Ist Empfehlungsmarketing skalierbar? Dieses Unternehmen und ein Ex-Porno-König sagen ja
Anbieter wie Hypd oder Verve wollen Botschafterprogramme als Marketing-Tool etablieren, kann das funktionieren?
Egal ob Veranstalter oder Brand: Es gibt kaum wertvollere Marketing-Instrumente als echte Fans, die Produkte oder Events weiterempfehlen. Das schafft Vertrauen bei potenziellen Neukunden. Aber wie lässt sich Empfehlungsmarketing zu einem echten Marketing-Kanal ausbauen? Tools wie Hypd (ehemals Ticketrunner) oder Verve versprechen, Botschafter-Programme im großen Stil möglich zu machen – durch Belohnungen für die treuesten und aktivsten Fans.
„Als wir Neonsplash 2015 verkauft haben, wussten wir schnell, dass wir aus dem ‚Botschafter‘-Prinzip ein Business machen wollen“, sagt Ticketrunner-Gründer Florian Eckelmann zu OMR. Er ist gerade dabei, das Unternehmen in Hypd umzubenennen. Zusammen mit Siamak Ghofrani, Matthew Mockridge und David Zimek hatte er 2011 die Eventreihe „Neonsplash“ ins Leben gerufen: „Elektro-Partys, auf denen die Feiernden sich gegenseitig mit Neonfarbe bespritzen“, sagt er.
„2013 gab es schon 150 Shows in 16 Ländern. Zu der Zeit wollten wir das Google der Paint Partys werden und mussten so schnell wie möglich internationalisieren. Wir kannten aber die internationalen Märkte noch nicht, wollten aber schnell Ticketverkäufe ankurbeln. Also sind wir früh auf die ersten Ticketkäufer zugegangen und haben sie zu Verkäufern an ihren Unis gemacht“, erzählt Eckelmann. Aus dieser Botschafter-Idee entstand dann 2016 Ticketrunner, das Eckelmann gemeinsam mit Farooq Haider und Siamak Ghofrani groß machen will.
Schalke probiert es aus
Veranstalter erstellen bei Hypd einen Account und können das Tool auch in bestehende Ticketingsysteme wie Eventbrite integrieren. Über ein Dashboard setzen sie Kampagnen auf, laden Fans per Mail oder Social Media ein, als Ambassadors teilzunehmen und stellen die Belohnungen für erfolgreiche Ticket-Verkäufer ein. Ticketrunner setzt darauf, dass Fans zu Botschaftern werden, weil sie mit einzigartigen Dingen incentiviert werden. Laut Gründer Eckelmann sei es aus Brand-Sicht wichtig, Belohnungen zu schaffen, die eine Wertschätzung dieser Fans und Ambassadors rüberbringt.
So habe das Q-Base-Festival für Leute, die besonders viele Tickets an andere verkauft haben, limitierte College-Lederjacken gestaltet. Eckelmann erzählt, dass Träger der Jacken auf dem Festival immer wieder angesprochen wurden, wie man an so eine Jacke kommt. Auch Schalke 04 habe bereits mit Hypd gearbeitet und ein signiertes Heimtrikot mit den Unterschriften aller Spieler an treue Fans verteilt. Verdienen können die sich solche Belohnung, indem sie für jedes verkaufte Ticket eine bestimmte Anzahl an Punkten sammeln, die sie dann für die gewünschte Belohnung „ausgeben“ können. Weitere Veranstalter, die bereits auf das Botschafter-Programm setzen, sind das Amsterdam Music Festival, das New Horizons Festival oder das Bootshaus in Köln.
Im nächsten Schritt wolle Eckelmann auch Kunden abseits klassischer Veranstalter gewinnen. Hypd spreche bereits mit Brands aus den Bereichen Unterhaltungselektronik und Mode. Hier wäre es denkbar, dass Ambassador einzelne Produkte empfehlen und darüber je nach Produkt Punkte verdienen – die sie auch dann wieder in Belohnungen eintauschen. Das System könnte also durchaus auch in anderen Branchen funktionieren, als nur bei Festivals – wenngleich solche Veranstaltungen wohl das einfachste Beispiel für mögliche Belohnungsprogramme sind.
Nano-Influencer-Marketing
Aktuell sind über 25.000 Ambassadors auf der Hypd-Plattform registriert, die hier aus den verschiedenen Bonus-Programmen auswählen können. „Wir schauen auch auf klassische Affiliate-Publisher aber unser Fokus liegt komplett auf den echten Fans und Multiplikatoren“, sagt Eckelmann. Als klassisches Affiliate-Business sieht er sein Unternehmen deswegen auch nicht. „Eine Kampagne mit 20 Ambassadors kann besser funktionieren als eine mit 200. Es ist nicht selten, dass einzelne Personen über 150 Tickets an ihre Freunde verkaufen. Man könnte das als Nano-Influencer-Marketing bezeichnen.“ Anders als klassische Affiliates haben solche Ambassadors keine Blogs oder reichweitenstarke Social-Media-Auftritte. „Die meisten Ticketverkäufe laufen über die Messenger-Dienste – WhatsApp und Facebook Messenger“, so Eckelmann.
Der Gründer sagt, der Werbeeffekt richte sich nach der Länge der Kampagne, er rechne aber durchschnittlich mit fünf bis 20 Prozent Uplift durch Botschafter. Der CPM (Cost per Mille) könne um 75 Prozent gesenkt werden und die Conversions seien bis zu 400 Prozent höher als bei üblichen Ad-Formaten. Dafür müssen Veranstalter und Brands aber auch zahlen: Wer 50 Botschafter einspannt, überweist zehn Prozent Provision pro Verkauf und 119 Euro pro Monat an Hypd. 150 Botschafter kosten 299 Euro pro Monat bei 7,5 Prozent Provision und 450 Botschafter 799 Euro bei fünf Prozent Provision. Zusätzlich gibt es eine Enterprise-Lösung mit individuellen Vereinbarungen. Hypd beschäftige derzeit 15 Mitarbeiter und mache pro Monat einen fünfstelligen Umsatz.
Investition vom Ex-Porno-König
An das Projekt glaubt einer der bekanntesten deutschen Internetpersönlichkeiten: „Das Unternehmen ist unter anderem von Fabian Thylmann finanziert. Ursprünglich wollte er Neonsplash kaufen. Wir entschieden uns dagegen und er sagte: ‚Wenn ihr nach dem Party-Projekt was Neues macht, dann kommt zu mir‘“, sagt Eckelmann. Thylmann ist Gründer der Porno-Holding Manwin (heute Mindgeek), Betreiber von Porno-Plattformen wie Youporn, RedTube und Pornhub. Mittlerweile lebt der Ex-Porno-König zurückgezogen in Belgien, investiert hier und da und ist Besitzer des Kölner Clubs Bootshaus.
Ein Wettbewerber von Hypd, Verve aus UK, kann auf noch erfolgreichere Investitionen zurückblicken. Das Unternehmen bietet einen ähnlichen Service, der noch stärker als Whitelabel-Lösung für die Webseiten von Festivals und Veranstaltungen gedacht ist. Mit dabei ist zum Beispiel das Summer Breeze-Festival in Bayern. Die beiden Gründer-Brüder Callum und Liam Negus-Fancey haben bereits knapp 30 Millionen US-Dollar Investitionen eingesammelt. Das Unternehmen hat nach eigenen Angaben über 450 Kunden und verkauft über 500.000 Tickets weltweit. Verve setzt komplett auf Festival- und Konzert-Veranstalter, Hypd muss also erst einmal beweisen, ob Word-Of-Mouth auch in anderen Branchen skaliert werden kann.