Dieser Mann betreibt eine der reichweitenstärksten, profitabelsten – und hässlichsten Websites der Welt

Matt Drudge im Jahr 1997 in seinem Apartment in Hollywood
Inhalt
  1. Matt Drudge ist mit dem Drudge Report der Vater aller News-Aggregatoren
  2. „Berufseinstieg“ bei 7 Eleven
  3. „Das Internet wird CNN ablösen“
  4. Externe Traffic-Quellen? Fehlanzeige
  5. Drudge stößt die Lewinsky-Affäre an
  6. Große Nachrichtenmedien verdienen gut am Drudge-Traffic
  7. Wichtige Rolle im aktuellen Präsidentschaftswahlkampf?

Matt Drudge ist mit dem Drudge Report der Vater aller News-Aggregatoren

Matt Drudge im Jahr 1997 in seinem Apartment in Hollywood

Matt Drudge im Jahr 1997 in seinem Apartment in Hollywood

Hässlich, unübersichtlich, 90er-Jahre-Optik – diese Stichworte reichen, um die Website des Drudge Report zu beschreiben. Und doch ist die hierzulande kaum bekannte US-Seite ein unfassbares Traffic-Monster: 750 Millionen Page Views erzeugen die treuen Leser (19 Millionen Unique User) im Monat. Die Umsätze dürften sich ebenfalls in Millionenhöhen bewegen. Noch erstaunlicher: Der Drudge Report benötigt dafür kaum eigene Inhalte, keine Suchmaschinenoptimierung und keine Klickschinderei. Wir zeichnen nach, wie Macher Matt Drudge sich diesen Erfolg erarbeitet hat, was Monica Lewinsky damit zu tun hat und bei welcher Kennzahl der Drudge Report besser als alle anderen Medien der Welt ist.

Nach den Zahlen des Drudge Report würden sich andere Medien die Finger lecken: Schätzungen des Statistikdienstes SimilarWeb zufolge bleiben die Desktop-Besucher der Website im Durchschnitt über eine halbe Stunde und rufen dabei zehn Seiten auf.

Traffic-Statistiken von drudgereport.com laut SimilarWeb

Traffic-Statistiken von drudgereport.com laut SimilarWeb

Knapp 89 Prozent der Desktop-Besucher gelangen auf die Seite, indem sie die Adresse in die Browser-Zeile eingeben. Andere große Medienmarken sind auf Traffic aus Googles Suchmaschine und von Facebook angewiesen; bei der New York Times etwa liegt der Anteil des Direkt-Traffics laut SimilarWeb nur noch bei 36 Prozent.Übersicht über die Traffic-Quellen des Drudge Report laut SimilarWeb

Übersicht über die Traffic-Quellen des Drudge Report laut SimilarWeb

Die Zahlen des Drudge Report sind umso überraschender, als dass sich auf der Website kaum eigene Inhalte finden lassen. Der größte Teil sind Links zu Artikel auf anderen Nachrichtenportalen – mit einer konservativen „Brille“ vorselektiert und häufig von Drudge mit einer eigenen Headline versehen. In unregelmäßigen Abständen veröffentlicht Drudge meist nur wenige Absätze lange eigene Artikel – etwa wenn er von einer Story, die ein anderes Medium in naher Zukunft veröffentlichen will, vorher erfährt.

Die Startseite des Drudge Report

Die Startseite des Drudge Report

Über Drudges Ansichten und seine Art Headlines zu formulieren und Artikel zu schreiben lässt sich streiten – über seinen Erfolg nicht: Geht man grob davon aus, dass auf Tausend Seitenabrufe Werbeeinahmen von einem US-Dollar kommen, nähme der Drudge Report 750.000 US-Dollar pro Monat, also 9 Millionen US-Dollar jährlich ein. Die New York Times setzte mit digitaler Werbung im Jahr 2014 182 Millionen US-Dollar um. Sie beschäftigt jedoch mehr als 1.000 Journalisten. Der Drudge Report wird wohl größtenteils im Alleingang von Matt Drudge produziert. Rechnet man dies in eine Kennzahl wie „Leser pro Journalist“ oder gar „Werbeeinahmen pro Journalist“ um – wie Business-Insider-Macher Henry Blodget es gerne tut, um die Effizienz seines Newsrooms zu demonstrieren – so dürfte der Drudge Report vor allen anderen Medien der Welt mit weitem Abstand führen.

