarketingStartup
Christian Cohrs
Autor*In
Christian Cohrs

Editor & Content Strategist bei OMR und Host des FUTURE MOVES-Podcasts. Zuvor war er Redaktionsleiter des Wirtschaftsmagazins Business Punk in Berlin, Co-Autor des Sachbuchs "Generation Selfie".

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