Hype um Vintage: Warum Shops alte Klamotten teurer verkaufen können als Neuware
"Double Double Vintage" macht mit gebrauchter Kleidung einen Millionenumsatz – was das über die Branche aussagt
Die 90er sind wieder voll da. Große Klamotten-Brands – Nike, Adidas, New Balance – legen erfolgreiche Schuhmodelle und Styles aus der Zeit neu auf. Richtig begehrt scheinen aber die Originale aus der Zeit zu sein. Beispielhaft zeigt das der Vintage-Shop „Double Double Vintage“ aus Mannheim. Die zwei Gründer verkaufen seltene, ungetragene Shirts aus den 90ern zum Teil für 120 Euro. Wir zeigen, wie das Vintage-Geschäft funktioniert und wie das Unternehmen Käufer:innen für Tausende Einzelstücke gewinnt.
„Wir sind schon lange dabei, Vintage-Klamotten zu sammeln und hatten schon immer großes Interesse an den 90ern“, sagt Niklas Kille gegenüber OMR. Mit „wir“ meint Kille sich und seinen Co-Gründer Simon Schmidt, mit dem er seit 2018 Double Double Vintage aufbaut. „Die Inspiration kam unter anderem durch Round Two. Die haben viele Läden in den USA“, so Kille. Das Ziel ist von Beginn an klar: Vintage-Klamotten online, aber auch über eigene Stores verkaufen. Denn schon 2018 zeigt sich, dass Second-Hand auf dem Vormarsch ist. Zu der Zeit starten viele kleinere unabhängige Vintage-Shops online durch. Auf der anderen Seite beginnt der Aufstieg von Resell-Plattformen wie StockX. Alle eint die Jagd nach seltenen Stücken, die mit hoher Marge verkauft werden können.
Skalierung mit Einzelstücken
Die Double-Double-Gründer zeigen ihre Vintage-Stücke zu Beginn ausschließlich bei Instagram und verkaufen über Direktnachrichten. „Das Handling über Instagram ist aber ein absoluter Pain. Da war schnell klar, dass wir einen eigenen Shop bauen müssen“, erzählt Kille. Der Weg führt zu Shopify und drei Monate nach dem Start steht der eigene Online-Shop. Das Wachstum läuft bis heute vorrangig über einen altbewährten Kanal: „Instagram ist als Marketing-Kanal für uns die ungeschlagene Nummer 1 – organisch und paid“, sagt Niklas Kille.
„Wir haben immer versucht, konstant guten Content zu posten und haben dazu massiv Anzeigen geschaltet, so sind die Follower immer weiter in die Höhe gegangen.“ Auf Instagram kommt das Startup so bereits auf über 140.000 Abonnent:innen. Besonders stark ist das Wachstum laut Analyse-Tool Infludata zwischen Januar 2020 und März 2021 – die Kern-Corona-Phase. Von 20.000 Followern geht es rauf auf über 112.000. Seither ist es offenbar schwieriger geworden mit dem Wachstum.
Auf dem Instagram-Account zeigt Double Double Vintage im Feed vor allem besondere Stücke und Basketball-Content. Ganz wichtig sei es, Vintage insgesamt positiv aufzuladen. „Du hast im Vintage-Bereich immer noch Aufklärungsarbeit zu leisten. Du kannst nicht einfach ein Shirt für 80 Euro verkaufen, ohne das zu erklären“, so Kille. Dabei helfen Inhalte, die deutlich machen, was hinter den Klamotten steckt. „Hinter jedem Teil steckt eine Geschichte. Wir wollten uns auch mit den Sachen beschäftigen. Da steckt so viel Potenzial für Content“. Deshalb postet das Team immer wieder Original-Aufnahmen von Sport-Stars in den 90ern in bestimmten Shirts oder Pullovern – und zeigt dann, dass gerade genau dieses Stück im Shop verfügbar ist.
Bei der Skalierung steht am Ende das Geschäftsmodell selbst ein wenig im Weg. Double Double Vintage und andere Anbieter verkaufen Einzelstücke in genau einer Größe. Um Nutzer:innen nicht zu frustrieren, muss das Unternehmen auf Instagram immer klar kommunizieren, welche Größe ein gezeigtes Produkt hat. „Wenn wir Produkte 100 Mal hätten, könnten wir sie sofort ausverkaufen, wir haben sie aber nur ein Mal“, erklärt der Co-Gründer. „Es gibt leider keinen Blue Print, wie man einen Vintage Shop richtig skaliert.“ Abgesehen von Ads auf den Meta-Plattformen habe sich bisher keine wirkliche Plattform als Skalierungs-Kanal aufgetan. „Tiktok Ads oder Pinterest Ads: Da ist die Conversion noch nicht vergleichbar mit Facebook und Instagram“, erklärt Niklas Kille.