„Berufseinstieg“ bei 7 Eleven

Dass Matt Drudge einmal derart erfolgreich sein würde, war lange Zeit nicht abzusehen gewesen. 1966 in der Nähe von Washington DC geboren, schafft er im Jahr 1984 gerade so seinen Highschool-Abschluss: Im Noten-Ranking seines Jahrgangs steht er auf Platz 341 – von 355. Sein Lebenslauf sei mehr als passend für eine Stelle in einem 7-Eleven-Kiosk, schreibt er später in seinem Buch „The Drudge Manifesto“.

Und in der Tat beginnt Drudge bei 7 Eleven seine „berufliche Karriere“. Häufig übernimmt er dort die Nachtschicht, während der die Zeitungen angeliefert werden. Es reizt ihn, die Schlagzeilen des Tages zu lesen, bevor es andere tun. Im Kopf spielt er bereits zu dieser Zeit Nachrichtenchef und überlegt, wie er welche Story anders gewichtet hätte als die erfahrenen Blattmacher der großen Tageszeitungen.

1989 zieht er nach Los Angeles und übernimmt dort einen Job im Andenkenladen beim Fernsehsender CBS. Er arbeitet sich hoch auf den Posten des Geschäftsführers. Durch die Nähe zum Sender bekommt er in dieser Zeit erstmals Wind von Gerüchten über Stars und Sternchen und baut wichtige Kontakte auf.

„Das Internet wird CNN ablösen“

Nachdem sein Vater ihm im Jahr 1994,besorgt wegen der Antriebslosigkeit seines Sohnes, einen Computer schenkt, beginnt Drudge an, im Usenet zu posten und sich dort mit anderen auszutauschen. Nicht selten erfährt er darüber schneller von Eilmeldungen als über die großen Nachrichtenorganisationen. „Matt und ich haben stundenlang darüber geredet, wie langsam die großen Jungs bei Breaking News damals waren“, zitiert CNN Harry Knowles, den Gründer der renommierten Film-News-Seite „Aint it Cool News“ im Rückblick auf diese Zeit. „Ich erinnere mich noch, dass Matt sagte: ‚Das Internet wird CNN vom Sockel stoßen’.“

1995 fängt Drudge an, E-Mail-Updates an Freunde zu verschicken, zuerst eher Klatsch und Gerüchte über Film- und Fernsehprominenz. Im März desselben Jahres hat er bereits 1.000 Abonnenten. Er beginnt damit, für ein Abo 10 US-Dollar im jahr zu verlangen. Langsam verschiebt sich sein Fokus in Richtung politische Nachrichten, aus einem konservativen Blickwinkel.

Im Jahr 1996 gelingt ihm sein erster Scoop, als er als erster davon berichtet, dass Jack Kemp bei der damaligen US-Präsidentschaftswahl Vizekandidat des republikanischen Anwärters Bob Dole wird.

Externe Traffic-Quellen? Fehlanzeige

Ein Jahr später ist die Zahl seiner Newsletter-Empfänger auf 850.000 gestiegen und er richtet eine Website ein. Deren Design dürfte sich bis heute nicht verändert haben: eine große Story über dem Logo, drei Spalten voller Links mit Headlines. 

Beim Wachstum setzt Drudge alleine auf die Attraktivät seines Angebots und Mund-zu-Mund-Propaganda. Externe Traffic-Quellen? Kaum erwähnenswert. Bis heute ist die Seite nicht Suchmaschinen-optimiert. Trickserei wie Bilderstrecken um zusätzliche Klicks zu generieren, wie sie bei vielen Verlagsangeboten später an der Tagesordnung sind, lässt sich beim Drudge Report ebenfalls nicht finden. Bei Facebook ist der Report zwar mit einem Profil vertreten, die knapp 800.000 Fans sind aber im Vergleich zur Zahl der Gesamtleser eher zu vernachlässigen.

Drudge stößt die Lewinsky-Affäre an

Matt Drudge setzt alleine auf seinen Riecher als Journalist, auf seine Perspektive auf das politische Tagesgeschehen und auf seinen Namen als Marke. Der 17. Januar 1998 ist der Tag seines größten Erfolges: Auf seiner Website berichtet er darüber, dass das Nachrichtenmagazin Newsweek einen Bericht über eine Affäre des damaligen US-Präsidenten Bill Clinton mit Monica Lewinsky, einer Praktikantin des Weißen Hauses, zurückhält. Newsweek veröffentlicht die Story anschließend doch – der Rest ist Geschichte.

