ElephantSkin: Mit Antivirus-Handschuhen in wenigen Monaten zu siebenstelligen Umsätzen

Martin Gardt14.1.2021

Zwei Österreicher bauen angetrieben durch die Pandemie eine Handschuh-Marke auf – erst im Handel und jetzt auch online

ElephantSkin Handschuh
Der ElephantSkin-Handschuh soll im Alltag vor Viren und Bakterien schützen
Inhalt
  1. Baumwolle statt Gummi
  2. Die Macht des Handels
  3. Online die Effekte nutzen
  4. Reicht Amazon vielleicht?
  5. B2B als weiteres Standbein

Es gibt nur wenige wirkliche „Pandemie-Profiteure“. Aus Österreich kommt jetzt aber ein Startup, das es ohne Corona wahrscheinlich nicht geben würde. „ElephantSkin“ stellt einen Baumwollhandschuh her, der im Alltag vor Kontakt mit Viren schützen soll – ein nachhaltiger Ersatz für Gummihandschuhe also. Uns hat Co-Gründer Raphael Reifeltshammer erzählt, wie er ein paar Monate nach der Idee einen siebenstelligen Umsatz macht, welche Kraft eine Erwähnung in einem Aldi-Prospekt haben kann und wie er jetzt Hunderttausende Handschuhe über Amazon und den eigenen Shop verkaufen will.

„Im März zu Beginn der Pandemie habe ich gesehen, wie groß das Thema Hygiene wird bzw., dass Hygiene-Standards komplett neu definiert werden“, sagt Raphael Reifeltshammer gegenüber OMR. „Als ich dann noch einen sehr inspirierenden Artikel mit dem Titel ‚Besser ohne Gummi – die Renaissance des Handschuhs‘ in einer Tageszeitung gelesen habe, war die Idee zu ElephantSkin geboren.“ Reifeltshammer hatte schon zuvor mit seinem Geschäftspartner Ingomar Lang das Startup „Vision1“ gegründet, das Sonnenbrillengläser bedruckt. Gemeinsam starten sie im ersten Lockdown ihr neues Projekt mit großem Ziel: „ElephantSkin wird DIE weltweite nachhaltige Alternative zum Plastikhandschuh werden“, sagt Reifeltshammer selbstbewusst. Kann das klappen?

Die Gründer von ElephantSkin

ElephantSkin-Macher Raphael Reifeltshammer (l.) und Ingomar Lang

Baumwolle statt Gummi

Das Produkt von ElephantSkin: Ein Baumwollhandschuh, der jeden Tag beim Einkaufen, U-Bahn-Fahren und anderen alltäglichen Erledigungen getragen werden und Viren abweisen soll. So soll die Wahrscheinlichkeit einer Corona-Infektion durch ständiges Ins-Gesicht-Fassen vermindert werden. „Wir haben nichts Neues erfunden, jedoch die verschiedenen notwendigen Komponenten wie unter anderem unsere antivirale und antibakterielle Technologie oder die nachhaltige Produktion perfekt zusammengefügt“, so Reifeltshammer. Das Unternehmen produziere komplett in Portugal und Italien. Eine von der Schweizer Firma Heiq durchgeführte Behandlung mit Silberchlorid reduziere die Anzahl von Viren und Bakterien auf der Handschuh-Oberfläche. Bio-Baumwolle, Produktion in Europa und spezielle Behandlung sind wohl ausschlaggebend für den Preis von 12,95 Euro.

„Mit einem Paar ElephantSkin-Handschuh werden rund 180 Paar Einweg-Kunststoff-Handschuhe eingespart. Das enstpricht einer Plastikreduktion von 2,6 Kilogramm“, sagt Raphael Reifeltshammer. Damit wird die Zielgruppe auch klar: Menschen, die sich mit einem Handschuh in der aktuellen Phase wohler fühlen, einen Plastikhandschuh in der Öffentlichkeit aber doch etwas komisch finden. Die Österreicher von ElephantSkin wollen da jetzt helfen. „Krisen sind für junge Unternehmen ein perfekter Nährboden und bieten große Chancen. Da werden viele alte Strukturen aufgebrochen und neue innovative Produkte bekommen eine Bühne, um sich zu präsentieren“, sagt der Co-Gründer.

Die Macht des Handels

Und diese Chance, als noch sehr junges Unternehmen eine Bühne zu bekommen, habe Reifeltshammer durch eine Listung bei großen Handelsunternehmen genutzt. „Ich habe entschieden, zuerst in den Lebensmittelhandel und in die Drogerien zu gehen, um so die Marke und das neue Produkt bzw. die neue Brand schnell großflächig bekannt zu machen“, so der ElephantSkin-Co-Gründer. In 20.000 Geschäften könne man den Handschuh bereits kaufen, darunter Filialen von Aldi in Deutschland, Drogerie Müller in Deutschland und der Schweiz und in Österreich Interspar sowie Rewe International, das unter anderem die Billa-Märkte betreibt. Er habe bei den Handelspartnern angerufen und einfach den richtigen Zeitpunkt erwischt, sein Produkt bei ihnen zu platzieren.