Drops und Community als wichtige Hebel
Eine Marketing-Strategie, die zumindest immer wieder kurzfristige Sales bringt, sind Drops (hier unsere ausführliche Erklärung). Und auch Double Double Vintage setzt diese intensiv ein. Neue Stücke landen ausschließlich über Drops im Sortiment. Und die gibt’s regelmäßig jeden Mittwoch und Sonntag. „Ergeben hat sich das total organisch. Wir haben das ja nebenbei gemacht. Da ist der Prozess am einfachsten, viele Produkte vorzubereiten und dann in einem Drop zu veröffentlichen“, so der Co-Gründer. „Wir posten Teaser und bewerben den Drop vorher. Darüber kommen dann schon Anfragen für einzelne Stücke, wir haben Traction, die Leute werden heiß auf den Drop und wissen, dass sie schnell sein müssen. Das löst schon mal FOMO aus.“
Bei jedem Drop mache sich der Erfolg der Mechanik bemerkbar: „Der Effekt von Drops ist total stark. Bei jedem Drop haben wir den stärksten Traffic und die meisten Sales über den Online-Shop.“ Wer über eine Drop-Strategie nachdenkt, sollte aber bedenken, dass diese vor allem für Brands und Retailer funktioniert, die als begehrenswerte Marke mit begehrenswerten Produkten wahrgenommen werden. „Uns war direkt wichtig, dass die Leute unseren Shop als Brand sehen“, erzählt Niklas Kille. Deshalb ist das Design des Shops und der Marke sehr an die 90er und die junge Zielgruppe angelehnt – mit bunten Farben und Comic-Elementen.
So habe Double Double Vintage mit der Zeit auch eine Community aus treuen Fans aufgebaut. Und für diese gibt es mittlerweile einen „Family Login“ auf der Seite. „Wir haben gemerkt, dass immer die gleichen Leute mit unserem Content kommunizieren. Dieser Zielgruppe wollten wir etwas Besonderes bieten. Zwei Mal im Monat gibt’s Specials: Secret Access für einen Drop, neue Drops nur für die Mitglieder oder spezielle Sales.“ In einem Newsletter-Verteiler nur für diese extrem treue Community verzeichne Double Double Vintage etwa 3.000 Kontakte, in der „Enge-Freunde-Liste“ bei Instagram etwa 1.000 (hier beschreiben wir, wie die Funktion für Community Building genutzt werden kann). In einem nächsten Schritt sei ein Reward-Programm für die wichtigsten Fans geplant.
Detektive bei der Arbeit
Was bringt Menschen dazu, bei Drops von alten Klamotten so heiß zu sein? Es sind eben diese seltenen Stücke, mit denen sich Double Double in Deutschland hervortut. „Was die Deadstock-Auswahl angeht, gibt es wenig Vergleichbares zu dem, was wir schon angeboten haben“, sagt der Co-Gründer. Unter Deadstock versteht man ungetragene und deshalb besonders begehrte Stücke. „Wir kommen aus dem US-Sport und dem Basketball. Deshalb geht NBA-Merch bei uns am besten. Nike funktioniert auch immer, genauso wie bestimmte Adidas-Kollektionen aus den 90ern.“ In Zukunft dürfte der Kampf um seltene ältere Klamotten wahrscheinlich noch anziehen. 2020 wurde ein Aladdin-Shirt aus den 90ern für 6.000 US-Dollar verkauft.
Die Double-Double-Gründer sind deshalb dauerhaft auf der Suche nach den ganz besonderen Teilen. „Wir sind in den letzten fünf Jahren super damit gefahren, detektivisch unterwegs zu sein“, sagt Niklas Kille. „Wir waren auch mal auf acht Flohmärkten an einem Wochenende.“ Die Instagram-Reichweite helfe dabei, als Adresse für private Verkäufer:innen wahrgenommen zu werden. Zum Teil kämen die Klamotten auch von Großhändlern und aus Auflösungen von Sportartikel-Läden. „Wir sind bei dauerhaft 3.500 bis 4.000 Produkten im Store. In drei Monaten wollen wir bei 5.000, gegen Ende des Jahres bei 7.000 sein.“ Diese verkauft das Unternehmen derzeit vor allem im Online-Shop, dazu kommt ein Laden in Mannheim. „Wir sind im vergangenen Jahr mit dem Online-Shop drastisch gewachsen. Über den machen wir aktuell 80 bis 90 Prozent des Umsatzes“, so Kille. „2022 ist fest geplant, erstmals siebenstelligen Umsatz zu machen.“