Drudges Bekanntheit steigt kometenhaft an: Im Juni 1998 bekommt er einen Sendeplatz bei der erzkonservativen TV-Station Fox News, den er für anderthalb Jahre behält. Später folgt eine Radiosendung. Gleichzeitig wächst sein politischer Einfluss: Ein Medienberater von George W. Bush gibt später, im Jahr 2006, an, dass er zeitweise den Drudge Report 30 bis 40 Mal am Tag gecheckt habe.

1999 verzeichnet die Drudge-Report-Website mehr als 240 Millionen Page Views im Jahr, im Jahr 2002 sind es bereits eine Milliarde Page Views. Medienberichten zufolge nimmt Drudge mit seinem Unternehmen zu dieser Zeit schon mehr als eine Million US-Dollar pro Jahr ein.

Große Nachrichtenmedien verdienen gut am Drudge-Traffic

Für die großen Nachrichtenmedien wird der Report zu einer äußerst wichtigen Traffic-Quelle: Als die New York Press im Jahr 2002 Drudge kritisiert, verlinkt er die Zeitung nicht mehr. Ihr Webtraffic soll daraufhin um ein Drittel gesunken sein. Der Marktforscher Pew Research kommt im Jahr 2011 im Rahmen einer Studie, die auf Basis von Nielsen-Daten die Traffic-Quellen von 21 der größten Nachrichtenseiten im Web untersucht, zu dem Ergebnis: Sieben Prozent der Besucher werden den Medien von Drudge zugeführt. Sein Report ist für sie zu dieser Zeit die zweitgrößte Traffic-Quelle nach Google, noch vor Facebook.

Heute dürfte Facebook den Drudge Report in diesem Punkt deutlich überholt haben. Trotzdem ist das Portal als Traffic-Quelle immer noch hochrelevant. Glaubt man den Daten von SimilarWeb lag der Drudge Report im Ranking der Traffic-Quellen der New York Times in den vergangenen zwölf Monaten mit 61,2 Millionen Visits auf Platz 3 hinter Google (aggregiert 416 Millionen Visits) und Facebook (271 Millionen Visits), aber noch weit vor Twitter (11,1 Millionen Visits).

Unter den Referral-Traffic-Link-Quellen der New York Times lag der Drudge Report laut SimilarWeb in den vergangenen zwölf Monaten auf dem ersten Rang (SimilarWeb ordnet Facebook und Google in andere Traffic-Kategorien ein, deswegen sind sie in dieser Rangliste nicht aufgeführt)

Unter den Referral-Traffic-Link-Quellen der New York Times lag der Drudge Report laut SimilarWeb in den vergangenen zwölf Monaten auf dem ersten Rang (SimilarWeb ordnet Facebook und Google in andere Traffic-Kategorien ein, deswegen sind sie in dieser Rangliste nicht aufgeführt)

Wichtige Rolle im aktuellen Präsidentschaftswahlkampf?

Im Jahr 2012 feiert der Drudge Report das Erreichen von einer Milliarde Page Views im Monat. Die entsprechende Pressemeldung ist auf der Website des Vermarkters Intermarktes gelöscht – vermutlich weil die Zahlen heute mit 750 Millionen Page Views wieder niedriger liegen. Dem Einfluss von Matt Drudge dürfte diese Entwicklung jedoch höchstens wenig geschadet haben: In einem Artikel mit dem Titel „Warum Matt Drudge heute möglicherweise machtvoller ist als je zuvor“ stellte die renommierte Washington Post im Februar dieses Jahres die These auf, dass die Berichterstattung eventuell entscheidend dafür sein könnte, welche der republikanischen Kandidaten sich als offizieller Anwärter für die anstehende US-Präsidentschaftswahl durchsetzt.

Roland Eisenbrand
Autor*In
Roland Eisenbrand

Roland ist seit mehr als zehn Jahren als Journalist in der Digitalbranche aktiv. Seit 2014 verantwortet er als Head of Content (und zweiter Mitarbeiter) alle inhaltlichen Komponenten von OMR, darunter vor allem den OMR Blog und redaktionelle Arbeit rund um das OMR Festival.

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