„Unser Verkaufsstart bei Aldi war eindrucksvoll, dort werden wir jetzt in anderen Ländern der Gruppe ausgerollt. Ende Januar sind wir mit einer weiteren deutschlandweiten Werbung bei Aldi am Markt sichtbar“, so Reifeltshammer. Schon zum Start bei Aldi im Dezember 2020 sei das Produkt in 80 Millionen Flyern des Discounters zu sehen gewesen – am 25. Januar bringe Aldi die nächsten Werbeblättchen mit den Handschuhen. Durch die Verkäufe bei den Handelspartnern verzeichne ElephantSkin bereits jetzt einen deutlich siebenstelligen Umsatz. 

Online die Effekte nutzen

„Der Handel ist die erste Plattform, die sehr gut funktioniert. Jetzt ziehen wir mit demselben Speed alle Digital-Kanäle nach“, sagt Reifeltshammer. Dabei bringe die Aufmerksamkeit über Partner wie Aldi bisher den größten Effekt. „Als wir deutschlandweit in mehreren Millionen Werbeprospekten sichtbar waren, hatten wir noch keinen Online-Shop. Per E-Mail-Newsletter-Anmeldungen kamen sehr viele Vorreservierungen rein von Leuten, die den Handschuh online kaufen wollten“, so der Co-Gründer. Am 28. Dezember 2020 bringt ElephantSkin dann auch den eigenen Online-Shop an den Start. Laut Co-Gründer Reifeltshammer verkauft das Unternehmen hier direkt seine Bestände aus. 

Den vom Handel herübergeretteten Hype um das Produkt langfristig zu erhalten dürfte die größte Herausforderung für das Startup werden. „Wir stehen Online vielleicht bei Schritt eins von 100“, sagt Reifeltshammer. Das wird auch auf den Social-Plattformen sichtbar. Auf Instagram verzeichnet das Unternehmen nur 335 Follower, auf Facebook sind es 53 Fans. Es dürfte auch in Zukunft nicht einfach werden, so ein Alltagsprodukt (Ersatz für den Gummihandschuh) auf Plattformen zu platzieren, die für die schönen Dinge im Leben stehen. 

Reicht Amazon vielleicht?

Die Frage ist, ob es überhaupt viele Follower auf Instagram & Co. braucht. Der nächste große Schritt für das Startup ist Amazon – wo ja wie am Beispiel von Snocks zu sehen, auch Socken und Unterhosen millionenfach verkauft werden. Dabei bekommt ElephantSkin Unterstützung von der New Flag GmbH. Das Unternehmen hatte bisher vor allem mit dem Vertrieb von Beauty-Produkten wie dem Spiralhaargummi Invisibobble Erfolge gefeiert (die Gründer waren schon 2018 im OMR Podcast zu Gast). Dieses Retail-Playbook soll New Flag jetzt auch auf die ElephantSkin-Handschuhe übertragen. Die New-Flag-Marke „Little Beauty Box“ tritt auch als Amazon-Verkäufer der Produkte auf.

ElephantSkin auf Amazon

Auf Amazon ist das Produkt erst seit Mitte Januar gelistet

Das Amazon-Listing besteht erst seit dieser Woche. Reifeltshammer ist aber optimistisch, was das kommende Online-Game angeht: „Wir haben unsere Lager für die Online-Stores gut aufgefüllt und es sind mehrere Hunderttausend Paar ElephantSkin-Handschuhe für Amazon und unseren eigenen Online-Shop verfügbar.“ Noch im Januar soll das Produkt auf den Amazon-Marktplätzen in Frankreich, Großbritannien und Spanien verfügbar sein. Auch in den USA fänden finale Gespräche mit einem Handelspartner statt.  

B2B als weiteres Standbein

Weiteres großes Wachstumspotenzial sieht Raphael Reifeltshammer in weiteren Versionen des Produkts. Er führe Gespräche mit großen Fast-Food-Ketten und Paketlieferdiensten. Mittlerweile ist es in vielen Unternehmen Pflicht, bei Kundenkontakt Handschuhe zu tragen. Reifeltshammer will da mit seiner Vision, Geld und Müll durch den Einsatz von ElephantSkin zu sparen, überzeugen. „Der Plan ist es, neben unserem sehr gut funktionierenden Alltagshandschuh – der ab Februar auch in Kindergrößen erhältlich sein wird – auch ein strapazierfähigeres ‚B2B-Allrounder-Arbeitsmodell‘ und zeitgleich einen speziellen Trainigshandschuh für Fitnessstudio-Besucher anzubieten“, sagt er. So soll es 2021 mit einem achtstelligen Umsatz klappen.

AmazonE-Commerce
MG
Autor*In
Martin Gardt

Martin kümmert sich vor allem um neue Artikel für OMR.com und den Social-Media-Auftritt. Nach dem Studium der Kommunikations- und Medienwissenschaft ging er zur Axel Springer Akademie, der Journalistenschule des Axel Springer Verlags. Danach arbeitete er bei der COMPUTER BILD mit Fokus auf News aus der digitalen Welt und Start-ups. Am Wochenende findet Ihr ihn auf der Gegengerade im Millerntor.

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